Neben SPD und Grünen stimmt auch die FDP für den Selbolder Haushalt 2022

Insbesondere in Zeiten, in denen die Corona-Neuinfektionen neue Rekordwerte erreichen, kann man nicht sicher sein, ob alle Stadtverordneten zu einer Haushaltsverabschiedung erscheinen können und die Mehrheiten halten. So fehlten am 28. März in der Klosterberghalle – aus verschiedenen Gründen – gleich drei Vertreter von SPD und Grünen, allerdings auch ein Mitglied der CDU-Fraktion, sodass Rot-Grün über eine knappe Mehrheit von 17:16 verfügte.
Langenselbold – Allerdings sickerte bereits vor Beginn der Sitzung durch, dass die zwei FDP-Stadtverordneten Christof Sack und Rainer Lamprecht für die Haushaltsvorlage des Magistrats votieren würden. Da sich dies im Laufe des Abends bestätigte, konnte der Haushalt gegen 22.20 Uhr mit den zuvor angenommenen Änderungsanträgen verabschiedet werden. Die 19 anwesenden Stadtverordneten von SPD, Grünen und FDP votierten für das Zahlenwerk, während die 14 Vertreter von CDU und Freien Wählern (FW) dagegen stimmten.
Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer unverändert
Der Beibehaltung der bisherigen Hebesätze von Grundsteuer A und B (jeweils 530 Punkte) und Gewerbesteuer (420 Punkte) hatten zuvor 25 Stadtverordnete zugestimmt. Zwei Vertreter der Freien Wähler lehnten sie ab. Die sechs Enthaltungen kamen von den beiden FDP-Vertretern, drei Freien Wählern und vom CDU-Stadtverordneten Gerhard Groß. Die anderen acht Christdemokraten hatten mit SPD und Grünen für die Beibehaltung der Hebesätze votiert.
Durch die Annahme einer Reihe von Änderungsanträgen, die mit zwei Ausnahmen aus den Reihen des Magistrats und von Rot-Grün kamen, erhöht sich auch das Defizit von 4,2 auf 5,3 Millionen Euro. Der Löwenanteil der Steigerung geht auf die 770 000 Euro zurück, die für die Anmietung von weiteren Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich übrigens nicht um die zu erwartenden Geflüchteten aus der Ukraine, sondern um die bereits Ende 2021 vom Kreis zugewiesenen weiteren 80 Geflüchteten, bei denen es sich vor allem um afghanische Ortskräfte handeln soll.
Erster Stadtrat weist Kritik der CDU zurück
Erster Stadtrat Benjamin Schaaf (parteilos) stellte – auch bezüglich der bereits im Vorfeld der Sitzung geübten Kritik der CDU an einem „solch hohen Defizit“, mit dem eine krisenfeste Finanzplanung nicht in Sicht sei – nochmals klar, dass es sich um kein strukturelles, sondern ein systemisches Defizit handele. Es seien Verschlechterungen, auf welche die Stadt Langenselbold keinen Einfluss habe.
Daran erinnerte auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Volk in seiner Haushaltsrede. „Das Defizit resultiert nämlich aus ausbleibenden öffentlichen Zuschüssen wie Schlüsselzuweisungen, die uns aufgrund unserer soliden Finanzlage nicht mehr zustehen. Bereits im nächsten Jahr wird das Defizit unter heutigen Voraussetzungen nur noch rund 300 000 Euro betragen. Und in den Folgenjahren wird es sich weiter verringern“, so Volk. Auch verwies er darauf, dass das Defizit „problemlos aus den Rücklagen gedeckt werden kann“. Diese hatte Stadtrat Schaaf mit rund zehn Millionen Euro angegeben, die in den vergangenen drei Jahren erwirtschaftet worden seien.
SPD und Grüne wollen Kultur in Selbold wieder nach vorne bringen
Mit diesem Haushalt, so Volk außerdem, „wollen wir unser Selbold nach vorne bringen und neue Akzente setzen“. Er nannte dabei die neue Multifunktionshalle, für die in den nächsten Jahren insgesamt sieben Millionen Euro im Investitionshaushalt zur Verfügung stünden. Außerdem wolle Rot-Grün die Kultur in Selbold nach Corona wiederbeleben. Deshalb würden die halbe Stelle eines Kulturbeauftragten geschaffen und das Kulturbudget vor allem für Theater und Konzert um 18 000 auf 30 000 Euro erhöht.
