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Wie die Hanauerin Mirja Blömer sich für mehr Kinderärzte engagiert

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Von: Reinhold Schlitt

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Die Perspektive von Betroffenen eingenommen: Julia Fock, Dr. Burkhard Voigt, Susanne Simmler und Mirja Blömer (von links) nach dem Gespräch über Kinderärztemangel.
Die Perspektive von Betroffenen eingenommen: Julia Fock, Dr. Burkhard Voigt, Susanne Simmler und Mirja Blömer (von links) nach dem Gespräch über Kinderärztemangel. © PM

Wer neu in den Main-Kinzig-Kreis zieht, hat es schwer, einen Kinderarzt zu finden. Eine Mutter aus Hanau bemüht sich, die Situation zu verbessern.

Main-Kinzig-Kreis – Die ambulante kinderärztliche Versorgung im Main-Kinzig-Kreis gibt immer wieder Anlass zu harscher Kritik. Eltern, die neu in den Landkreis gezogen sind, finden hier oft keinen Kinderarzt. Ein Problem scheint auch die Arztsuche für Kinder mit chronischen Erkrankungen zu sein.

Die Hanauerin Mirja Blömer hatte sich deswegen in einem Brandbrief an politische Entscheidungsträger im Main-Kinzig-Kreis und der Stadt Hanau gewandt. Die Gesundheitsdezernentin des Landkreises, Susanne Simmler (SPD), hat sich zwischenzeitlich mit ihr sowie einem Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen getroffen. Eine kurzfristige Lösung des Problems scheint es allerdings nicht zu geben. Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) hat seinerseits angekündigt, Auskunft vom hessischen Sozialminister Kai Klose (Bündnis 90/Die Grünen) darüber zu fordern, wie die Landesregierung dieses Dauerproblem lösen will.

Mirja Blömer ist in der Patientenselbsthilfegruppe Vaskulitis e.V. (entzündliche Erkrankung von Blutgefäßen) engagiert und hat die Klagen von betroffenen Eltern auf-gegriffen. Sie schreibt, „dass die ärztliche Versorgung der Kinder im Main-Kinzig-Kreis aktuell nicht ausreicht. Es kommt wiederholt vor, dass Familien, die gerade hierher gezogen sind, keinen Kinderarzt finden.“ Ihnen bliebe in einem akuten Krankheitsfall oft nur, den Ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 zu kontaktieren. Doch das sei unbefriedigend, denn Kinder, unter ihnen auch Neugeborene, benötigten eine kontinuierliche ärztliche Betreuung, besonders bei einer chronischen Erkrankung. Aber „chronisch kranke Kinder werden oft nicht angenommen“, so ihre Schilderung.

Main-Kinzig-Kreis: Mangel an Kinderärzten nicht das größte Problem

Glaubt man der Statistik, dann dürfte ein Kinderärztemangel in dieser Gegend gar nicht mal das größte Problem sein. Nach der gesetzlichen Bedarfsplanung für die ärztliche Versorgung, mit der geregelt wird, wie viele Haus- und Fachärzte im Verhältnis zur Einwohnerzahl in einer Region (Planungsbereich) zugelassen werden dürfen, gibt es im gesamten Main-Kinzig-Kreis zurzeit gerade einmal zwei freie Kinderarztsitze. Aktuell arbeiten 29 Kinderärztinnen und -ärzte in 26 Arztpraxen. Allerdings sind ihre Praxisstandorte kreisweit sehr ungleich verteilt, wie die Kreisverwaltung mitteilt.

