Hammersbach: Dissens zwischen schwarz-grüner Koalition und SPD bei Hausarzt und Jugendpflege

In der Zielsetzung herrscht in Hammersbach Einigkeit bei den Themen Hausarztversorgung und Jugendarbeit. Aber über die Umsetzung gibt es wie so oft verschiedene Meinungen.
Hammersbach – So wollen sowohl die schwarz-grüne Koalition als auch die SPD-Fraktion der Allgemeinmedizinerin Dr. Verena Kuckuck, die ihre Praxis an der Hauptstraße in Marköbel hat, zu neuen zeitgemäßen Räumen verhelfen. Auch Bürgermeister Michael Göllner (SPD) steht dazu mit der Hausärztin im Gespräch und sieht das Thema als „Chefsache“ an, wie er im Bürgermeisterwahlkampf als Reaktion auf einen Antrag von CDU und Grünen betonte.
Bei der gemeinsamen Sitzung des Bau- und des Sozialausschusses am Mittwoch im Martin-Luther-Haus, wo dieser Koalitions-Antrag beraten wurde, waren sowohl Göllner als auch der Erste Gemeindebeigeordnete Andreas Dietzel (CDU) verhindert. Die anwesenden Gemeindevorstände sahen sich nicht befugt, über das Thema Auskunft zu erteilen.
So erläuterte CDU-Fraktionsvorsitzender Alexander Kovacsek zunächst, dass er bei seinen Haustürbesuchen im Wahlkampf sowohl mit Bürgern als auch mit der Hausärztin selbst ins Gespräch über die Probleme des aktuellen Praxisstandorts gekommen sei. Um möglichst schnell eine Lösung herbeizuführen, habe die Koalition gemeindeeigene Liegenschaften in Marköbel als Alternativen ins Auge gefasst, zum einen die Alte Schule an der Burgstraße 27, zum anderen die ehemalige Busgarage hinter dem Alten Friedhof. „Ich habe heute noch mal mit Frau Dr. Kuckuck gesprochen“, so Kovacsek. „Sie freut sich über die Initiative der Kommunalpolitik insgesamt und wünscht sich, dass es darüber keinen Streit gibt.“
SPD stimmt nicht zu
SPD-Fraktionsvorsitzender Wilhelm Dietzel erklärte jedoch, seine Fraktion werde dem Prüfantrag der Koalition nicht zustimmen. Der Bürgermeister sei bereits an dem Thema dran, die Wünsche der Hausärztin seien bekannt. Dies bestätigte Bauamtsleiter Stefan Brezina. Das schmale Grundstück der Busgarage sei wenig geeignet. Die Alte Schule biete da mehr Platz. Zudem gebe es weitere Gespräche und Optionen. „Wir hätten das trotzdem gerne ausgeprüft und die Varianten gegenübergestellt“, erklärte Kovacsek. „Es geht ja beispielsweise auch um Fragen der Zufahrt und der Parkplätze.“ Der Prüfantrag der Koalition wurde in beiden Ausschüssen mit 3:2 Stimmen empfohlen.
Auch beim Thema Jugendarbeit wollen die Fraktionen insgesamt eine Verbesserung der Situation. Der Neubau eines Gebäudes am Freizeitgelände Dammbrücke ist Konsens, über die Nutzung gibt es jedoch verschiedene Ansichten. Denn für die SPD bleibt der in der Dorfentwicklung erdachte „generationsübergreifende Ansatz weiter handlungsleitend“, wie Miriam Piljic am Mittwoch aus dem Antrag der Sozialdemokraten im Sozialausschuss vortrug. „Hier soll ein Platz für viele entstehen. Deshalb wünschen wir uns auch außerhalb der Öffnungszeiten eines Jugendtreffs oder am Wochenende, dass dieser Ort von anderen Akteuren, wie den Vereinen, mitgenutzt werden kann.“
Zudem beinhaltet der Antrag weitere „Leitlinien“, die die SPD den Jugendbetreuern der Gemeinde mit auf den Weg geben möchte. So müsse Jugendförderung „leicht und direkt ansprechbar sein“, brauche einen festen Platz und verlässliche Uhrzeiten, müsse Ausflüge und Feste bieten. Die Fachleute der Kinder- und Jugendförderung sollten dazu ein Konzept unter Einbeziehung der Jugendlichen erarbeiten.
