Energie und Rechentechnik könnten in 20 Jahren das Staudinger-Areal prägen

Die nicht mehr gebrauchten, funktionslosen Gebäude des Kraftwerks Staudinger sollen schon im kommenden Jahr abgerissen werden: Das fordert die Großkrotzenburger Gemeindevertretung jetzt von Kraftwerksbetreiber Uniper, dem Eigner des Geländes. Die jüngste Entscheidung des Parlaments basiert auf einem Antrag der Initiative Zukunftssicheres Großkrotzenburg.
Die das Ortsbild dominierenden Kamine stünden seit Jahren einfach nur so da und mutierten allmählich zu Schrottruinen, erklärt die Initiative: Die Rede ist von vier Kühltürmen, drei Rauchgasentschwefelungsanlagen, drei Kesselhäusern, den Kaminen und Bekohlungsanlagen der Blöcke 1 bis 3 sowie Maschinenhäusern. Das Parlament appelliert deshalb „an den derzeitigen Kraftwerkseigner – auch wenn er keine rechtliche Verpflichtung dazu hat – zur Verschönerung des Ortsbildes einen bescheidenen Beitrag zu leisten.“
Aloys Lenz, Fraktionsvorsitzender der Initiative, wirbt überdies damit, dass die zu erzielenden Schrottpreise für den Betreiber derzeit sehr günstig seien. Den Kraftwerksleiter Matthias Hube überzeugt das nicht.
Er beruft sich auf die Pläne einer möglichen Standortentwicklung, die Uniper dem Gemeindevorstand im Oktober vorgestellt hat. Sie sehen einen „bedarfsgerechten Rückbau“ bis 2040 vor. Im kommenden Jahr mit dem Abriss zu beginnen, sei aus Sicht von Uniper nicht realistisch.
Rechtskräftiger Bebauungsplan liegt noch nicht vor
Das fange schon damit an, dass noch gar kein rechtskräftiger Bebauungsplan für das Areal vorliege. Bis zuletzt war das gesamte Kraftwerksgelände als Fläche für Versorgungsanlagen ausgewiesen. Nach dem Beschluss der Gemeinde soll etwa die Hälfte des Gebietes künftig als gewerbliche Fläche gelten. Erst dann dürfen sich dort beispielsweise auch Rechenzentren niederlassen.
Hube hofft, dass im zweiten Quartal 2022 der Bebauungsplan rechtskräftig wird. Erst wenn der regionale Flächennutzungsplan vom Regierungspräsidium genehmigt sei, habe Uniper Planungssicherheit.

Aber selbst dann sei ein flächendeckender Abriss technisch nicht einfach möglich, erklärt Hube. Die Infrastruktur der Gebäude sei miteinander vernetzt, bei der Reihenfolge des Rückbaus sei deshalb „die Komplexität der Entflechtungsmaßnahmen“ zu beachten. Schlussendlich sei auch seitens der Bundesnetzagentur noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Der erdgasbefeuerte Block 4 sei von der Bundesnetzagentur bis März 2023 als systemrelevant ausgewiesen. Und obwohl Uniper plane, Block 5 spätestens zum 31. Dezember 2025 stillzulegen, sei das zunächst „ein einseitiges Bekenntnis“, sagt Hube. „Beide Blöcke könnten auch über 2025 hinaus von der Bundesnetzagentur als systemrelevant eingestuft werden. Das liegt nicht in der Entscheidungsgewalt von Uniper.“
Unbestreitbar ist: Durch den Ausstieg aus der Kohleenergie wird das Gelände frei für neue Nutzungen. Von Uniper wurde ein Szenario entworfen, das die kommenden 20 Jahre ins Auge fasst. Nach aktuellem Stand will Uniper Eigentümerin des Geländes bleiben und ihren Partnern Flächen über langfristige Verträge zusichern.
Großes Thema ist Wasserstofftechnologie
Der erste Schritt soll 2025 gegangen werden: Die örtlichen Gemeindewerke wollen Teile des Geländes für ein eigenes innovatives Fernwärmekraftwerk nutzen, das seine Energie in erster Linie aus der Sonne und dem Wasser des Mains bezieht. Auf dem Gelände könnten sich in den kommenden Jahren überdies mehrere Rechenzentren mit daran gekoppelten Kälteversorgungsanlagen ansiedeln. Die Abwärme der Rechenzentren könnte laut Kraftwerksleiter Hube für zusätzliche Fernwärmeerzeugung genutzt werden.
Großen Raum nimmt nach derzeitigen Plänen auch das Thema „Wasserstofftechnologie“ ein. Hier bleibe aber abzuwarten, wie sich die Technik in den kommenden Jahren entwickelt, so Hube.
Der Rückbau der Altsubstanz soll nach den zuletzt vorgelegten Plänen von Uniper schrittweise erfolgen. Erst um das Jahr 2040 wäre demnach vom alten Staudinger kein dominantes Bauwerk mehr übrig. Christine Semmler