Während auf einen Kinderarzt im Gebiet des Altkreises Hanau rechnerisch 3230 Einwohner von null bis 18 Jahren kommen, sind es im Ostkreis 1551. Zwar kann aktuell noch je ein Kinderarzt in Bad Orb und Hanau zugelassen werden, doch der politischen Führung im MKK reicht das nicht. Aus ihrer Sicht sind in Hanau mindestens zwei weitere Kinderarztsitze notwendig. Der KV, die von Gesetzes wegen den sogenannten Sicherstellungsauftrag für die ambulante ärztliche Versorgung hat, will Beschwerdeführerin Blömer keine Schuld geben: „Die KV tut alles, um das Problem zu lösen. Sie hat oftmals sehr unbürokratisch geholfen, trotz der Überlastung der Kinderärzte.“ Freilich müssen eine dauerhafte Lösung und eine Einbeziehung von Betroffenen her.

Immerhin gibt der Gesetzgeber den Kommunen und Kreisen bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit, selbst in die ambulante ärztliche Versorgung einzugreifen, wenn Ärzte fehlen. So fördert der Main-Kinzig-Kreis unter anderem niederlassungswillige Ärzte mit speziellen Programmen, er beteiligt sich an Facharztweiterbildungsangeboten und unterstützt derzeit den Aufbau eines Versorgungsprojekts in Bad Orb, Biebergemünd, Jossgrund und Flörsbachtal zur Sicherung der haus- und allgemeinärztlichen Versorgung. Auch bietet er in Niederlassungsfragen den Kommunen, der KV und anderen Institutionen seine Unterstützung an und arbeitet mit ärztlichen Berufsverbänden zusammen. Für all diese Aufgaben gibt es im Gesundheitsamt mit Julia Fock eine eigene Ansprechpartnerin.

Die Versorgung mit Kinderärzten in der Region reicht nicht aus, ist eine Betroffene überzeugt.
Die Versorgung mit Kinderärzten in der Region reicht nicht aus, ist eine Betroffene überzeugt. © FRISO GENTSCH/DPA

Kinderarzt aus Frankfurt bezeichnet den Ansatz des Main-Kinzig-Kreises als „sehr konstruktiv“

Der Frankfurter Kinderarzt Dr. Burkhard Voigt, er ist in der KV Ansprechpartner für die pädiatrische Versorgung, begrüßt die vielfältigen Aktivitäten. Er hat auch an dem jüngsten Gespräch mit Gesundheitsdezernentin Simmler und Mirja Blömer teilgenommen und spricht gegenüber unserer Zeitung von einem „sehr konstruktiven Ansatz, den der Main-Kinzig-Kreis hier verfolgt“. Ihm geht es vor allem um eine Förderung der regionalen Facharztweiterbildung, die aus seiner Sicht am ehesten geeignet ist, junge Mediziner in die Niederlassung zu lotsen „und ihnen hier auch die schönen Seiten der ambulanten pädiatrischen Versorgung vor Augen zu führen“.

Der Politik wirft Voigt hingegen vor, die Nachwuchsförderung zwar zu „predigen“, sich bisher aber nicht um die Finanzierung neuer Kinder- und Jugendarztsitze gekümmert zu haben. Auch müssten die Kinderärzte rund die Hälfte der Weiterbildungskosten für den beruflichen Nachwuchs aus ihrem eigenen Honorartopf finanzieren. Das sei nun „wahrlich ein falsches Signal in dem Bemühen um ärztliche Nachwuchsförderung“.

Kreisbeigeordnete Simmler stimmt ihm zu: „Die Finanzierung ist ein Ansatzpunkt, und hier kann dem medizinischen Bereich sicher noch mehr geholfen werden. Das strukturelle Problem bleibt aber kurzfristig damit nicht gelöst. Es baut sich insbesondere in der Westhälfte des Main-Kinzig-Kreises eine immer größere Nachfrage auf die Kinderarztpraxen auf.“ Im gesamten Kreis müsse das Ziel lauten: „Kurze Beine, kurze Wege“. Mirja Blömer ist indes schon froh, „dass nun vor Ort lösungsorientierte Gespräche zu diesem Thema stattfinden und dabei auch die Sicht der Betroffenen auf die kinderärztliche Versorgung berücksichtigt wird“. (Reinhold Schlitt)

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