Hammersbach: Staatssekretär Conz erläutert auf Einladung der schwarz-grünen Koalition die Waldstrategie des Landes

Welchen Beitrag leistet die Stilllegung von Waldflächen für den Klimaschutz? Diese Frage veranlasste die Koalition von CDU und Grünen in Hammersbach zu einem Ortstermin in den Gemeindewald einzuladen.
Hammersbach – Im Rahmen der Debatte um eine zukunftsfähige Waldbewirtschaftung hatte Forstamtsleiter Lutz Hofheinz von Hessen Forst im März bei einem ähnlichen Termin mit Bürgermeister Michael Göllner (SPD) gesagt, dass die zielgerichtete Stilllegung von Waldflächen zwar für den Artenschutz Sinn machen könne. Dem Klimaschutz hingegen würde sie einen „Bärendienst“ erweisen, da faulendes Holz auf Dauer CO2 freisetze, anstatt es zu binden. Ein schnell wachsender und gepflegter Wirtschaftswald hingegen binde laut Studien mehr Kohlendioxid, so Hofheinz.
„Wir lassen uns ungern sagen, dass wir mit dem sauber ausgearbeiteten Antrag zum Naturwald, den die Koalition als einen der ersten nach der Kommunalwahl gestellt hat, dem Klima einen Bärendienst erweisen“, erklärte CDU-Fraktionschef und Bürgermeisterkandidat Alexander Kovacsek nun beim Ortstermin im Gemeindewald. Denn die Koalition möchte nach Vorbild von Bund und Land (siehe Infokasten) zehn Prozent der 500 Hektar Gemeindewald stilllegen.
Bund und Land als Vorreiter
Die Bundesregierung hat im Jahr 2007 mit der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt als Ziel verabschiedet, dass auf einem Anteil von fünf Prozent der deutschen beziehungsweise auf zehn Prozent der öffentlichen Waldfläche eine natürliche Waldentwicklung stattfinden soll. Die hessische Landesregierung hat sich dieses Ziel zu eigen gemacht. Auch die schwarz-grüne Koalition in Hammersbach strebt in einem ersten Schritt die Stilllegung von zehn Prozent der gemeindeeigenen Waldflächen an. Derzeit sind 20 Prozent der Flächen aus der Bewirtschaftung genommen. Aus diesen sollen durch Gutachter geeignete Flächen ausgewählt werden. Wie Bürgermeister Michael Göllner (SPD) in der jüngsten Gemeindevertretersitzung erklärte, könnten die Gutachten beauftragt werden, sobald der Haushalt 2022 genehmigt sei. Die Ausweisung von Naturwäldern wird abhängig von Größe und ökologischem Nutzen von verschiedenen Akteuren gefördert. Zudem können Ökopunkte gutgeschrieben werden. (jow)
„Die Stilllegungsdiskussion ist schwierig“, konstatierte Oliver Conz, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. „Denn dabei schwingt immer mit, dass Generationen von Förstern und die wissenschaftliche Ausbildung alles falsch gemacht hätten. Das ist natürlich Unsinn.“
Staatssekretär Conz: kein Kahlschlag mehr für Holzernte
Andere Länder in Europa schauten mit Staunen auf Deutschland, wo seit 1994 kein Kahlschlag mehr zur Holzernte stattfinde. Den Förstern sei es zu verdanken, dass es überhaupt so ausgedehnte Wälder gebe, die im Mittelalter beinahe verschwunden gewesen seien, erläuterte Conz. Durch zusätzliche Stellen bei Hessen Forst und die Verbeamtung von Förstern sei die Landesregierung bemüht, den Förstern den Druck zu nehmen, damit sie in ihren Revieren in Ruhe agieren könnten. „Es wird ja niemand Förster, um nur im Büro zu sitzen und Holz zu verkaufen.“
Zur CO2-Bilanz von Wirtschafts- und Naturwäldern bestünden unterschiedliche Bilanzierungsansätze, erklärte Conz weiter. Im Wirtschaftswald sei die Kohlenstoffbindung in langlebigen Holzprodukten und durch die Substitution fossiler Rohstoffe sowie Energieträger maßgeblich. Allerdings würde nicht aus jedem heimischen Laubbaum ein Dachbalken. Die durchschnittliche Nutzungszeit, die etwa bei Möbeln rund 40 Jahre betrage, reiche oft nicht an die Dauer der Kohlenstoffspeicherung eines vollständigen Lebenszyklus’ eines Baumes heran. Und auch die Brennholznutzung ersetze zwar mitunter fossile Energieträger, trage aber kurzfristig dennoch zum CO2-Ausstoß bei und sei deshalb gerade in der jetzigen kritischen Phase für den Klimaschutz eher abträglich, in der die Vermeidung und Speicherung von CO2 das Gebot der Stunde sei.

„Wenn Sie mal in osteuropäischen Buchen-Urwäldern waren, laufen Sie dort wie auf Kissen“, erklärte Conz weiter zur langfristigen Humusbildung. Analysen zeigten, dass ungenutzte Wälder Kohlenstoff durch Vorratsaufbau, also den Zuwachs von Holz, die Bindung im Totholz und die sehr lange Phase der Zersetzung sowie durch ungestörten Humusaufbau im Waldboden langfristig binden. „Wälder mit natürlicher Waldentwicklung leisten daher durch Biomasseaufbau und Kohlenstoffspeicherung gerade während der für den Klimaschutz entscheidenden Phase der nächsten Jahrzehnte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.“
„Naturwaldflächen wertvoll für Klimaschutz“
Damit seien Naturwaldflächen sowohl für den Klima- als auch für den Artenschutz wertvoll. Darüber hinaus diene die natürliche Waldentwicklung gleichzeitig auch der Widerstandskraft der heimischen Wälder, weil genetische Vielfalt und natürliche Anpassungsstrategien an den Klimawandel hier gefördert würden. „Methusalembäume“ könnten so ihre „Erfahrungen“ und Anpassungsleistungen über Naturverjüngung an folgende Generationen weitergeben.
„Gleichwohl muss darüber hinaus in der Diskussion beachtet werden, dass auch bei Erreichen der Ziele der Nationalen Biodiversitätsstrategie von Bund und Land 95 Prozent der Wälder weiterhin forstlich genutzt werden“, betonte Staatssekretär Conz und erklärt:. „Der Holzmarkt wird sich dadurch also nicht wesentlich verändern. Und natürlich werden wir damit auch nicht die globale Klimakrise lösen.“ (Von Jan-Otto Weber)