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„Zeichensprache geht immer“

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Die Organisatoren des erfolgreichen „Kennlern-Kaffees“ mit der Bürgermeisterin (von links): Armin Klab, Sabine Klab, Pablo Reyes Vallet, Theresa Neumann, Eva-Maria Neeb, John Shillingford und Orlando Li Sanchez.
Die Organisatoren des erfolgreichen „Kennlern-Kaffees“ mit der Bürgermeisterin (von links): Armin Klab, Sabine Klab, Pablo Reyes Vallet, Theresa Neumann, Eva-Maria Neeb, John Shillingford und Orlando Li Sanchez. © Ulrike Pongratz

Eine der vom Krieg in der Ukraine Geflüchteten (sie möchte hier nicht namentlich genannt werden), die den „Kennlern-Kaffee“ in den Räumen der katholischen Gemeinde in Großkrotzenburg besuchen, stammt aus Charkiw. Dort lehrte sie an der Universität Englisch. Mit dem russischen Angriff flohen die Studenten – und auch sie musste sich neu orientieren.

In der Türkei, in Italien und in Deutschland hat sie sich beworben und fand dann in Großkrotzenburg Arbeit. Sie fühle sich sehr wohl, berichtete sie unserer Zeitung. Sie habe nette Kollegen. Eltern und Schwester leben noch in der Ukraine, im Donbass. Jetzt werden die Augen feucht, die Sorgen um die Familie sind riesengroß, sie weiß nie, was der nächste Tag bringen wird. Städte wie Mariupol sind völlig zerstört. „Ich kann es immer noch nicht fassen“, sagt sie in bestem Englisch, „dass im 21. Jahrhundert ein Land überfallen wird. Wir sind ein modernes europäisches Land.“

Flucht um die Kinder in Sicherheit zu bringen

Mit Kriegsbeginn flohen vor allem die Frauen, um die Kinder in Sicherheit zu bringen. Viele wohnen bei Verwandten, Bekannten und Freunden. Seit Oktober vergangenen Jahres werden der Gemeinde Großkrotzenburg vom Kreis auch Geflüchtete aus der Ukraine zugewiesen. Sie haben in der Regel eine wahre Odyssee hinter sich. Ungefähr 30 Personen kamen in den letzten vier Monaten in die Gemeinde. Für alle konnten angemessene Wohnungen gefunden werden. Die dezentrale Verteilung hat jedoch den Nachteil, dass die Ukrainer sich kaum untereinander kennenlernen.

Damit die Geflüchteten aus der Ukraine miteinander in Kontakt kommen und sich austauschen können, organisierte die Integrationskommission einen „Kennlern-Kaffee“ in den Räumen der katholischen Gemeinde. Für die Mitglieder der Kommission – Orlando Li Sanchez, John Shillingford, Armin und Sabine Klab, Pablo Reyes Vallet und Eva-Maria Neeb – bot sich zugleich die Gelegenheit, sich vorzustellen und ihre Hilfe anzubieten.

Als Vorsitzende der Integrationskommission begrüßte Bürgermeisterin Theresa Neumann die Geflüchteten, die am Samstagnachmittag zahlreicher als erwartet zum Treffen gekommen waren. Rasch wurden weitere Tische aufgebaut, man rückte zusammen. „Zeichensprache geht immer“, sagte Sabine Klab lachend und weist den Gästen freie Plätze zu. Alle ließen sich die selbst gebackenen Kuchen und die Kreppel der Bäckerei Rosen schmecken und unterhielten sich auf Englisch, Ukrainisch und ein wenig Deutsch. Es werden Notizen gemacht, Adressen ausgetauscht.

Die Bürgermeisterin stellte sich und zwei Mitarbeiterinnen der Gemeindeverwaltung nicht nur vor, sondern sprach lange mit verschiedenen Frauen, um zu erfahren, was sie aktuell bräuchten. Die Situationen der Frauen, Kinder und der wenigen Männer sind sehr unterschiedlich. Häufig drehten sich die Gespräche um die Kinder. Die Mutter einer fast dreijährigen Tochter hofft auf einen Platz im Kindergarten, andere Mütter suchen nach Sport- und Bewegungsmöglichkeiten Jungs und Mädchen im Schulalter. Für Angebote im Sportbereich war Per Bergmann an diesem Nachmittag ein gefragter Gesprächspartner. Er verstehe sich als eine Art Bindeglied zwischen Vereinen und Geflüchteten, sagte Bergmann, der sich seit drei Monaten ehrenamtlich um Sportangebote für Geflüchtete bemüht.

Die meisten wollen so schnell wie möglich zurück

Wie lange sie bleiben werden, ist ungewiss. Die meisten Frauen wollen so schnell wie möglich wieder zurück in die Ukraine, zu ihren Ehemännern und Familien. Vielleicht wollen einige der Jüngeren, die jetzt Deutsch lernen, hier zur Schule gehen oder arbeiten, doch in Deutschland bleiben. Alles ist offen.

Eine Hoffnung haben die Geflüchteten, wenn sie Städte wie Frankfurt oder Hanau erleben: dass auch ihre Städte wieder aufgebaut werden. Ulrike Pongratz

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