Großkrotzenburger Parlament rudert zurück

Ein ungewohntes Bild: Die Zuschauerplätze waren zum Start der Gemeindevertretung bis auf den letzten Platz besetzt. Grund: Zahlreiche Blauröcke waren gekommen, um der Vereidigung ihres neuen Gemeindebrandinspektors Michael Thieroff und seiner beiden Stellvertreter Patrick Loos sowie Jens Keck beizuwohnen. Thieroff, arbeitet seit knapp zwei Jahren als Digitalisierungsbeauftragter in der Gemeindeverwaltung. Er löst Oliver Groß, der das Ehrenamt aus privaten Gründen aufgibt, nach fünf Jahren Amtszeit ab.
Großkrotzenburg - Es war die erste Sitzung nach der Bürgermeisterwahl im März: Noch-Bürgermeister Thorsten Bauroth (parteilos), der im Juli sein Amt an die neue Bürgermeisterin Theresa Neumann (CDU) abgeben wird, blieb vielleicht auch deshalb von den üblichen Attacken verschont.
Die Initiative und die SPD brachte die Themen Bürgerhaus und Neue Mitte wieder aufs Tapet. Seit Jahren wird erfolglos darüber debattiert, ob das marode Bürgerhaus als zentrales Gebäude abgerissen oder saniert werden soll.
Der Streit gipfelte zuletzt darin, dass das Parlament beschloss, den befristeten Pachtvertrag mit dem Traditionsgastwirt Miljenko Prskalo nicht weiter zu verlängern. Demnach müsste Prskalo den Betrieb Ende 2022 einstellen. Eine Folgelösung gibt es nicht.
„Vor fast einem Jahr wurde die Entscheidung getroffen, mit der wir von der SPD nicht glücklich waren“, so Fraktionssprecher Uwe Bretthauer. „Seitdem ist wahrnehmbar nichts passiert.“ Inzwischen liege zwar ein Wertgutachten der Immobilie vor. Ein Gutachten darüber, was die Sanierung kosten würde, steht noch aus. Das aber sei Grundlage für weitere Entscheidungen, so Silvia Feuerbaum von der Initiative. Ihre Fraktion beantrage deshalb, dass das Bürgerhaus im Besitz der Gemeinde verbleibt, die Kündigung zurückgenommen und der aktuelle Pachtvertrag mit dem Wirt bis Ende 2024 verlängert wird. In den kommenden zwei Jahren müsse darüber hinaus endlich die Entscheidung getroffen werden, ob das Bürgerhaus in einer gemeindeeigenen GmbH betrieben, verkauft oder in Erbpachtvertrag vermietet werden solle, so Feuerbaum. Das Thema soll zunächst im Haupt- und Finanzausschuss diskutiert werden.
Diesen neuen Vorstoß der Initiative befürwortete das Parlament fast einstimmig. Abgesehen von einer Enthaltung durch Aloys Lenz – neuerdings fraktionsloser Abgeordneter. Der Mitbegründer und ehemalige Sprecher der Initiative ist vor wenigen Wochen aus der Fraktion ausgetreten (wir berichteten).
Ein flankierender Antrag der SPD, dem Pächter weitere fünf Jahre zu geben und als nächstes in einer extern moderierten Diskussionsveranstaltung grundlegende Fragen rund um das neue Ortszentrum zu klären, wurde abgelehnt.
Eine längere Diskussion entwickelte sich zum anvisierten städtebaulichen Vertrag, den die Gemeinde mit dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet eingehen will. Langfristig sollen 15 Hektar Fläche „Auf dem Mittelfeld“ an Tennet veräußert werden. Die Firma will hier zusätzliche Umspannwerke für die Stromtrasse bauen, die künftig bundesweit die Verteilung erneuerbare Energie gewährleisten soll. 15 Hektar Großkrotzenburgs sind bereits mit Umspannanlagen belegt.
Tennet erklärt im Vertrag, die Kosten für die Bauleitplanung zu übernehmen. Die Ausführung vorbereitender städtebaulicher Maßnahmen würden außerdem teilweise auf Tennet übertragen. Tennet erklärt sich außerdem bereit, die Zahlungsschuld gegenüber Uniper zu übernehmen, die sich bei einem Verkauf eines der Areale ergibt. Die Gemeinde hingegen „sichert zu, die entsprechenden Grundstücke primär der Tennet vorzuhalten“.
Planern zufolge ist das Areal am Main, das zwischen dem Kraftwerk und der Ortsschaft liegt, nicht anders entwickelbar, unter anderem wegen des Lärms und der erschwerten Zufahrt. Zweifel äußerte Lucas Bäuml: „Wenn wir den Weg für den Verkauf frei machen, ist das Areal weg für immer“, so der Fraktionschef der Krotzebojer Grünen. Er habe Bauchschmerzen damit, sich wieder von einem „Big Player“, wie schon dem Kraftwerk Staudinger, abhängig zu machen. Wichtig sei, dass die Interessen der Gemeinde gewahrt blieben.
„Wir stimmen hier nicht ab, ob die Erweiterung kommt“, konterte Theresa Neumann (CDU). Im städtebaulichen Vertrag gebe die Gemeinde zunächst lediglich das finanzielle Risiko ab: „Wir veräußern nichts, beschließen keinen Bauleitplan. Wir haben keinen Nachteil durch diesen Vertrag.“
Auch hier kam es zu keiner Entscheidung: Mit großer Mehrheit hat das Parlament beschlossen, die Beschlussvorlage zur weiteren Beratung in den Haupt- und Finanzausschuss zu überweisen.
Von Christine Semmler