Große Koalition bringt 700-Millionen-Euro-Haushalt auf den Weg

Main-Kinzig-Kreis - Am Ende sind es diese Sätze, die den Tag in der Sporthalle von Meerholz treffend beschreiben. Den Tag, an dem der Kreistag die finanziellen Weichen für das nächste Jahr stellt. Immerhin geht es um ein Volumen von 700 Millionen Euro. „Es ist nicht viel Neues dabei“, meint Landrat Thorsten Stolz (SPD) mit Blick auf die 16 Änderungsanträge von vier der fünf Oppositionsparteien. „Das ist nicht der Gipfel der Lust“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Heiko Kasseckert aus Sicht der Großen Koalition und versucht, die Kritik an der Erhöhung der Kreisumlage zu verteidigen.
Zwar wird am Anfang daran erinnert, dass die Etatdebatte die „Königsdisziplin“ des Parlaments ist. Doch in diesem Jahr stimmt das nicht. Wenn man sich an die Schlagabtausche in den vergangenen Jahrzehnten erinnert, dann dürfte das an diesem Freitag die wohl unterkühlteste und drögeste Haushaltsdebatte sein. Liegt es an den Corona-Bedingungen mit Maskenpflicht, unter denen diese Kreistagssitzung erneut stattfinden muss? Liegt es an den kühlen Temperaturen, den zugigen Fenstern und der Tatsache, dass einige der Kreistagsabgeordneten den Mantel erst gar nicht ablegen? Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die 1205 Seiten des Haushaltsentwurfs 2022 in den Ausschüssen bereits ausdiskutiert worden sind und es grundsätzlich nicht mehr so viel zu sagen gibt.
Main-Kinzig-Kreis: Opposition übt Kritik an der Erhöhung der Kreisumlage
Das zeigen die sehr sachlichen Haushaltsreden der Oppositionsparteien. Allen voran Carsten Kauck von den Freien Wählern (FW), der vor allem Innovationen vermisst und explizit nach kreiseigenen Projekten fragt wie Neubau der Rettungsleitstelle, Pflegeakademie und Zusammenlegung der über Gelnhausen verstreuten Kreisämter. Dort sieht er einen „dringenden Handlungsbedarf“, der im Etatentwurf aber nicht abgebildet sei.
Reiner Bousonville, dem Chef der Grünen-Fraktion, ist dagegen deutlich anzumerken, dass er den Spagat zwischen dem Sieg bei der Kommunalwahl und dem Abblitzen bei den Koalitionsverhandlungen immer noch nicht überwunden hat: „An uns hat es nicht gelegen“, sagt er mit Blick auf die Reihen der SPD, die einer Großen Koalition mit der CDU den Vorzug gegeben hat. Nur einmal wird Bousonvilles Ton aggressiv, als er den Koalitionären „Arroganz der Macht“ vorwirft. Das dürfte vor allem daran liegen, dass er genau weiß: Alle zehn grüne Haushaltsanträge werden an diesem Tag keine Mehrheit finden. Da ist viel Enttäuschung aus seinen Worten herauszuhören. Allerdings haut der Inhalt der meisten Anträge auch wirklich niemanden vom Hocker.
Grüne, Freie Wähler und AfD fordern vergeblich mehr Geld für den Radwegeausbau
Es ist insgesamt nur ein Hauch von Kritik, die von den Oppositionsbänken weht. Grüne, FW und AfD fordern gemeinsam mehr Geld für den Radwegausbau. Statt 300 000 sollten bis zu zwei Millionen Euro bereitgestellt werden, um die in einem Konzept genannten 90 Projekte endlich zu realisieren. Und in punkto Kreisumlage gibt es ebenso unisono einen Reigen von Kritik, in sich auch Kolja Saß (FDP) einreiht. Er munkelt sogar, dass bei der nächsten Haushaltsberatung die Kreisumlage wieder gesenkt werden könnte: „Weil 2023 Landratswahlen anstehen.“ Saß und Kauck argumentieren in die andere Richtung: Der Kreis habe in den jüngsten Jahren immer ein Plus erwirtschaftet. Daher sei es an der Zeit, den „Kommunen etwas zurückzugeben“.
Jürgen Mohn (AfD) wettert ebenfalls nur kurz gegen die Kreisumlage – das ist aber auch schon alles. Und Thomas Maurer (Die Linke) scheint offenbar zu resignieren. Der Fraktionsvorsitzende, der zuvor im Barbarossasaal des Landdartsamts immer wieder der Kreisregierung die Leviten gelesen und den Finger in die Wunde gelegt hat, tritt bereits zum zweiten Mal in Folge während der Etatdebatte gar nicht erst ans Rednerpult. Die Arbeit für eine Haushaltsrede lohne sich nicht, meint er.
Kreistag Main-Kinzig: SPD kritisiert die Grünen - „Keine Finanzierungsvorschläge“
Als „sachlich und zukunftsweisend“ bezeichnet dagegen SPD-Fraktionschef Klaus Schejna das Zahlenwerk und kritisiert vor allem die Grünen, die zwar Anträge gestellt, aber keine Finanzierungsvorschläge geliefert hätten. „Wenn ich nix in der Tasche habe, kann ich auch nichts ausgeben“, betont er und spricht von einer „umsichtigen Politik“.
Ins gleiche Horn stößt Heiko Kasseckert für den Koalitionspartner. nennt die Grünen-Anträge „Klein-Klein“ und betont dreimal, dass die Erhöhung der Kreisumlage „nicht der Gipfel der Lust“, aber unabdingbar sei. So ist es die Koalition aus SPD und CDU, die alle Änderungsanträge ablehnt und mit ihrer Mehrheit den 700-Millionen-Euro-Etat auf den Weg bringt. Keine wirkliche Überraschung.
Vielleicht führt die Debatte ohne viel Pep auch dazu, dass Kreistagsvorsitzender Carsten Ullrich im jahrelang gewohnten Trott bleibt und damit – völlig unbeabsichtigt – für den lautesten Lacher des Tages sorgt. Denn nach der Haushaltsrede von Heiko Kasseckert verabschiedet Ullrich den CDU-Fraktionsvorsitzenden mit den Worten: „Vielen Dank, Herr Reul.“ (Von Thorsten Becker)