1. Startseite
  2. Region
  3. Main-Kinzig-Kreis
  4. Langenselbold

Ersthelfer retten Frau: Hessische Rettungsmedaille für sieben Helden aus der Region

Erstellt:

Von: Thorsten Becker

Kommentare

Gruppenbild mit Landrat: Die Retter in der Not werden vom Land Hessen mit Orden für ihre Heldentaten gewürdigt.
Gruppenbild mit Landrat: Die Retter in der Not aus der Region werden vom Land Hessen mit Orden für ihre Heldentaten gewürdigt. © Thorsten Becker

Sieben Ersthelfer aus der Region Hanau retten einer Frau bei einem Unfall das Leben. Dafür erhalten sie nun die Rettungsmedaille vom Land Hessen.

Langenselbold – Vor exakt zehn Monaten weiß noch niemand von der Existenz der anderen. Doch an diesem Spätnachmittag fallen sich Christian Slowik (Langenselbold) Michelle Okrusch (Flieden) und Alina Hüttner (Hammersbach/Mespelbrunn) schon vor dem Eingang des Landratsamts in Gelnhausen in die Arme. „Schön, euch alle wiederzusehen!“ Im Barbarossasaal folgen Fabian Just (Gelnhausen), Isabel Acker (Wächtersbach) und Björn Heberer (Limeshain). Insgesamt sind es sieben, Maurice Jerome Cox (Linsengericht) kann leider nicht kommen.

Diese sieben Menschen eint ein Datum: der 1. Juni 2021. Ein Dienstag. Es ist kurz nach 7 Uhr auf der A66/45 kurz hinter dem Langenselbolder Kreuz, Fahrtrichtung Hanauer Kreuz. Der Tag, an dem diese sieben Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben aufeinandertreffen. Der Tag, an dem sie zu wahren Helden geworden sind. Lebensretter sind sie, weil sie sofort durch Hilfsbereitschaft, menschliche Wärme und umsichtiges Handeln ein Menschenleben gerettet haben – unter Einsatz ihres eigenen Lebens.

Dann betritt Hasret Ötzkar den Saal, in dem sonst der Kreistag zusammenkommt. Wieder gibt es herzliche Umarmungen. Die junge Frau zeigt auf ihren Unterschenkel mit der langen Narbe. „Das muss noch mal operiert werden. Die Schrauben sind noch drin. Aber laufen kann ich schon, nur noch nicht so lange“, berichtet sie. Sie tritt ans Rednerpult und sagt die wichtigsten Worte. Worte, die von Herzen kommen. „Ich bin hier, weil ich mich bei meinen Schutzengeln bedanken möchte. Sie sind selbstlos an meiner Seite geblieben, bis ich im Rettungshubschrauber war – ohne sich von den Explosionen beeindrucken zu lassen“, sagt Ötzkar: „Glück im Unglück – ich weiß jetzt, was das bedeutet.“

Rettungsmedaille des Landes Hessen.
Seltene Ehrung: Die Rettungsmedaille des Landes Hessen. © Thorsten Becker

Rettungsmedaille vom Land Hessen: Sieben Ersthelfer aus der Region Hanau retten Frau das Leben

Am Morgen des 1. Juni fährt ein mit Schotter beladener Lastwagen nahezu ungebremst in einen Stau. Zwei der Fahrzeuge geraten sofort in Brand. Ein 26-jähriger Mann aus Steinau verliert sein Leben. Weitere fünf Menschen werden bei dem Unfall verletzt.

Eine davon ist Hasret Ötzkar. Ihr Bein ist gebrochen, sie kann sich nur mit Mühe aus dem Autowrack befreien. Weiter kommt sie nicht. Doch die sieben „Schutzengel“ greifen sofort ein, handeln wie ein professionelles Team. Rufen Polizei und Feuerwehr und erkennen die extreme Lebensgefahr, in der sich die junge Frau befindet. Sie bringen sie mit vereinten Kräften aus der Gefahrenzone. Nur wenige Augenblicke später explodiert ihr Auto. Es ist Rettung in höchster Not.

