Main-Kinzig-Kreis: Langenselbolder Erdbeersonntag abgesagt - Veranstalter droht das Aus
Der Erdbeersonntag in Langenselbold war eine beliebte Veranstaltung im Main-Kinzig-Kreis. Doch nun droht dem ausrichtenden Handel- und Gewerbeverein das Aus.
Langenselbold - Es fehlt schlicht an Mitgliedern, die sich aktiv im Vorstand und bei der Organisation des Erdbeersonntags in Langenselbold (Main-Kinzig-Kreis) beteiligen wollen. Deshalb steht der Handel- und Gewerbeverein (HGV) vor der Auflösung und wird 2023 kein Erdbeersonntag stattfinden.
Die Voraussetzungen für die außerordentliche Mitgliederversammlung des HGV im Selbolder Schloss am Dienstagabend (14. März) waren lange klar: Finden sich keine Kandidaten für die beiden vakanten Vorstandsämter Schriftführer und Kassierer, dann steht der Verein vor der Auflösung und fällt auch der Erdbeersonntag 2023 aus. Denn dieser wurde bisher immer vom HGV organisiert. Und in der kurzen Zeit bis zum vorgesehenen Termin am 4. Juni würde sich kein anderer Verein finden, um ihn zu veranstalten.

Main-Kinzig-Kreis: Zahlreiche Appelle haben nichts genutzt - HGV Langenselbold vor Auflösung
Trotz dieser bekannt ernsten Lage und zahlreicher Appelle an die Mitgliedsbetriebe, fand sich jedoch wiederum niemand, der sich zu einer Kandidatur bereit erklärte. Entsprechend schwer enttäuscht zeigte sich das im Herbst neu gewählte Vorstandsduo Stefan Rohling (erster Vorsitzender) und Alexandra Schroth (zweite Vorsitzende), die auch die dramatische Lage des Vereins in den letzten Monaten in vielfältiger Weise kommuniziert hatten. Dies galt ebenso für den langjährigen Vorsitzenden Arne Schellhoß, der noch beim Neujahrsempfang der Stadt an die Mitglieder appellierte, die vakanten Ämter zu besetzen und sich auch verstärkt in die Arbeit des HGV einzubringen – insbesondere was den Erdbeersonntag anbetrifft. Aber auch diesbezüglich erklärten sich nur jene zur Mitarbeit bereit, die schon seit Jahren mit von der Partie sind. Dabei hat der HGV über 70 Mitgliedsbetriebe, von denen allerdings auch nur 16 am Dienstagabend vertreten waren.
Die nicht erfolgte Komplettierung des Vorstands hat neben der Absage des Erdbeersonntags 2023 noch eine weitere sofortige Konsequenz, wie Rohling mitteilte. Der Verkauf der beliebten HGV-Gutscheine wurde umgehend gestoppt. Die im Umlauf befindlichen Gutscheine können aber auch weiterhin eingelöst werden.
Vorstandsduo zeigt sich sehr enttäuscht
Rohling und Schroth stand die Enttäuschung buchstäblich ins Gesicht geschrieben. „So kenne ich Vereinsarbeit nicht. Ein Verein lebt von der Beteiligung und Mitgestaltung der Mitglieder. Aber ich kann einfach kein Interesse erkennen. Warum sollten wir also weitermachen. Mehr als 70 Handel- und Gewerbetreibende sind Mitglied im HGV, doch ich sehe immer nur dieselben Handvoll Gesichter“, hielten sie mit ihrer herben Enttäuschung am Dienstagabend nicht hinter dem Berg.
Pokémon, Gameboy, Sagaland: Retroladen „Flashback Products“ in Langenselbold bietet Spiele aus den 80er und 90ern.
Wie sich in den Gesprächen mit unserer Zeitung am Mittwoch ergab, ist die Tür für ein Fortbestehen des HGV aber noch nicht zu. „Wir werden die Liste der Mitgliedsbetriebe noch einmal nach möglichen Kandidaten durchgehen und Gespräche führen, um die Auflösung doch noch zu verhindern. Ich freue mich auch darüber, dass Bürgermeister Timo Greuel seine Unterstützung zugesagt hat“, so Stefan Rohling gestern Nachmittag.
