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Keine Verschnaufpause für das Zwerchfell

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Gags im „tiefsten Oxford-Hessisch“: Hans-Joachim Greifenstein und Clajo Herrmann sorgten in der Klosterberghalle für Lachen am laufenden Band.
Gags im „tiefsten Oxford-Hessisch“: Hans-Joachim Greifenstein und Clajo Herrmann sorgten in der Klosterberghalle für Lachen am laufenden Band. © Anja Goldstein

Hat Bill Gates Abraham Lincoln erfunden, um mehr Erdbeermarmelade zum Frühstück zu bekommen oder doch die Weltherrschaft zu erlangen? Kann man der ganzen Welt eine ansteckende Krankheit vorschwindeln?

Langenselbold – Dieser und vieler weiterer Fragen des Lebens nahm sich das Erste Allgemeine Pfarrerkabarett in der Klosterberghalle an. Die beiden evangelischen Pfarrer Clajo Herrmann und Hans-Joachim Greifenstein erwiesen sich mit ihrem Programm „Lügenmesse“ wieder einmal als herrlich bissig und feuerten mehr Gags ab, als ein Publikum verkraften kann.

„Zweieinhalb Jahre hat sich das jetzt bei mir aufgestaut,“ erklärte Herrmann gleich zu Beginn der Vorstellung, „und das muss jetzt endlich raus.“ Was „Das“ ist, zeigte sich sehr schnell und ohne Atempause für die Gäste: bissige und satirische Witze, vor allem über die Auswirkungen der Pandemie.

Das alles aber, ohne das „böse Wort“ zu erwähnen: „Was man verschweigt, das gibt es nämlich gar nicht, zumindest läuft das in primitiven Gesellschaften so.“ Wie primitiv eine Gesellschaft sei, ließe sich auch an der Verkaufszahl der „Bild“-Zeitung festlegen. Aus dem Wort „Corona“ machten die beiden Pfarrer, wenn es sich tatsächlich nicht vermeiden ließ, ein „HmMmMm“. Dass man nicht alles glauben darf, zeigte Greifenstein auch am Beispiel seines Duschgels, auf dessen Rückseite die Beschreibung „sei frei, verrückt und glücklich“ stand: „Das ist von Kneipp, die haben mal mit kaltem Wasser angefangen!“ Es reiche heutzutage nicht mehr, „das macht sauber“ auf ein Shampoo zu schreiben. Werbeversprechen gingen eben genauso wie die Propaganda der Querdenker mit der Zeit, deswegen hieße die „Bild“ auch „Bild“ und nicht „Fakt“.

„Wobei: früher hatte Querdenken noch etwas mit ‚Denken’ zu tun.“ Und Greifenstein gibt den Tipp: „Man darf nicht alles Glauben was man liest. Aber man kann nicht immer kritisch sein, sondern muss auch mal glauben dürfen.“

Als Beispiel nannte er das Lob seiner Frau, er sei „der beste Liebhaber den es gibt“. Das wollte er lieber glauben als kritisch nachzufragen woher sie das weiß.

Und Herrman fügte hinzu: „Glück entsteht im Hirnlappen. An dieser Stelle haben aber viele einen Jammerlappen.“ In der Pandemie sei der Wunsch groß gewesen, es solle alles wieder so sein wie früher.

„Doch: War es früher wirklich besser?“ Schließlich sei schon die Kirche mit ihren immer weniger werdenden Mitgliedern in Sachen Hygienekonzept der Zeit weit voraus gewesen und hätte schon vorher auf Abstand und wenig Menschen in großen Räumen gesorgt.

Im Wechsel zeigten sich die beiden Kabarettisten als Duo, aber auch mit Soloabschnitten auf der Bühne. Ganz ohne Bühnenbild rockten die beiden Pfarrer den Abend, nur mit ihrem Mundwerk bewaffnet. In einem Dauerfeuerwerk mit Gags in „tiefsten Oxford-Hessisch“ kam das Publikum kaum zu Atem: Sobald man lachte, verpasste man die nächsten Witze. Und das, obwohl es auch nachdenkliche Töne der beiden gab: So überlegte Herrmann, ob die Geschichte der Arche Noah wohl so abgelaufen sein könnte. „Da kamen eigentlich nur noch zwei Löwen wieder raus und sprachen: „Es war zwar nur Holzklasse, aber das Büfett war klasse.“

Im Tierreich fand Herrmann viele Vergleiche, wie einen Berater der Bundesregierung, der nichts anderes sei, als „wenn die Bienenkönigin als Fachkraft für Wabenherstellung und -Füllung einen Zitronenfalter einstellt.“ Auch an den „Aluhut-Demonstrationen hätte Grzimek seine Freude gehabt: Das ist ja der reinste Zoo.“

Selbst, dass die Impfstoffe das Erbgut veränderten, könnte so mancher als Chance sehen. „Eigentlich sind das doch alles ausgewilderte Waldorffschüler.“ Und: „Um blöd zu sein, braucht man keinen Verstand.“ Aber anstatt sich über Querdenker aufzuregen, sollte man sich lieber mit den wichtigen Fragen der Menschheit auseinandersetzen: „Warum schläft der, der schnarcht, immer zuerst ein?“

Die beiden Kabarettisten schafften es über zweieinhalb Stunden, die Besucher praktisch ununterbrochen zum Lachen zu bringen und hatten sichtlich Spaß daran, wieder vor Publikum auftreten zu können. Seit über 25 Jahren stehen sie gemeinsam oder mit Soloprogrammen auf der Bühne. Die „Lügenmesse“ feierte vor etwa einem Jahr in Aschaffenburg Premiere. Von Anja Goldstein

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