Bürgerdialog zum Umbau des Rathausplatzes: Anwohner wollen keine Fußgängerzone

Das Interesse war weit größer als erwartet: Rund 50 Anwohner und anrainende Geschäftsleute waren am Donnerstagabend der Einladung der FDP zum Bürgerdialog gefolgt. Thema: Die geplante Verkehrsberuhigung des Rathausplatzes zwischen Langestraße und Friedrichstraße.
Großkrotzenburg - Ende Juni hatte die Gemeindevertretung die Umgestaltung beschlossen und sich damit gerade noch rechtzeitig 250 000 Euro Fördergelder des Landesprogrammes „Zukunft Innenstadt“ gesichert. Die Gemeinde hätte lediglich 50 000 Euro an Eigenmitteln zu tragen. Zur Debatte stehen mehrere Varianten: Eine autofreie Fußgängerzone, eine Spielstraße oder die Verengung auf eine Fahrspur.
Diese Idee, die darauf abzielte, die Attraktivität des Ortskerns zu verbessern, stößt aber bei den Anwohnern offenbar nicht auf Gegenliebe. Das wird ganz schnell klar, als die liberalen Organisatoren Alexander Noll, Daniel Protzmann, Ulrike Schöttelndreier und Christoph Zeller die Bürger um ihre Fragen und Wortbeiträge bitten.
„Verkehrsüberlastung steigt noch mehr“
„Wenn unsere Hauptader blockiert wird, wächst die Verkehrsüberlastung in den umliegenden Straßen noch mehr“, argumentiert ein Anwohner und erntet lauten Applaus. Ähnliche Wortbeiträge folgen: Allein der Pizzalieferservice in der Bahnhofstraße, der etliche Male am Abend ausrücke, hätte die dreifache Strecke durch die Nebenstraßen zu fahren. Und Bauer Zeller, der die Bahnhofstraße regelmäßig mit seinem Traktor durchfährt, den habe man ganz vergessen. „Der kommt doch nirgends anders durch.“ Für Auswärtige würde es schwerer, die gewünschten Geschäfte erreichen. Im alten Ortskern befänden sich außerdem eine Apotheke, eine Postagentur und eine Kirche, die auf eine gute Anbindung angewiesen seien.
Die Liste der Gegenargumente steigt schnell: Umwege erhöhten den CO2-Ausstoß, Kinder würden auf ihrem Fußweg zur Kita noch mehr gefährdet, es fielen Parkplätze weg. Und trotz Zuschuss verschlinge ein Umbau immer auch Eigenmittel.
Einer der Anwohner scheint mit seinem Wortbeitrag vielen anderen aus der Seele zu sprechen: „Was soll es bringen, die 20 Meter zu sperren? Wo sollen hier Leute flanieren oder Kinder spielen? Das bringt niemandem etwas.“ Dafür bekommt er donnernden Applaus. Es kristallisiert sich heraus, dass die Anwohner eine Umgestaltung des Platzes am Theodor-Pörtner-Haus bevorzugen würden. Ob man die Landesmittel entsprechend umwidmen könnte, ist aber fraglich.
Pläne kommen von Gewerbeverein Fachwerk und Quo Vadis
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass diese Idee von Gewerbetreibenden gekommen sein soll“, sagt eine Bürgerin. Aber so ist es: Die Planungsvarianten vor dem Rathaus sind vom Großkrotzenburger Gewerbeverein Fachwerk abgesegnet, mit dem Quo Vadis eng zusammenarbeitet.
Michael Bergmann, der der Bürgeraktion angehört und seine Frau Ute, die in der Bahnhofstraße ein Schuhgeschäft führt, haben in der Menge keinen leichten Stand. Sie sind überrascht von der ablehnenden Stimmung. „Wir haben unser Konzept doch schon vor über einem Jahr bekannt gegeben“, sagt Bergmann, „aber bisher gab es darauf null Reaktion.“
Zur Attraktivitätssteigerung des Platzes gehöre ja nicht nur die Verkehrsberuhigung. Stadtmöbel sollen zum Verweilen einladen, auch Aktionen wie gelegentliche Markttage seien denkbar. Mit einer E-Bike-Lademöglichkeit und einer Fahrradreparaturstation könnten Radler von den Radwanderwegen mit einer entsprechenden Beschilderung in den Ortskern gelockt werden. Auch Maßnahmen zur Belebung des Einzelhandels, beispielsweise finanzielle Unterstützung bei der Umgestaltung oder energetischer Sanierung, seien denkbar.
250 000 Euro Fördergelder sind sicher
Für Ulrich Henkel, der sich auch in der kleinen Menge eingefunden hat, greift die Diskussion deshalb viel zu kurz. Er sitzt für die CDU im Gemeindevorstand, die die Umgestaltung seinerzeit angestoßen hat. „Wir diskutieren hier nur eine von vielen Möglichkeiten“, betont er in einer Wortmeldung. Man habe zunächst die 250 000 Euro sicher. Bei der Umgestaltung des Rathausplatzes gebe es relativ freien Handlungsspielraum. Das Gesamtkonzept, so Henkel, müsse zuerst an einem Runden Tisch mit Anwohnern, Geschäftsleuten und Verkehrsplanern diskutiert werden. Nur so ließe sich eine Lösung finden, die viele Probleme berücksichtigt. „Jetzt lediglich die beiden Verkehrsvarianten herauszugreifen, ist zu eng gedacht.“
Die Organisatoren von der FDP hingegen, die der Verkehrsberuhigung skeptisch gegenüberstehen, freuen sich über das große Interesse. Die Fraktion hatte sich sehr dafür ausgesprochen, zunächst einen mehrwöchigen Verkehrsversuch zu machen, um die „möglicherweise gravierenden Auswirkungen“ zu evaluieren. „Es hat sich bestätigt, dass die Überlegungen nicht in die richtige Richtung führen“, sagt Alexander Noll gegenüber unserer Zeitung. „Sie gegen den Willen der Anwohner durchzusetzen, kann sich keiner leisten.“ In der nächsten Gemeindevertretersitzung gelte es deshalb, den Beschluss erneut zu diskutieren. Eine Konsequenz könne sein, „die Fördermittel zurückzugeben.“ Max Schad, Fraktionsvorsitzender der CDU, ärgert sich im Nachgang über die Veranstaltung. „Wer jetzt anfängt, ohne Grundlagen Stimmung zu machen, vergiftet das Klima und vergibt die Chance, gemeinsam einen Weg zu erarbeiten, unser Ortszentrum aufzuwerten“, schreibt er unserer Redaktion. Die FDP solle diese Chance nicht zerstören. (Von Christine Semmler)