Hammersbach: Bürgermeister Göllner legt Widerspruch gegen Beschlüsse von CDU und Grünen ein

Die geplante Westerweiterung im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes könnte vor das Verwaltungsgericht kommen. Hammersbachs Bürgermeister Michael Göllner (SPD), zugleich Vorsitzender des Zweckverbands der Kommunen Hammersbach, Limeshain und Büdingen, legte in der Gemeindevertretersitzung am Dienstag Widerspruch gegen die Beschlüsse ein, mit denen die schwarz-grüne Koalition den Bau einer dritten Logistikhalle durch den Großinvestor Dietz AG verhindern möchte.
Hammersbach – Die Koalition bestätigte die Beschlüsse in der Sitzung jedoch. Sollte auch Göllner bei seinem Widerspruch bleiben, könnte der Streit um die Gebietsentwicklung vor dem Verwaltungsgericht ausgetragen werden.
„Wir sind wieder in unserem Zuhause“, begrüßte Gemeindevertretervorsitzende Ursula Dietzel (SPD) am Dienstagabend Mandatsträger und Gäste im wohlig geheizten Saal des Bürgertreffs Langen-Bergheim, nachdem die ersten Sitzungen der Wahlperiode aufgrund der Pandemie bei offenen Toren im Feuerwehrhaus stattgefunden hatten. Gemütlich wurde es in den kommenden gut zweieinhalb Stunden aber nicht. Stattdessen stritten die Fraktionen erneut über die Art der Entwicklung des Interkommunalen Gewerbegebiets.
Koalition zweifelt an Gültigkeit der Satzung
Hintergrund sind die Anträge, die die Koalition aus CDU und Grünen in der Sitzung am 21. September verabschiedet hatte. In einer Resolution sprach sich das Bündnis für eine kleinteilige Entwicklung des Gebiets zwischen den beiden bestehenden Logistikhallen und der Autobahn 45 für den regionalen Mittelstand aus. Dies entspreche dem ursprünglichen Beschluss im Zweckverband, nur 20 Prozent als Sondergebiet Logistik am Limes auszuweisen, so CDU-Fraktionsvorsitzender Alexander Kovacsek. Bürgermeister Michael Göllner (SPD) solle sich dafür einsetzen.
Zugleich hegt die Koalition Zweifel daran, dass die Westerweiterung im Jahr 2016 überhaupt satzungskonform beschlossen wurde, da seinerzeit drei Mitglieder der Zweckverbandsversammlung gegen die Erweiterung des Plangebiets gestimmt hätten. Satzungsänderungen seien jedoch einstimmig zu fassen, so das Argument der Koalition.
Ein von Schwarz-Grün eingeholtes Rechtsgutachten hält deshalb einen Normenkontrollantrag der Gemeinde Hammersbach oder von Grundstückseigentümern für „denkbar“. Die Koalition beschloss deshalb in der Septembersitzung, die Gemeinde solle sich mit allen möglichen Rechtsmitteln gegen den Bebauungsplan des Zweckverbands zur Westerweiterung wehren.
Göllner beruft sich auf Hessische Gemeindeordnung
Bürgermeister Göllner, der zugleich Vorsitzender des Zweckverbands ist und sich daher durch die gefassten Beschlüsse quasi in einer Zwickmühle befindet, kündigte nach der Sitzung gegenüber unserer Zeitung eine rechtliche Überprüfung an. Als Ergebnis legte er nun am Dienstag seinen Widerspruch gegen die Beschlüsse der Koalition ein, ausführlich begründet in einem neunseitigen Papier, das in den Unterlagen zur Sitzung auf der Internetseite der Gemeinde einsehbar ist.
„Ich bin als Bürgermeister verpflichtet, Verstößen gegen geltendes Recht und Beschlüssen, die das Wohl der Gemeinde gefährden, zu widersprechen“, so Göllner unter Berufung auf §63 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). So bestehe keine rechtliche Grundlage für eine Normenkontrollklage aufgrund einer Verletzung des Planungsrechts der Gemeinde Hammersbach, da dieses Recht mit Gründung des Zweckverbands Interkommunales Gewerbegebiet Limes (ZWIGL) an den Verband übertragen worden sei.
Dazu, dass der Beschluss zur Plangebietserweiterung im Jahr 2016 nicht einstimmig erfolgt und die Satzung damit ungültig sei, sagte Göllner: „Man kann darüber philosophieren, ob tatsächlich die Satzung geändert wurde oder eben nur eine Karte ausgetauscht.“ Eine textliche Änderung habe nicht stattgefunden. Zudem habe die Kommunalaufsicht die Verbandsgebietserweiterung seinerzeit ausdrücklich genehmigt.
