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Hammersbach 2022: Westerweiterung zwischen Justiz, Politik und Meinungsmache

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Von: Jan-Otto Weber

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Zwei Tage vor dem Richtfest ist das Dach der ersten beiden Felder der dritten Logistikhalle des Investors Dietz AG im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes bereits geschlossen. Die Halle soll noch bis zur Größe der benachbarten Halle 2 anwachsen. Dem Umlegungsverfahren stellt sich jedoch der Eigentümer des noch liegen gebliebenen Grünstreifens entgegen. In ihrem gemeinsamen Aufruf zur Mahnwache am Dienstag hatten BUND und Bürgerinitiative Schatzboden geschrieben: „Wir fordern den sofortigen Stopp der Bautätigkeiten und darauf folgend ihren Abriss!“
Am 24. Mai 2022 (Luftaufnahme vom 22. Mai) fand das Richtfest für die dritte Logistikhalle des Investors Dietz AG im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes statt. Das Planverfahren wird vom BUND und der Gemeindevertretung Hammersbach beklagt. Auch der Grundstückseigentümer des noch verbliebenen Grünstreifens wehrt sich gegen die Zwangsumlegung. © Axel Häsler

„The same procedure as every year“ ist man im Jahresrückblick versucht zu sagen, wären der Streit um die „Westerweiterung“ im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes und seine Folgen für das Miteinander in der Gemeinde Hammersbach nicht so verhängnisvoll.

Hammersbach - Das Thema Interkommunales Gewerbegebiet Limes dominiert auch im Jahr 2022 – und das trotz der Bürgermeisterwahl am 12. Juni, die natürlich ebenfalls nicht von der Entwicklung des Gewerbegebiets zu trennen ist. Amtsinhaber Michael Göllner (SPD), zugleich Zweckverbandsvorsteher, kann sich in der Wählergunst behaupten. Allerdings ist die Wahl zu seiner vierten Amtszeit knapp wie nie: Der Herausforderer, CDU-Fraktionsvorsitzender Alexander Kovacsek, kann immerhin 45,4 Prozent der Stimmen gewinnen. Noch am Wahlabend deutet Göllner das Votum als Auftrag der Hammersbacher zur Zusammenarbeit. Doch beim Thema „Westerweiterung“ sind die Gräben zwischen Logistik-Befürwortern und Gegnern im Jahr 2022 eher noch tiefer geworden.

Händeschütteln zum Zeichen des gegenseitigen Respekts: Amtsinhaber Michael Göllner (SPD, rechts) hat das Rennen um den Bürgermeisterpost in Hammersbach für sich entschieden. CDU-Herausforderer Alexander Kovacsek gratuliert.
Händeschütteln zum Zeichen des gegenseitigen Respekts: Amtsinhaber Michael Göllner (SPD, rechts) hat am 12. Juni 2022 das Rennen um den Bürgermeisterposten in Hammersbach für sich entschieden. CDU-Herausforderer Alexander Kovacsek gratuliert. © Moritz Goebel/Scheiber

Bereits im Januar stellt der BUND Hessen beim Verwaltungsgericht Frankfurt einen „Stoppantrag“ gegen das Bauvorhaben des Investors Dietz AG in der Westerweiterung auf Langen-Bergheimer Gemarkung. Seit November 2021 wird dort auf Grundlage einer Teilbaugenehmigung der Bau der dritten Halle vorbereitet. Auch dagegen hatte der BUND Widerspruch eingelegt.

Anfang Februar genehmigt das Regierungspräsidium Darmstadt den Bebauungsplan für die Westerweiterung. Das Regierungspräsidium habe den Plan vor der Genehmigung intensiv geprüft, so Göllner. Darüber hinaus habe die Behörde die Einwendungen und Beschwerden des BUND sowie der Koalition von CDU und Grünen „als irrelevant bewertet“.

Am 4. März jedoch macht das Verwaltungsgericht Frankfurt den Weg für eine Überprüfung des Bebauungsplans frei, indem es die aufschiebende Wirkung der Beanstandungen von Bürgermeister Göllner gegen die entsprechenden Beschlüsse der Gemeindevertretung vom September 2021 aufhebt. Der Baustopp-Antrag des BUND wird hingegen vom Verwaltungsgericht Frankfurt abgelehnt.

Im April meldet die schwarz-grüne Koalition in der Gemeindevertretung per „Willensbekundung“ starke Zweifel daran an, ob der Zweckverband als Umlegungsstelle berechtigt gewesen ist, die gemeindeeigenen Grundstücke in der Westerweiterung ohne expliziten Parlamentsbeschluss zu vereinnahmen.

Im Mai verlässt der im September 2018 als Ankermieter in Halle 1 angesiedelte französische Konzern ID Logistics das Gewerbegebiet. Ausschlaggebender Grund war nach HA-Informationen der Verlust des Großkunden Amazon. Nachmieter wird die B+S GmbH Logistik und Dienstleistungen aus Borgholzhausen.

Am 24. Mai ist Richtfest der umstrittenen Halle 3. Die Gegner des Projekts halten auf einem noch übrig gebliebenen Grünstreifen eines Eigentümers, der sich erfolgreich gegen die Umlegung seines Grundstücks wehrt, eine Mahnwache ab.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel lehnt am 14. Juli die Beschwerde von Bürgermeister Göllner gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt ab und bestätigt damit in letzter Instanz die Zulässigkeit der von der Koalition im September 2021 beantragten rechtlichen Überprüfung des Bebauungsplans für die Westerweiterung.

Im September setzt der VGH in Kassel im Eilverfahren den Bebauungsplan bis zu einer endgültigen Entscheidung über den Normenkontrollantrag „außer Vollzug“. Diese Entscheidung im Hauptverfahren soll am 19. Januar 2023 fallen.

Im November erzielt der BUND mit seinem vor einem Jahr eingelegten Widerspruch gegen die Teilbaugenehmigung für die dritte Logistikhalle in zweiter Instanz vor dem VGH aufschiebende Wirkung. Die betreffenden Erdarbeiten sind jedoch bekanntlich längst abgeschlossen. Der VGH stuft allerdings den Bebauungsplan für die Westerweiterung aufgrund des fehlerhaften Satzungsbeschlusses von 2016 „als hochwahrscheinlich rechtlich unwirksam“ ein.

So weit - kurz gefasst - die juristische und genehmigungsrechtliche Chronik 2022. Welche politischen und persönlichen Auseinandersetzungen und Kämpfe um die Deutungshoheit in Gremien, Pressemitteilungen, sozialen Netzwerken und Leserbriefen stattgefunden haben, steht auf einem anderen Blatt. Das Thema hat einen Punkt erreicht, an dem die Positionen und Interpretationen erschöpfend ausgetauscht sind. Nun gilt es, mit den Fakten umzugehen.

Einen weiteren Fakt setzt der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel in zwei Wochen in seiner Hauptsacheentscheidung zum Bebauungsplan der Westerweiterung. Egal wie das Urteil ausfällt: Ein Gang zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig würde weitere Jahre Stillstand – und hohe Kosten – für die ZWIGL-Kommunen bedeuten. Dies sollten die Entscheider vor Augen haben. (Von Jan-Otto Weber)

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