Hammersbach: Förster und Bürgermeister Göllner erläutern nach Zwist im Parlament Strategien des Waldbaus

Haushoch strebt der mächtige Stamm mit seiner tief rissigen Borke in die Höhe. Der Durchmesser von etwa 1,20 Meter deutet auf ein stolzes Alter der Eiche hin. An die 300 Jahre könnten es wohl sein. Das ist allerdings auch der Krone anzusehen. So vital der Stamm ist, so angegriffen wirken die Leitäste.
Hammersbach – „Vor diesem Baum haben unser kommissarischer Revierförster Alexander Zentz und ich bestimmt eine Viertelstunde lang gestanden und überlegt, ob wir das Stammholz ernten und verwerten sollen oder ob er als ökologisch wertvoller Habitatbaum stehen bleibt“, erklärt Bürgermeister Michael Göllner (SPD). „Wir haben uns schließlich für letztere Lösung entschieden.“
In dieser Abteilung nahe dem „Eicher Weg“ im Hammersbacher Gemeindewald gibt es im alten Baumbestand gleich mehrere solcher Habitatbäume. Der langjährige Revierförster Udo Kaufmann, der bis Mai 2021 in Hammersbach und Nidderau tätig war, habe immer darauf geachtet, geeignete Bäume gezielt für den Artenschutz zu erhalten, etwa für Fledermäuse oder Vögel, so Göllner. Auch Interims-Förster Zentz bescheinigt Kaufmann eine sorgsame Bewirtschaftung. Deshalb ärgert sich der Bürgermeister darüber, dass zuletzt in den Gremien behauptet worden sei, der Gemeindewald sei aus wirtschaftlichen Gründen „ausgeräumt“ worden.
Interims-Förster Zentz fühlt sich missverstanden
Alexander Zentz, der den Gemeindewald betreut bis ein Nachfolger für Kaufmann gefunden ist, sieht sich in diesem Zusammenhang von einigen politischen Vertretern falsch verstanden. „Für meine Begriffe war zwar der letztjährige Einschlagplan etwas zu hoch angesetzt. Bei den gegenwärtigen Trockenschäden im Wald einen Plan anzusetzen, ist aber auch extrem schwierig.“

Dass der Wald viele Jahre brauche, um sich zu erholen, habe er im Ausschuss auf den hohen krankheitsbedingten Einschlag der Fichtenbestände und die Wiederaufforstung bezogen, nicht auf eine angebliche wirtschaftliche Übernutzung. Die Gemeinde sei gezwungen gewesen die Fichten zu schlagen, bevor sie verderben – um die Erlöse für die Wiederaufforstung zu sichern und aus Gründen der Verkehrssicherung für Waldbesucher und Forstarbeiter.
Forstamtsleiter Lutz Hofheinz, der an diesem Vormittag aus Hanau-Wolfgang angereist ist, belegt die Situation mit Zahlen. Demnach lag der Einschlag bei der Fichte in den Jahren 2017, 2019 und 2021 deutlich über Plan. Allerdings mache die Fichte nur drei Prozent des Baumbestandes im Hammersbacher Revier aus, gegenüber 63 Prozent Buche und 18 Prozent Eiche. Insgesamt liege der Einschlag in den letzten zehn Jahren mit etwa 30 000 Kubikmetern keine zehn Prozent über den geplanten 27 500. „Das ist eine ganz normale Differenz“, bekräftigt Hofheinz.
Forstamtsleiter Hofheinz legt Zahlen vor
An einer Abteilung an der „Langen Schneise“, die parallel zum „Eicher Weg“ verläuft, zeigt sich das Ausmaß der Trockenschäden. Hier und anderswo mussten im Frühjahr 2021 insgesamt fünf Hektar Fichten gefällt werden, die vom Borkenkäfer befallen waren.
Inzwischen ist das Areal eingezäunt. „Wir haben hier Eichen-Wildlinge gesetzt, folgen also dem Prinzip der Naturverjüngung mit standorteigenem Genmaterial“, erklärt Göllner. Doch auch junge Triebe von Esskastanie, Fichte, Lärche oder Birke sind zwischen den Reihen zu finden. „Die wollen wir natürlich auch hochbringen und so die Durchmischung fördern.“
Grundsätzlich stelle sich heraus, dass die waldbaulichen Konzepte, die in der Nachkriegszeit entwickelt wurden, in Zeiten des Klimawandels nicht mehr tragen, erläutert Forstamtsleiter Hofheinz. „Aufgrund des hohen Bedarfs an Bauholz setzte man damals auf schnell wachsende Nadelbäume und pflanzte Fichte bis zum Horizont“, so der Forstwissenschaftler. „Seit dem Waldbauerlass von 1991 setzen wir mehr auf Vielfalt und das Wirtschaften mit statt gegen die Natur. Nun stehen wir vor einem grundlegenden Waldumbau. Das ist eine Jahrhundertaufgabe.“
Klimawandel begünstigt Schädlinge
Durch den Klimawandel würden die Bäume von Pilzen und Insekten befallen, die bisher nicht bekannt oder nachrangig gewesen seien. „Die Frage ist: Wie machen wir den Wald fit, um dauerhaft mit diesen Herausforderungen umzugehen?“, stellt Hofheinz fest. „In diesem Prozess stecken wir gerade, auch ganz konkret hier in Hammersbach. Dazu braucht man Geduld. Eine Förstergeneration ist da zu wenig.“
Deshalb warne er vor reflexartigen politischen Forderungen nach Prozentsätzen für Stilllegungsflächen, mit denen man sich auf Jahrzehnte festlege. „Solche Flächen können für den Artenschutz lokal Sinn machen. Aber ich muss mir vorher genau über das Ziel im Klaren sein. Will ich etwa eine vorhandene Population von Hirschkäfern fördern?“ Dem Klimaschutz hingegen würden stillgelegte Waldflächen einen „Bärendienst“ erweisen, erklärt Hofheinz. „Faulendes Holz setzt CO2 frei, anstatt es zu binden. Ein schneller wachsender gepflegter Wirtschaftswald bindet laut Studien mehr Kohlendioxid. Mit vielfältigen Strukturen kann ich in unseren multifunktional genutzten Wäldern in der Regel am meisten für Holzwirtschaft, den Naturschutz und als Erholungsraum erreichen.“ (Von Jan-Otto Weber)