Juristen streiten um Beweisvideos: Im Prozess um den Mord ohne Leiche wird der Ton deutlich schärfer

Im Prozess um den mutmaßlichen Mord an Alojzij Z. bläst die Verteidigung des Angeklagten Ralf H. zur Attacke. Am „Rande einer Justizposse“ sah sich gar Pflichtverteidiger Johannes Hock, der der Staatsanwaltschaft vorwarf, auf Biegen und Brechen eine „Anklage retten“ zu wollen. Grund für den schärfer gewordenen Ton: die Glaubwürdigkeit der geladenen Zeugen – und das aus der Sicht der Verteidigung nicht vollständiges Videomaterial.
Hammersbach/Maintal/Hanau – Eine ehemalige Mitarbeiterin von Ralf H. hatte von zweifelhaften Geschäftsgebaren und häufigen Streitigkeiten mit Vermieter Alojzij Z. berichtet. Zudem habe H. mehrfach gesagt, er wolle Z. umbringen und es wie einen Unfall aussehen lassen.
Außerdem kenne er einen Ort, an dem man die Leiche nie finden würde, hatte die Zeugin ausgesagt. Dass der ehemaligen Mitarbeiterin für das möglicherweise zweifelhafte Geschäftsgebaren ihres Chefs keine Beispiele einfielen, schmälerte den Aussagewert und Beweiswert aus Sicht von Verteidiger Hoch erheblich.
Dass sie die Werkstatt wegen der „Lügengebäude“ verlassen habe, später aber einen privaten Unfall über eben diese Werkstatt habe abwickeln lassen, passe ebenso nicht ins Bild.
Die Zweifel der Verteidigung an der Glaubwürdigkeit der Zeugen wurden durch den Auftritt von Zeuge S. noch einmal verstärkt. Der hatte das Handy von Alojzij Z. auf einem Firmengelände in Maintal gefunden, an dem Blutspuren des Verschwundenen sichergestellt wurden. S. lieferte zunächst so widersprüchliche Aussagen über den Ablauf seines Tags vor dem Finden des Handys ab, dass kurzerhand seine Frau in den Zeugenstuhl berufen wurde. Diese schaffte zumindest ein bisschen Klarheit, am Ende gab es aber drei verschiedenen Versionen. Dass S. das Handy von Alojzij Z. in Maintal gefunden hatte, daran bestand kein Zweifel. Die widersprüchlichen Aussagen jedoch riefen die Verteidigung auf den Plan, die in Person von Hock die Ehefrau des Zeugen in die Mangel nahm. Dafür handelte er sich eine scharfe Ansage von Landgerichtspräsidentin Susanne Wetzel ein.
Zwei weitere Zeugen hätten am dritten Verhandlungstag eigentlich aussagen sollen. Dazu jedoch kam es gar nicht. Denn die Verteidigung, diesmal in Person von Lennart Späth, hatte nicht nur an den Zeugen, sondern auch an den verfügbaren Akten etwas auszusetzen. Späth stellte gar den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung, weil der Verteidigung bisher nicht das gesamte Videomaterial von zahlreichen Überwachungskameras in Hammersbach und Maintal zur Verfügung gestanden habe.
Mithilfe dieser soll eine Zeugenaussage verifiziert werden. Ein Kunde war am Tag des Verschwindens von Alojzij Z. in der Werkstatt in Hammersbach, laut seiner Angabe bei den Ermittlern gleich zweimal. Dabei geht es vor allem um die Uhrzeit, denn der Zeuge hatte angegeben, mit Ralf H. selbst vor Ort gesprochen zu haben. Entscheidend ist der Zeitpunkt, da H. in Verdacht steht, den Porsche Cayenne von Z. nach Maintal gefahren zu haben, um eine falsche Spur zu legen. Der Knackpunkt: Auf den Videoaufnahmen ist das Auto des Kunden nur einmal zu sehen.
Doch in den Akten ist bei Weitem nicht das ganze Videomaterial vorhanden, sondern nur eine knapp 17-minütige Zusammenfassung mit den aus Sicht der Ermittler wichtigen Zeitpunkten. Insgesamt standen den Ermitteln rund 20 Stunden Videomaterial zur Verfügung – und genau das wollen sich die Verteidiger nun genauer anschauen.
Denn eine angemessene Vorbereitung auf die Zeugenvernehmung sei ohne die Sichtung des kompletten Materials nicht möglich. „Die Frage, ob der Zeuge vor 16 Uhr schon auf dem Gelände war, ist von außerordentlicher Bedeutung“, stellte Späth klar. Die Aufzeichnungen seien keine „nicht herausgabefähigen Beweisstücke, sondern Bestandteil der Akte“, so Späth. Einem ausgedehnten Filmabend wollte dann auch die Vorsitzende Richterin Wetzel nicht im Weg stehen – die Verteidigung erhält eine Kopie der Aufzeichnungen. Eine Aussetzung des Verfahrens war jedoch schnell vom Tisch.
Der Prozess, der ohnehin bis Mitte Januar angesetzt war, dürfte sich aber noch weiter in die Länge ziehen, zumal der Zeitplan schon am zweiten Prozesstag gründlich nach hinten verschoben wurde. Zudem soll noch ein Ortstermin auf dem Gelände der Werkstatt in Hammersbach stattfinden.
Der Prozess wird am 25. November fortgesetzt.
Von Michael Bellack