Die Kulturförderung strich auch Grünen-Fraktionschefin Cornelia Hofacker in ihrer Haushaltsrede hervor. Sie nannte aber ebenso die Bereiche Sportförderung, Vereinsförderung, den Wald-, Natur- und Landschaftsschutz sowie den großen Komplex Geflüchtete, die ihrer Fraktion sehr wichtig seien und die sich in den Änderungsanträgen niederschlagen würden.
Direkte Vereinsförderung findet auch Zuspruch bei FDP
Ein Änderungsantrag zur Vereinsförderung war es dann auch, der die FDP mit dazu bewog, für den Haushalt zu stimmen. Dieser trug nämlich nicht nur die Unterschriften der Fraktionschefs von SPD und Grünen, sondern auch jene von Rainer Lamprecht, dem FDP-Fraktionsvorsitzenden. Den drei Fraktionen geht es dabei darum, „die Vereine direkt zu entlasten“. Sie wollen ihnen auf dem Wege der Aufwandsreduzierung helfen, „wenn es um die am neuen Sportzentrum beheimateten Vereine geht“. Zum anderen soll es Zuwendungen an Vereine geben, die ein eigenes Vereinsheim führen. Und Vereine, „die in städtischen Liegenschaften eingemietet sind, werden ebenfalls durch den künftigen Wegfall entsprechender Mietzahlungen entlastet“. Positiv stimmte die FDP ebenso, dass SPD und Grüne ihren Antrag zur Erweiterung der Hundewiese auf 2400 Quadratmeter unterstützten.
Monika Duderstadt für die CDU und Jürgen Heim für die Freien Wähler machten in ihren Ausführungen zum Haushalt deutlich, dass sie die Vorlage des SPD-geführten Magistrats ablehnen. Die CDU-Fraktionschefin kritisierte, dass das Zahlenwerk nicht vollständig sei, es an Klarheit und Übersicht fehle, vieles auch nicht nachvollziehbar sei. Benjamin Schaaf wies dies anschließend vehement zurück, erinnerte daran, dass Haushalte in dieser Form bereits unter den Bürgermeistern Heiko Kasseckert und Jörg Muth sowie vom Ersten Stadtrat Matthias Mücke (alle CDU) aufgestellt worden seien und fachlich daran niemand Kritik geübt habe. Offensichtlich, so der parteilose Erste Stadtrat, sei die CDU nun tatsächlich in der Opposition angekommen.
Kein inhaltlicher Änderungsantrag von CDU und FW
Ebenso wie die FW legten auch die Christdemokraten keinen inhaltlichen Änderungsantrag vor. „Natürlich könnten wir versuchen, mit Anträgen diesen Haushalt mitzugestalten, jedoch wissen wir gar nicht, auf der Grundlage welcher korrekten Daten wir dies tun sollten“, erklärte Duderstadt den Verzicht auf eigene Anträge. Sowohl CDU als auch FW kritisierten erneut, dass Bürgermeister Timo Greuel (SPD) offenbar nicht willens sei, den vor über einem Jahr von CDU, FW, FDP und auch Grünen verabschiedeten Antrag zur Installierung von festen Raumlufttechnischen (RLT)-Anlagen in allen Kitas umzusetzen. Jürgen Heim (FW) zeigte diesbezüglich sein Unverständnis über das Verhalten der Grünen, die nun in der Koalition offenbar ihre früheren Ansichten über Bord geworfen hätten.
Mit hörbarer Wehmut erinnerte sich Heim an die Verabschiedung des Selbolder Etats im Vorjahr, als nach der zerbrochenen Großen Koalition über die Änderungsanträge zum Haushalt mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt wurde. Diese kurze Periode ohne Koalition bezeichnete er am Montagabend dann auch als „Goldenes Zeitalter der Langenselbolder Politik“.
Von Lars-Erik Gerth