Grüne: SPD-Antrag „inhaltlich schwach“
Diesmal waren es die Vertreter der schwarz-grünen Koalition, die darauf verwiesen, dass der Gemeindevorstand bereits entsprechend beauftragt sei. „Wir halten den Antrag für überflüssig und inhaltlich schwach“, so Grünen-Vertreter David Eller, der auf eine laufende Umfrage der Verwaltung verwies, um die Bedarfe und Wünsche der Jugendlichen zu ermitteln und daraus ein Konzept zu entwickeln. „Wir haben da kompetente Leute. Der Antrag besteht aus Selbstverständlichkeiten.“
CDU-Fraktionschef Kovacsek erinnerte daran, dass die Gemeindevertreter den Gemeindevorstand bereits im April einstimmig beauftragt hätten, unter Einbeziehung Jugendlicher und der Jugendpfleger möglichst bald ein Konzept für die Jugendarbeit zu entwickeln. Die Fraktionen einigten sich darauf, die laufende Umfrage und das daraus resultierende Konzept der Verwaltung abzuwarten und den Antrag solange im Ausschuss zu belassen.
Vortrag zu Medienkompetenz
Außerdem befasste sich der Sozialausschuss am Mittwoch mit dem SPD-Antrag „Digital in jedem Alter“. „Die fortschreitende Digitalisierung unserer Lebenswelt bietet enorme Chancen, fordert aber alle Generationen in unterschiedlicher Weise heraus und wirft die unterschiedlichsten Probleme auf, die bewältigt werden müssen, damit am Ende die Vorzüge der Digitalisierung die negativen Aspekte überwiegen“, heißt es in der Begründung des SPD-Antrags. Ziel soll ein Netzwerk von Kitas, Schule, Jugend- und Seniorenbeirat sowie Vereinen sein, um die Medienbildung in der Gemeinde voranzutreiben.
Dazu hatte sich der Ausschuss Peter Holnick vom Institut für Medienpädagogik und Kommunikation Hessen (MuK) eingeladen, das solche Projekte plant, organisiert und durchführt. Dabei gehe es um das Verhältnis des Menschen zu sich und seinen digitalen Geräten. Die Reflexion der eigenen Medienbiografie und das Kennlernen und Erweitern der eigenen Kompetenzen im Umgang mit sich selbst, den Medien und den anderen Menschen stehe dabei im Vordergrund. „Kinder und Jugendliche, die mit digitalen Medien groß werden, unterscheiden nicht mehr zwischen realer und digitaler Welt“, so Holnick. „Sie wollen in beiden Welten Spuren hinterlassen. Am Ende geht es um die Selbstvergewisserung: Mich gibt es, ich existiere.“
Ausschuss empfiehlt Antrag einstimmig
Das Institut kümmert sich dabei um Werte und Haltung im Internet, das teilweise eine menschengemachte „Ego-Maschine“ sei. Die Vielzahl der Optionen überforderten viele Menschen. Wichtig sei, möglichst frühzeitig mit Medienbildung anzusetzen und ein Bewusstsein zu schaffen, bevor der Unterhaltungs- und Werbeindustrie die Medienerziehung übernehme. Kinder kämen etwa im Elternhaus oft schon als Kleinkind mit Smartphones oder Tablets in Kontakt, um Serien oder Fotos anzuschauen. Über den spielerischen Umgang mit Bildbearbeitungsprogrammen, wo man Personen Hüte oder Bärte verpasst, könnten schon Kitakinder lernen, dass Bilder manipulierbar seien.
Das deutsche Bildungssystem sei da aber weit hinterher. „Deshalb freue ich mich über die Anfrage aus Hammersbach. In über 30 Berufsjahren habe ich noch nie gehört, dass eine Kommune so eine Idee hat“, erklärte Holnick. Erste Kontakte des MuK zum zuständigen Kreisdezernenten Winfried Ottmann (CDU) bestünden bereits über ein anderes Projekt. Der Ausschuss nahm den SPD-Antrag einstimmig an. (Von Jan-Otto Weber)