Doch heute ist ihr Tag. Sie alle haben Einladungen nach Gelnhausen bekommen, um eine der höchsten Auszeichnungen des Landes Hessen entgegenzunehmen: die Rettungsmedaille, die sehr selten verliehen wird. „Sie sind alle ganz besondere Menschen“, sagt Landrat Thorsten Stolz und nennt die Attribute, die wahre Helden auszeichnen: „Mut, Zivilcourage, beherztes Eingreifen – unter dem Einsatz des eigenen Lebens.“ Stolz zollt „höchste Anerkennung“ und verleiht ihnen im Namen des Ministerpräsidenten die Medaillen: „Sie sind alle Vorbilder.“

Lebensretterin Alina Hüttner wird mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet.
Vom Landrat belobigt, von der Stadt Hanau kein neuer Arbeitsvertrag: Lebensretterin Alina Hüttner wird mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet. © Thorsten Becker

Sieben Ersthelfer aus der Region erhalten hessische Rettungsmedaille: Erinnerungen an den Unfall bleiben

Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Max Schad, der nach der HA-Berichterstattung die Auszeichnung der Ersthelfer beim Innenministerium angeregt hatte, bei der Verleihung aber durch die Plenarwoche des Landtags gebunden war, schickt Glückwünsche und Lob in einer E-Mail an die HA-Redaktion: „Ich freue mich, dass das Land meine Anregung aufgenommen hat und die couragierten Ersthelfer mit der Hessischen Rettungsmedaille auszeichnet. Ihr Einsatz war herausragend und verdient öffentliche Anerkennung. Nicht jeder hätte in dieser Situation so mutig und gedankenschnell reagiert.“

Nach so viel Lob bleiben trotzdem noch Fragen. Wie geht es den Helden? „Das war schlimm“, sagt der 39-jährige Christian Slowik, der in Langenselbold einen IT-Service betreibt. „Der Kieslaster war direkt vor mir.“ Bei der Zeugenvernehmung durch die Polizei seien alle schrecklichen Bilder wieder präsent gewesen. Auch danach. Bilder, die er wohl nie vergessen wird. Doch dann klopft eine Hand auf seine Schulter. „Das war eine tolle Leistung, ich bin stolz auf dich“, sagt sein Vater.

Auch Lennox (6) ist extra für die Feierstunde ganz schick herausgeputzt. Seitenscheitel. Von den rührigen Mitarbeiterinnen der Kreis-Ehrenamtsagentur bekommt der Junior von Björn Heberer ein Malbuch – damit es nicht so langweilig wird, wenn die vielen Erwachsenen reden. „Na klar, er malt zuerst am Feuerwehrauto“, feixt sein Vater. Lennox ist stolz auf seinen Papa.

Hessische Rettungsmedaille für sieben Ersthelfer aus der Region: Kein neuer Vertrag bei Stadt Hanau

Und dann ist da noch Alina Hüttner, die am Unfallort Wunden versorgt und getröstet hat. Sie ist diejenige, die Retter und Gerettete durch einen Aufruf im HANAUER ANZEIGER vereint hat. „Die ersten Wochen waren hart“, sagt die 25-Jährige, die trotz Lob und Auszeichnung ein wenig traurig wirkt. Denn die Stadt Hanau scheint sich nicht für die Heldin zu interessieren. Während andere Arbeitgeber solche Soft Skills als Auswahlkriterium nutzen, scheint der Eigenbetrieb Kindertagesbetreuung der Stadt das offenbar nicht.

„Sie haben mich gelobt, als sie davon erfahren haben“, sagt Alina, schränkt aber traurig ein: „Ich hatte Zeitverträge und arbeite im integrativen Kindergarten Brüder Grimm. Doch ich habe keinen neuen Vertrag bekommen. Ich würde dort so gerne weiterarbeiten.“ Stand jetzt läuft der Vertrag der 25-Jährigen am 31. Mai aus. Dann droht der Lebensretterin die Arbeitslosigkeit. (Thorsten Becker)

Auch interessant

Kommentare