Mittendrin statt nur dabei bei den ersten Highland Games nach der Corona-Pause

Langenselbold – Wenn im Schlosspark der Klang von Dudelsäcken ertönt, die Selbolder Narren volle und leere Bierfässer schleppen und karierte Kilts die Mode bestimmen kann das nur eines bedeuten: Es werden wieder die schottisch-inspirierte „Highland Games“ ausgetragen!
Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause suchen die Karnevalisten vom TV Langenselbold wieder die kräftigsten und geschicktesten Baumstamm-, Stein-, und Bierfasswerfer. Mittendrin dabei ein gar nicht mal so kräftiger und mäßig geschickter Sportreporter, der nichtsdestotrotz hochmotiviert als „Lennart der Schreckliche aus dem Hause des Hanauers“ sein Glück versuchen darf.

Tatsächlich fühle ich mich spätestens nach dem Reinschlüpfen in den zugegebenermaßen mit Sicherheitsnadel angepassten Kilt so, als ob ich Bäume ausreißen könnte. Zur Freude der Stadtverwaltung gehört dies aber nicht zu den zu absolvierenden Disziplinen für die insgesamt neun antretenden Dreier-Teams plus Sportreporter, der aber in weiser Voraussicht außer Konkurrenz antritt. Bereits zum 14. Mal veranstalten die Selbolder Narren das schottisch-närrische Treiben, in diesem Jahr zum ersten Mal an einem Samstag statt am Sonntag. Pünktlich um 14.11 Uhr beginnen die Festlichkeiten mit dem Einmarsch der Mannschaften und dem fahnen-schwingenden Elferrat, der auch die insgesamt reibungs-lose Organisation zu verantworten hat.

Ich werde derweil von dem Team der „Dropkick Schmörphis“ adoptiert, um nicht allein zu den Klängen von „Green Hills of Tyrol“ und „Loch and Side“ der Fliedener Gruppe „Royal Scots Pipes and Drums“ in die Arena auf dem Klosterberg ziehen zu müssen. Um den Titel kämpfen die diesmal ausschließlich männliche Teams wie etwa „Odins Biergötter“, „Die Dudelsäcke“ oder der dem eigenen Namen alle Ehre machende „Chaostrupp“, der erst Stunden vor Beginn noch kurzerhand entschloss, bei den Spielen mitzumachen. Vor einer Kulisse von etwa 600 Zuschauern beginnen die Spiele für meine Highland-Pflegefamilie und mich mit dem Steinzielstoßen. Ex-Narrenvereinspräsident Peter Schäfer kommentiert meine immerhin stetig näher am Ziel landenden Versuche mit trockenem Humor und weiß aus jahrelanger Erfahrung: „Kraft allein macht es nicht. In erster Linie ist es ein Ge-fühls-Spiel!“

In der immer praller werdenden Mittagssonne folgt der Baumstammweitwurf. Während Marc Peters von den „Dropkick Mörphis“ den drei Meter langen Stamm stolze 10,45 Meter weit von sich wegwuchten kann, tue ich mich mit dem erforderlichen Überschlag des Baumstammes schwer. Kein Wunder, normalerweise bin ich eher mit dem Gewicht eines Kugelschreibers in den Händen konfrontiert!
Auch an Speis und Trank fehlt es nicht
Die Vorrunde schließen wir mit dem Bierfasshochwurf ab – nach einer dringend benötigten Verpflegungspause, bei der sich die vom Verein organisierten Food-Trucks und das reiche Angebot an Kuchen und Kaltgetränken als Retter unserer Energiehaushalte zeigen. Vor uns brilliert TV-Langenselbold Vorsitzender Florian Koog vom „Brühlweesch Clan“ und wuchtet das leere 30-Liter-Fass ohne Mühe über die 4,50-Meter-Marke.

Mein Kilt sitzt, das Publikum feuert mich an und meine Teamkollegen rufen mir zu: „Nicht so steif!“ – aber es hilft nichts, das Fass will partout nicht über die Drei-Meter-Hürde fliegen. Nach Abschluss der Vorrunde ist ganz klar: Meine Paradedisziplin wird der mit Sackkarre zu absolvierende 40-Meter-Parcours inklusive zweier Trinkstationen im Finale!
Wahre Dramen dürfen nicht fehlen
Bei diesem spektakulären, feucht-fröhlichen Staffellauf spielen sich wahre Dramen ab, verschüttetes Guinness und Whisky werden getoppt von herunterfallenden Strohsäcken und dem Einsatz von Dominic Mente („Chaostrupp“), der im heroischen Endspurt beide Schuhsohlen verliert aber so die Bestzeit von 2:55 Minuten sichert!
Immerhin hier kann ich mithalten, besonders beim Unterkriechen der Hürden kurz vor den Trinkstationen kann ich meine Körpergröße endlich zu meinem Vorteil einsetzen – davon abgesehen herrscht bei den „Highland Games“ aber sowieso der schottisch-olympische Spirit „Dabei sein (und trinken) ist alles!“

Team „Chaostrupp“ holt den Sieg
Nichtsdestotrotz steigt die Spannung, je näher die von Dieter Bröning durchgeführte Siegerehrung rückt. Der Vorstand bedankt sich erst bei allen beteiligten Helferinnen und Helfern und verkündet dann das Endergebnis: „Die Dudelsäcke“ holen sich Rang Drei, „meine“ „Dropkick Schmörphis“ sichern sich den zweiten Platz und Sieger der „Highland-Games“ 2022 ist tatsächlich der „Chaostrupp“! Das Erfolgsgeheimnis von Dominic Mente, Steffen Bruni und Kevin Heck? – „Spontanität“! Und selbstverständlich: Wenn nächstes Jahr erneut der Klosterberg kurzfristig zum schottischen Hochland deklariert wird, wollen die drei ihren Titel verteidigen. Vorausgesetzt natürlich, sie melden sich rechtzeitig an.
Von Lennart Nickel