Angeklagter gesteht Tötung in Asylbewerberunterkunft

Vor dem Hanauer Landgericht hat ein 34-jähriger Mann aus Somalia gestanden, Mitte Januar in der Asylbewerberunterkunft in Großkrotzenburg einen 25-Jährigen mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser erstochen zu haben. Zu den Hintergründen sagte der Angeklagte nichts. Staatsanwalt Dr. Oliver Piechaczek wirft dem Mann Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Laut Ermittlungen habe ein Streit um die vom Angeklagten schmutzig hinterlassene Gemeinschaftsdusche die Bluttat ausgelöst. Am ersten Verhandlungstag wurde der 34-Jährige von einem Augenzeugen schwer belastet. Er bestätigte in einer sehr emotionalen Aussage weitestgehend den Inhalt der Anklageschrift.
Großkrotzenburg/Hanau – „Dann hat er mit dem Messer in der erhobenen rechten Hand zugestochen. Das Blut spritzte. Er hat ihn getötet wie ein Tier!“ Immer wieder braust der 21-jährige A. auf und echauffiert sich. Landgerichtspräsidentin Susanne Wetzel, die Vorsitzende der 1. Schwurgerichtskammer, hat ihre liebe Last, den jungen Mann auf dem Zeugenstuhl zu besänftigen und seine Aussagen in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken. Wetzel zeigt Verständnis für A., der aus Afghanistan stammt, aktuell nach der Machtübernahme der Taliban um das Leben seiner Eltern und Verwandten bangt – und der das Geschehen am Abend des 13. Januar in der Asylbewerberunterkunft an der Großkrotzenburger Schulstraße ganz offensichtlich noch nicht verarbeitet hat. An diesem Abend wurde sein Freund Nias A. brutal getötet.
Prozess: Streit über dreckige Dusche als Auslöser für die Bluttat?
„Er kam hierher, um sich ein neues Leben aufzubauen“, sagt er über seinen 25-jährigen Landsmann. A. ist der wichtigste Augenzeuge in diesem Prozess. Am Abend der Tat hört er auf dem Flur laute Stimmen und Beleidigungen. Als er die Tür seines Zimmers öffnet, sieht er, wie sich Nias und der 34-jährige Abdiqadir M. gegenüberstehen. Der Grund für die Auseinandersetzung ist eine Lappalie. „Nias hat sich beschwert, dass der da die Dusche nicht sauber hinterlassen hat“, sagt der Zeuge und deutet auf den Mann, der zwischen seinen beiden Verteidigern auf der Anklagebank sitzt.
Innerhalb von Sekunden sei die Situation dann eskaliert. M. soll „Ich töte ihn!“ geschrien haben und sei in sein Zimmer zurück. „Dann kam er mit einem solchen Messer heraus“, sagt A. und deutet dem Gericht eine Klingenlänge von rund 20 Zentimetern an. „Ich bin auf ihn zu und habe versucht, ihn zu beruhigen. Ich habe gesagt: Mach’ das nicht, Bruder.“ Auch Nias soll versucht haben, M. zu besänftigen und ihn gewarnt: „Hier ist Deutschland. Du darfst das nicht!“ Doch die Versuche der beiden Afghanen hätten nichts genutzt. „Er hat dann einfach zugestochen.“
Zeuge: Notausgangstür nur schwer zu öffnen
Nias A. habe noch versucht, seinem Angreifer auf dem rund 40 Meter langen Flur zu entkommen und durch den Notausgang zu flüchten. „Er hat es nicht geschafft.“ Diese Tür habe sich schon zuvor nur schlecht öffnen lassen, sagt der Zeuge. Man habe „drei- oder viermal dagegen treten müssen“. Dort holt M. sein Opfer ein, sticht noch dreimal zu. Zusammen mit anderen Bewohnern hat der Zeuge den kräftigen Angreifer dann überwältigt. „Ich habe ihm das Messer abgenommen“, so der Zeuge, der dann wieder emotional wird und den Angeklagten als „Tier“ bezeichnet. Dafür ermahnt ihn die Vorsitzende eindringlich.
Staatsanwalt Dr. Oliver Piechaczek nennt zuvor in der Anklageschrift die grauenhaften Folgen: Bereits der erste Stich habe das Herz getroffen und sei tödlich gewesen. Vor dem Notausgang sei der 25-Jährige dann in Achselhöhle, Lunge und Ohr getroffen worden und zusammengebrochen. „Der Tod ist durch Verblutungen nach innen erfolgt“, so der Ankläger. Ein eilig herbeigerufenes Rettungsteam konnte das Leben des 25-Jährigen nicht mehr retten. Piechaczek sieht das Geschehen als eine vorsätzliche Tötung aus niedrigen Beweggründen. Die Anklage gegen Abdiqadir M. lautet daher auf Mord (wir berichteten).
Mordprozess: Angeklagter reagiert frech auf die Fragen des Gerichts
M. scheint der Vorwurf offenbar völlig kalt zu lassen. Kurz nachdem ihn die Justizwachtmeister in Handschellen vorgeführt haben, reagiert er frech auf die ersten Fragen der Vorsitzenden und ergreift das Wort: „Sie und alle Deutschen machen sich über mich lustig. Sie sind alles Rassisten!“ Selbst, als Wetzel ihm klarmacht, dass vor Gericht „jeder Mensch, egal, welche Hautfarbe er hat, respektiert wird“, ändert er seine Meinung nicht: „Sie können entscheiden, was sie wollen – ich will nach Hause.“
Dieser Wunsch dürfte wohl nicht so bald in Erfüllung gehen, denn sein Pflichtverteidiger Robin Schwarzer erklärt für seinen Mandanten in einer kurzen Einlassung, dass „das äußere Tatgeschehen geständig eingeräumt wird“. Zu einem Motiv wurden keinen Angaben gemacht, allerdings Andeutungen zu den möglichen Hintergründen: „Es kam immer wieder zum Streit mit der afghanischen Gruppe.“ Daher habe sich M. „bedroht gefühlt und Angst gehabt“.
Der Fall hatte kurz nach der Bluttat für Aufsehen gesorgt, weil M. ein rechtskräftig verurteilter Verbrecher ist, der seit 2017 nach Somalia hätte abgeschoben werden sollen. Wie berichtet, war M. 2014 vom Hanauer Schwurgericht Hanau wegen versuchten Totschlags bereits zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er einen Landsmann in Dörnigheim mit einem Messer in den Rücken gestochen und lebensgefährlich verletzt hatte. Anlass für die Attacke war ein Streit über die Beleuchtung des gemeinsam genutzten Zimmers. Der Prozess wird fortgesetzt.