Kunst-Performance erinnert an Todesmarsch der KZ-Häftlinge 1945 durch Langenselbold

Auf rege Teilnahme stieß am 26. März die Kunst-Performance in Erinnerung an den Todesmarsch von 350 KZ-Häftlingen, der auch durch Langenselbold führte. Eine Stunde lang herrschte eine bedrückende Stille über der sonst viel befahrenen Hanauer Straße. Die Teilnehmer rückten die 45 Figuren immer wieder einige Meter nach vorne. Sie symbolisierten die KZ-Häftlinge, die von den SS-Schergen durch den Ort getrieben wurden.
Langenselbold – Stille, eine Stunde lang nur: Stille. Kein Vogelgezwitscher, kein Lachen, kein Auto, kaum Passanten. Schweigend setzte sich der Zug mit 45 „Gestalten des Jammers“ vom Rathaus-Parkplatz in Richtung Steinweg in Bewegung. Quälend langsam ging es voran, „das Ungeheuerliche sichtbar zu machen“.
Nur 280 von 350 Häftlingen erreichten Hünfeld
Das Ungeheuerliche geschah vor 78 Jahren mitten in Langenselbold, als etwa 350 Häftlinge des KZ „Katzbach“ von Frankfurt aus nach Hünfeld durch den Ort getrieben wurden. Nur 280 der ausgemergelten und misshandelten Zwangsarbeiter – darunter viele Menschen aus Polen – erreichten Hünfeld und schließlich das KZ Buchenwald.

Die kollektive Kunst-Performance mit 45 lebensgroßen Figuren sind die Schöpfung der Künstlerin Ulrike Streck-Plath aus Maintal-Dörnigheim. Seit 2012 konnte sie die kollektive Performance jeweils zum historischen Tag auf der Strecke in Dörnigheim, Schlüchtern, Gelnhausen, Fulda oder Frankfurt unter reger Teilnahme verwirklichen.
Rege Teilnahme an Performance in Langenselbold
In Langenselbold begrüßte am frühen Sonntagnachmittag bei Regenwetter die ehrenamtliche Kreisbeigeordnete Monika Kühn-Bousonville im Namen des Main-Kinzig-Kreises die Mitwirkenden, verbunden mit einem Dank für die rege Teilnahme. Erinnern, so Kühn-Bousonville, brauche Zeit und Raum und die gebotene Stille und Einkehr. „Wir können heute in uns hineinhorchen und sollten in dieser Zeit sensibel darüber nachdenken, was für uns selbstverständlich ist, was für alle selbstverständlich sein sollte und was im Moment an Selbstverständlichkeiten akut auf dem Spiel steht: Menschenwürde, Frieden, Demokratie, Respekt vor Mitmenschen, Solidarität mit Schwächeren und Verfolgten.“
In aller Ruhe und Stille wurden die Figuren aus Filz und Stahl, die die KZ-Häftlinge symbolisierten, einzeln weitergetragen und auf ihrem Weg begleitet. Mit auf den Weg des Erinnerns und Gedenkens machten sich unter anderem als Vertreter des polnischen Generalkonsulates Konsul Jan Krzymowski, die Landtagsabgeordneten Christoph Degen und Max Schad, Viola Krause von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge und Bürgermeister Timo Greuel.
Eine Stunde lang rückten die Teilnehmer die Figuren Richtung Steinweg
Eine Stunde lang schienen sich die durchnässten Gestalten auf der Hanauer Straße Richtung Osten zu schleppen und ließen die Menschen, die Schrecken und Verbrechen wieder sichtbar werden. Eine Installation, die unter die Haut ging, wie Kühn-Bousonville bemerkte.

Zum Abschluss hielt Werner Fromm, der Vorsitzende des Sozial-, Kultur- und Vereinsausschusses, eine sehr persönliche und bewegende Rede. Er dankte im Namen der Stadt allen Mitwirkenden und der Initiatorin Ulrike Streck-Plath für ihren unermüdlichen Einsatz. Als Enkel des KZ-Häftlings Karl Reidel, der mit viel Glück, guten Freunden und einem starken Willen zwölf Jahre Inhaftierung überlebt habe, dankte er „für die Aufrechterhaltung einer Erinnerungskultur als Mahnung, die heute wichtiger denn je geworden ist“. Es gehe nicht um Schuldzuweisungen oder Anklage der Nachkriegsgenerationen für die Grausamkeiten der Nazis, es gehe darum, „an Taten zu erinnern, die sich so nicht wiederholen dürfen, und all die Menschen, die dieses Leid erfahren mussten, an Hunger starben oder gar während des Marsches erschossen oder erhängt wurden“.
Bewegende Worte von Werner Fromm
Fromm führte kurz die unmenschlichen Bedingungen der Evakuierung des KZ Katzbach aus. Bis heute sind beispielsweise Namen und Hintergründe von NS-Opfern, die in Langenselbold begraben liegen, nicht geklärt.
Fromm beendete seine Rede mit nachdenklich stimmenden Worten und einer beeindruckenden Geste: „Wir müssen uns in Anbetracht der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen vergegenwärtigen, dass wir wachsam bleiben. Wer wegschaut und schweigt, macht sich schuldig.“ Und an Jan Krzymowski gerichtet: „Sehr geehrter Herr Konsul, ich verneige mich vor Ihnen und den Opfern dieses Todesmarsches.“
Weitere Veranstaltung zum Thema Zwangsarbeit in Maintal
Karin Brandes, Leiterin der Gedenkstätte Museum Trutzhain, hält am Dienstag, 9. Mai, um 19.30 Uhr einen Vortrag zu „Zwangsarbeit hier bei uns. Über die Zuweisung von Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg“. Er findet im evangelischen Gemeindehaus in Maintal-Wachenbuchen statt.
Von Ulrike Pongratz