Göllner: Schaden für Gemeinde, Zweckverband und Unternehmen
„Selbst wenn man einen satzungswidrigen Beschluss im Jahr 2016 unterstellen wollte, führt dies nicht dazu, dass das Handeln des Zweckverbands rechtswidrig wäre“, heißt es in der von Göllner vorgelegten schriftlichen Begründung.
Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts seien „Hoheitsakte einer fehlerhaft gegründeten Gebietskörperschaft“ nicht immer ungültig. Sofern eine Abwägung unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte Rechtssicherheit und Vertrauensschutz für die Aufrechterhaltung von Beschlüssen spreche, um über Jahre eingegangene Rechtsakte nicht rückabwickeln zu müssen, blieben die Beschlüsse und Rechtsakte bindend.
Schließlich, so Göllner, würden die Beschlüsse der Koalition der „Wohlverhaltensklausel“ in §21 der Zweckverbandssatzung widersprechen. Die Beauftragung des Gemeindevorstands, rechtlich gegen die Bauleitplanung vorzugehen, laufe den Interessen des Zweckverbands und der Betriebe zuwider, die sich dort ansiedeln wollten. Ein gerichtliches Streitverfahren würde die weitere Entwicklung verzögern und Kosten verursachen.
Zudem würde ein solches Vorgehen dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen, da der Zweckverband bereits im April Grundstücke an die Dietz AG mit dem bekannten Entwicklungsziel eines Güter- und Logistikzentrums verkauft habe. Für Gemeinde und Zweckverband würde mit der Umsetzung der Koalitionsbeschlüsse ein immenser Vertrauensverlust einhergehen.
Koalition appelliert an Regionalverband
CDU-Fraktionsvorsitzender Alexander Kovacsek entgegnete: „Ihre Ausführungen überzeugen die Mehrheit in diesem Parlament nicht, dass wir etwas Rechtswidriges machen.“ Vielmehr sehe sich die Koalition „in der Tradition“ der ursprünglichen Zweckverbandsbeschlüsse, die 20 Prozent der Fläche als Sondergebiet Logistik vorgesehen hätten. „Sie haben für Logistikhallen in zwei von drei Parlamenten keine Mehrheit mehr“, so Kovacsek in Anspielung auf den Wechsel einer SPD-Abgeordneten in der Gemeindevertretung Limeshain zur Fraktion der dortigen UBL. Dass bei der Plangebietserweiterung seinerzeit nur eine Karte in der Satzung ausgetauscht worden sei, sei ein „schwaches und angreifbares Argument“, so Kovacsek. „Die Westerweiterung, wie sie heute durchgedrückt werden soll, wäre so nie gekommen. Der ZWIGL-Vorstand sollte sich entschuldigen.“
Mit Blick auf die im November anstehende Entscheidung im Regionalverband über die Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans sagte Kovacsek im späteren Verlauf der Diskussion: „Der Regionalverband als Partner der Kommune soll wissen, dass er mit Zustimmung zur Änderung gegen die Interessen der Gemeinde handelt. Wir hoffen, dass die Vertreter die Stimme dieses Parlaments hören.“
SPD-Fraktionschef Dietzel fassungslos über Verhalten
SPD-Fraktionsvorsitzender Wilhelm Dietzel betonte, dass der Regionalverband es neben der Gemeinde auch mit dem Zweckverband als zweiten Partner zu tun habe. Und die Zweckverbandsversammlung habe erst vor wenigen Tagen dem Bebauungsplan für die Westerweiterung zugestimmt. Zudem monierte Dietzel, dass die Koalition das Rechtsgutachten, auf das sie sich in puncto Satzung berufe, bislang nicht vorgelegt habe.
Auch auf die von Göllner vorgetragenen rechtlichen Argumente sei Kovacsek nicht eingegangen. „Das, was der Bürgermeister hier vorgelegt hat, hat zehnmal mehr Substanz als das, was Sie vorgetragen haben. Und damit gehen Sie in einen Rechtsstreit. Ich bin fassungslos über so ein Verhalten.“
Schwarz-Grün bestätigt Beschlüsse
Die schwarz-grüne Koalition bestätigte schließlich ihre Beschlüsse aus der Septembersitzung gegen den Widerspruch Göllners. Kovacsek: „Wir wollen das geprüft haben, das ist unser Recht. Das Urteil würden wir selbstverständlich akzeptieren. Wer am Ende Recht bekommt, entscheiden im Zweifel Verwaltungsgerichte und nicht der Bürgermeister.“ (Von Jan-Otto Weber)