Landrat fordert kritische Distanz - Lob von der Opposition

Die AfD-Fraktion ist mit dem Versuch gescheitert, die hauptamtliche Kreisspitze für ihre Haltung zu den politisch motivierten „Montagsspaziergängen“ in Misskredit zu bringen. Ungewöhnlich scharf hat dabei Landrat Thorsten Stolz (SPD) die Vorwürfe zurückgewiesen.
Main-Kinzig-Kreis - Die große Mehrheit des Kreistags stellte sich schließlich hinter ihn und verabschiedete eine von CDU, SPD, Grünen und Linke gemeinsam eingebrachte Resolution, die sich gegen Hass, Hetze und Gewalt wendet. Die AfD hatte eine „aktuelle Stunde“ durchgesetzt, um die „Haltung des Landrates Stolz, der Ersten Kreisbeigeordneten Simmler und des Kreisbeigeordneten Ottmann zur Meinungsfreiheit und zum Versammlungs- und Demonstrationsrecht“ zu thematisieren. Diese hatten in einer Erklärung die Bürger dazu aufgerufen, nicht an den „Spaziergängen“ teilzunehmen (wir berichteten).
Kreistag: AfD kritisiert Aufruf der Kreisspitze gegen „Montagsspaziergänge“
Dr. Wolfram Maaß (AfD) sprach von „krassen Diffamierungen“ und „Einschüchterungen“ der Bürger. Stolz nehme die Menschen im Kreis in „Kollektivhaft“ und unterstelle ihnen Gewaltbereitschaft. Als Beamte seien die Mitglieder der hauptamtlichen Kreisspitze zur Neutralität verpflichtet – meinte Maaß und verwies darauf, dass der Aufruf nur wenige Unterschriften habe. Der Landrat konterte die Vorwürfe mit einer ungewöhnlich scharfen Rede, in der er Maaß sogleich den Wind aus den Segeln nahm und dessen Falschaussage entlarvte: „Als politische Wahlbeamte haben wir sehr wohl das Recht, unsere Meinung zu sagen.“
Stolz stellte klar, dass keineswegs jeder Teilnehmer an den „Spaziergängen“ rechtsextrem sei und er Verständnis habe für „Menschen, die sich kritisch zu den Coronamaßnahmen äußern“. Aber jedem müsse klar sein, dass er damit die „Szene der Querdenker, Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Rechtsextremen“ unterstütze, die an einigen Orten im Kreis die Initiatoren seien.
Kreistag: Landrat macht sich Sorge um „Hass, Hetze und Gewalt“
Als Beispiel nannte Stolz die Aktionen in Bruchköbel, wo NPD und „dritter Weg“ die „maßgeblichen Organisatoren“ seien, sowie Langenselbold, wo „einem deutschlandweit bekannten Rechtsextremen“ in der Chatgruppe eine Plattform geboten werde, Hass und Hetze und Drohungen zu verbreiten.
Niemand wolle die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken, betonte Stolz: „Wir machen uns aber Sorgen, dass Hass, Hetze und Gewalt verbreitet werden.“ Er forderte eine „kritische Distanz“ von den Bürgern und forderte diese auch direkt von Maaß: „Setzen Sie sich mal kritisch mit der Entwicklung in Ihrer eigenen Partei auseinander.“ Dass inzwischen 3200 Bürger den Aufruf unterzeichnet hätten, nannte Stolz ein „tolles Signal“ und stellte fest: „Ich werde jederzeit wieder einen solchen Aufruf initiieren und unterschreiben.“
Deutliche Unterstützung bekam der Landrat von der Opposition. Rainer Bousonville (Grüne), der das Ansinnen der AfD als „perfides Spiel“ und „Inszenierung“ geißelte, machte unmissverständlich klar, dass die Grünen „mit voller Solidarität an der Seite des Kreisausschusses“ stehen. Lob kam auch von Thomas Müller (Linke): „Das war die beste Rede, die ich je von Dir gehört habe.“
Aus den eigenen Reihen kam die Unterstützung vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Schejna, der „allen Versuchen, uns zu spalten“ eine klare Absage erteilte: „Wir gehen keinen Millimeter nach rechts.“ Für die CDU-Fraktion machte Markus Jung deutlich, dass die Versammlungsfreiheit auch an Spielregeln gebunden sei. Der Begriff „Spaziergänge“ umschiffe daher das Versammlungsrecht. Jung warnte davor, dass Kritik an den Coronaregeln von Rechtsextremen vereinnahmt und die Aktionen von „Demokratiefeinden unterwandert“ würden: „Hass, Hetze und Gewalt sind nicht vom Demonstrationsrecht gedeckt.“
Kreistag: Große Mehrheit für Resolution
Anke Pfeil (FDP) verteidigte ebenfalls die Grundhaltung der Kreisspitze, bemängelte aber, dass die Erklärung die „Sorgen und Nöte“ der Bürger außer Acht lasse. Daher könnten die Liberalen der gemeinsamen Resolution nicht zustimmen. Gegen die Stimmen der AfD wurde die Resolution schließlich mit großer Mehrheit angenommen. Die FDP sowie zwei Abgeordnete der Freien Wähler (FW) enthielten sich. Zwei FW-Abgeordnete stimmten dafür, darunter Joachim Luca, der betonte, dass es angesichts der „Spaziergänge“ nicht sein könne, dass „eine Minderheit die Mehrheit diktiert“. (Von Thorsten Becker)