Langenselbold: Bürgermeister Greuel sagt Unterstützung zu und bedauert Erdbeersonntag-Absage
Für Greuel wäre die Auflösung des HGV ein herber Verlust für die Stadt Langenselbold, wie er auf unsere Nachfrage hin erklärte und anfügte: „Und dabei geht es mir nicht nur um den Erdbeersonntag, dessen Absage ich sehr bedauere. Denn der HGV wäre für uns als Stadt Langenselbold vor allem ein wichtiger Partner bei der Umsetzung des Projekts ‘Zukunft Innenstadt’. Auch deshalb hoffe ich sehr, dass die Auflösung des HGV noch abgewendet werden kann.“
Rohling und Schroth hatten sich bereits Gedanken gemacht, was man an neuen Ideen einbringen könnte, um den Einzelhandel in Selbold zu stärken. Zu den Planungen gehörte auch eine Gewerbeschau, die es in der Gründaustadt schon lange nicht mehr gegeben hat. Diese und weitere Ideen sind nun erst einmal auf Eis gelegt. Dafür bekräftigen beide, dass neue Vorstandsmitglieder die volle Unterstützung auch der bisherigen Mitglieder des Gremiums hätten, die als Beisitzer weiter mitwirken wollten. „Auch über die Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb des Vorstands können wir reden. Da ist nichts in Stein gemeißelt“, versicherte Stefan Rohling gestern, der weiter hofft, dass sich noch Kandidaten für die nicht besetzten Vorstandsämter finden werden.
Liquidation des HGV Langenselbold würde zum Jahresende erfolgen
Denn während es für den Erdbeersonntag am 4. Juni wohl keine positive Lösung mehr geben wird, hat der HGV in Sachen Auflösung noch eine Art Gnadenfrist. „Die Auflösung müsste bis zum Ende des Jahres erfolgen. Und zuvor müsste diese auch erst von einer weiteren außerordentlichen Mitgliederversammlung beschlossen werden“, informieren Rohling und Schroth über das Prozedere der Liquidation, die beide natürlich gerne noch verhindern würden.
„Vor allem tut es mir um Arne Schellhoß und seine tolle Arbeit über 20 Jahre hinweg leid, wenn wir den HGV zum Jahresende auflösen müssten“, denkt Alexandra Schroth auch an Stefan Rohlings Vorgänger, der am Dienstagabend nochmals – leider vergeblich – an die Mitglieder appelliert hatte. (Lars-Erik Gerth und Anja Goldstein)
Kommentar zur drohenden Auflösung des HGV Langenselbold
Die Lage für den Einzelhandel gerade in mittelgroßen und kleineren Kommunen war bereits vor Ausbruch der Pandemie schwierig. Durch Corona hat sich die Situation nun weiter verschärft, da noch mehr Menschen ihre Waren im Internet kaufen und den Fachgeschäften vor Ort den Rücken zugedreht haben. Das gilt auch für Langenselbold.
Umso wichtiger ist eine starke Vertretung der Gewerbetreibenden, die gemeinsame Initiativen und Veranstaltungen auf die Beine stellt und die Langenselbolder wieder vermehrt dazu bringt, nicht online, sondern in den heimischen Läden einzukaufen. Auch braucht der Selbolder Einzelhandel dieses starke Sprachrohr, um seine Interessen gegenüber der Stadt deutlich zu machen. Dies hat zuletzt auch die Diskussion um fehlende Parkplätze in der Innenstadt gezeigt. Der langjährige erste Vorsitzende Arne Schellhoß hat diesbezüglich und in vielen anderen Bereichen klare Kante gezeigt und den Finger in die Wunden gelegt. Sein Nachfolger Stefan Rohling würde diese Präsenz gerne fortsetzen. Nur brauchen seine Stellvertreterin Alexandra Schroth und er dafür auch Mitstreiter.
Wenn aber aus den Reihen der mehr als 70 Mitgliedsbetriebe selbst nach zahlreichen flammenden Appellen niemand bereit ist, für die beiden vakanten Vorstandsämter zu kandidieren, dann lässt dies tief blicken. Offensichtlich haben die heimischen Gewerbetreibenden noch nicht gemerkt, dass sie sich mit der nun drohenden Auflösung des HGV ins eigene Fleisch schneiden.
Bezeichnend ist zudem, dass sich auch nur wenige Mitgliedsbetriebe in der Vergangenheit bereit erklärten, an der Organisation des Erdbeersonntags mitzuwirken. Die Arbeit blieb immer an denselben wenigen Frauen und Männern hängen.
Die nun erfolgte Absage des Erdbeersonntags 2023 stellt entsprechend einen erheblichen Imageschaden für den Selbolder Einzelhandel dar. Die Auflösung des HGV zum Jahresende wäre dann der Supergau für Handel und Gewerbe in der Gründaustadt. Es ist also höchste Zeit für die HGV-Mitglieder, wieder für ein funktionsfähiges Vorstandsteam zu sorgen und sich in großer Zahl aktiv einzubringen. Das sollte eigentlich in ihrem ureigenen Interesse liegen.
Von Lars-Erik Gerth