Der Angeklagte schweigt - „Der Alte ist wohl verschwunden“

Der 58-jährige Ralf H. muss sich seit Donnerstag vor dem Hanauer Schwurgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord aus Heimtücke und Habgier vor. Er soll im Januar in Hammersbach seinen Vermieter in eine Falle gelockt und getötet haben. Von der Leiche fehlt bislang jede Spur. Zusammen mit seinen Anwälten redet der Angeklagte über seinen Werdegang – zum Mordvorwurf äußerte er sich jedoch nicht.
Hanau/Maintal/Hammersbach – Landgerichtspräsidentin Susanne Wetzel hat ihre liebe Mühe und Not, die Frage zum persönlichen Werdegang zu beenden. Schon berichtet Ralf H. (58) wie in einem Wasserfall, dass er „immer sehr fleißig“ und „technisch versiert“ gewesen sei. Sogar drei Meistertitel nennt der gebürtige Büdinger sein Eigen. Er habe sich seine Firma durch harte Arbeit aufgebaut und zuletzt in Langen-Bergheim Autos und Lastwagen repariert.
Heute sitzt er auf der Anklagebank des Hanauer Schwurgerichts und hört, wie Staatsanwältin Lisa Pohlmann ihn mit dem schwersten aller Vorwürfe konfrontiert: Mord. Wegen mehreren tausend Euro Mietschulden soll H. seinen Vermieter Alojzij Z. (79) am 21. Januar in einen Hinterhalt gelockt und heimtückisch getötet haben (wir berichteten).
Hanauer Staatsanwältin: Arg- und wehrloses Opfer hinterrücks getötet
Minutiös listet die Anklägerin auf, was an diesem Tag in der Werkstatt am Schulzehnten, einen Steinwurf von der Autobahn 45 entfernt, geschehen sein soll. H. habe die Sicherungen herausgedreht, damit sich das Tor zu der Garage nicht öffnet, die Z. vorbehalten ist. „Zwischen 12.12 und 12.18 Uhr gehen beide in den Stromverteilungsraum, um den Strom wieder anzustellen“, sagt Pohlmann. Um sich „aller Verbindlichkeiten zu entledigen“ habe der 58-Jährige sein „arg- und wehrloses Opfer“ hinterrücks getötet. Allerdings „auf nicht genaue Weise“. Die Staatsanwältin ist davon überzeugt, dass H. die Tat begangen hat – und sie hat wohl zahlreiche Beweise, die in diesem Indizienprozess präsentiert werden. Doch die Leiche von Z. ist bislang nicht gefunden worden. Und auch die Tatwaffe ist nicht bekannt.
Falsche Spur von Hammersbach nach Maintal gelegt, um die Tötung zu vertuschen?
Wie die Ermittlungen ergeben haben, soll H. anschließend versucht haben, die „Tötungshandlung zu verdecken“. Denn nach Feierabend habe er die Leiche mit einem Volvo-Militärlaster an einen unbekannten Ort gebracht. Zuvor soll er jedoch eine falsche Spur nach Maintal- Bischofsheim gelegt haben. H. habe den schwarzen Porsche Cayenne von Z. an der Bruno-Dreßler-Straße abgestellt und das Mobiltelefon des Opfers hinter dem Auto entsorgt. „An dem Mobiltelefon haftete Blut des Opfers“, sagt Pohlmann.
Großes Waffenarsenal entdeckt - Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz?
Anschließend habe er sich an der Ecke Gutenbergstraße/Am Kreuzstein von einem seiner Mitarbeiter abholen und nach Hammersbach zurückfahren lassen. Doch das ist noch nicht nicht alles. Staatsanwältin Pohlmann listet auf: „. . . Selbstladegewehr G3, 300 Patronen verschiedener Kaliber, eine Maschinenpistole, 904 Patronen, fünf Messer. . .“ Dieses Arsenal habe H. besessen – ohne Genehmigungen. Daher sind in der Anklageschrift auch Straftaten nach dem Waffen- und dem Kriegswaffenkontrollgesetz aufgelistet.
Die Fragen zu seinem bisherigen Leben beantwortet H. sehr ausführlich. Seine Ausbildung, den Job als Pannenhelfer und die erste „Scheune“, die er in Hammersbach gemietet hatte, um nach Feierabend und am Wochenende weitere Autos zu reparieren. „Dort habe ich angefangen, mich selbstständig zu machen.“ Im Jahr 2005 mietete er dann den deutlich größeren Komplex nahe der A45. Von diesem Zeitpunkt an bleiben weitere Fragen offen. Denn der 58-Jährige, dem drei Verteidiger zur Seite stehen, schweigt zum Mordvorwurf.
Als die Polizei anrückt, werden Lügen entlarvt
Weiteres Licht in das Leben des Mannes bringt danach die Frau, die zuletzt mit H. zusammengelebt hat. Sie ist die Mutter des gemeinsamen Kindes. Sie wusste davon dass, H. mit dem Vermieter der Werkstatt im Clinch gelegen hatte. Details kennt sie jedoch nicht. Am Tag nach der mutmaßlichen Tat soll H. ihr gesagt haben, dass „der Alte wohl verschwunden“ sei. Erst einen Monat später, am 24. Februar, wird sie durch ein Klingeln an der Tür aufgeweckt. Die Polizei ist mit „15 Fahrzeugen“ vorgefahren. Die Beamten haben einen Durchsuchungsbefehl dabei. „Ich bin die ganze Zeit davon ausgegangen, dass er nichts mit der Sache zu tun hat“, sagt die Zeugin und lässt erkennen, dass es aktuell wohl nicht mehr so ist. Und weitere Wahrheiten werden bekannt. „Von seinen Schulden, von seiner Privatinsolvenz wusste ich nichts“, sagt die Lebensgefährtin und Mutter. Was sie jedoch weiß: H. hatte eine „große Affinität zu Waffen“. Ständig habe er ihr von seiner Bundeswehrzeit erzählt. „Er war wohl bei den Fallschirmspringern.“
Ehefrau verweigert die Aussage vor Gericht
Wenig später klingelt es erneut. Diesmal steht die angebliche Ex-Frau von H. vor der Tür und will sich erkundigen. Bei einem gemeinsamen Kaffee stellen beide Frauen fest, dass offenbar viel gelogen worden ist. „Er hatte mir erzählt, dass er von seiner Frau schon lange geschieden ist“, sagt die Zeugin, die es nun besser weiß. H. lebt zwar seit 25 Jahren von seiner Frau getrennt, ist aber auf dem Papier weiterhin verheiratet. Und auch die Frage, warum ihr Freund selbst während der Schwangerschaft nicht so oft bei ihr war, klärt sich: „Er war wohl bei ihr.“ Während die Lebensgefährtin aussagt, sitzt die de-facto-Ehefrau nur kurz auf dem Zeugenstuhl. Sie macht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. (Von Thorsten Becker)