1. Startseite
  2. Region
  3. Main-Kinzig-Kreis
  4. Langenselbold

Kunst-Performance zum Todesmarsch, der 1945 durch Langenselbold führte

Erstellt:

Von: Lars-Erik Gerth

Kommentare

Die erste Kunst-Performance zur Erinnerung an den Todesmarsch fand am 25. März 2012 auf der Kennedystraße in Maintal-Dörnigheim statt. Viele Zuschauer beteiligten sich aktiv und trugen die Figuren einige Meter über die Straße.
Die erste Kunst-Performance zur Erinnerung an den Todesmarsch fand am 25. März 2012 auf der Kennedystraße in Maintal-Dörnigheim statt. Viele Zuschauer beteiligten sich aktiv und trugen die Figuren einige Meter über die Straße. © Lars-Erik Gerth

Zur Erinnerung an den Todesmarsch von 350 Häftlingen des KZ Katzbach der Frankfurter Adlerwerke, der am 25. März 1945 auch durch Langenselbold führte, veranstaltet die Maintaler Künstlerin Ulrike Streck-Plath am 26. März 2023 eine Kollektive Performance.

Langenselbold – Bereits zweimal hatte die Künstlerin Ulrike Streck-Plath ihre Kollektive Performance in Langenselbold zum Todesmarsch von rund 350 KZ-Häftlingen im März 1945 geplant. 2019 war der Stadt der Termin aus organisatorischen Gründen zu kurzfristig. Und im März 2020 kam dann der Ausbruch der Corona-Pandemie dazwischen. Nun startet die engagierte Maintalerin den dritten Versuch, die Bürgerinnen und Bürger Langenselbolds mit einer eindringlichen Kunst-Veranstaltung auf diese dunkelsten Ereignisse der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs aufmerksam zu machen. Die Kollektive Performance soll am Sonntag, 26. März, um 14 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Rathaus beginnen (Ablauf siehe nebenstehende Infobox).

Nur etwa 280 der 350 Häftlinge schafften es bis Hünfeld

Wie Ulrike Streck-Plath informiert, ist es mittlerweile 78 Jahre her, dass „die letzten gehfähigen Häftlinge“ des KZ Katzbach, das sich in den Frankfurter Adlerwerken befand, in der Nacht auf den 25. März 1945 von Frankfurt zu Fuß durch das Kinzigtal bis nach Hünfeld getrieben wurden. Von den rund 350 Häftlingen kamen nur etwa 280 Männer am 29. März dort an und wurden anschließend in Güterwaggons ins KZ Buchenwald transportiert.

Auf dem Flyer zu der Veranstaltung in Langenselbold heißt es weiter: „Wer krank war, das Tempo des Marsches nicht halten konnte, den ‘falschen’ Glauben hatte oder einen anderen Anlass bot, wurde von der Begleitmannschaft erschossen. Ein Teil der Toten fand eine würdige Ruhestätte. Viele – wohl die meisten – wurden nur hastig verscharrt oder am Straßenrand liegengelassen.“

Die Maintalerin Ulrike Streck-Plath hatte ihre Kollektive Performance in Langenselbold zum Todesmarsch vom März 1945 bereits zweimal geplant. Nun soll sie am 26. März endlich stattfinden.
Die Maintalerin Ulrike Streck-Plath hatte ihre Kollektive Performance in Langenselbold zum Todesmarsch vom März 1945 bereits zweimal geplant. Nun soll sie am 26. März endlich stattfinden. © Privat

Vor rund zwölf Jahren erfuhr Ulrike Streck-Plath von dem Todesmarsch, der unteranderem durch den heutigen Maintaler Stadtteil Dörnigheim führte, in dem die Künstlerin lebt. Allein im Bereich der damaligen Reichsstraße 40, an der auch Dörnigheim lag, wurden zwölf der Häftlinge erschossen. Das Thema ließ Streck-Plath nicht mehr los und – bestärkt durch die beiden Maintaler Klaus Klee und Klaus Seibert – kam sie auf die Idee, an dieses damals auch in der zweitgrößten Stadt des Main-Kinzig-Kreises kaum bekannte Kapitel aus der düstersten Zeit der deutschen Geschichte in Form einer Kollektiven Performance zu erinnern.

Die erste Kunst-Performance fand 2012 in Dörnigheim statt

Zwölf von ihr selbst erarbeitete lebensgroße Figuren aus Filz und Eisen wurden dann am 25. März 2012 von Zuschauern der Kunstaktion über die Dörnigheimer Kennedystraße getragen. Rund 200 Menschen waren damals zugegen. Vor elf Jahren herrschte trotz strahlend blauen Himmels eine beklemmende Stille auf einer der sonst am meisten befahrensten Straßen der 40 000-Einwohner-Stadt zwischen Frankfurt und Hanau.

Die Veranstaltung in Selbold am 26. März soll nun ebenfalls eine „Schweige-Performance“ werden. Sie reiht sich ein in die von Ulrike Streck-Plath initiierten Erinnerungsaktionen in Frankfurt und Hünfeld (jeweils 2013), Fulda (2014), Gelnhausen (2015), Steinau an der Straße (2016), Schlüchtern (2017) und im Stadtteil Ahl von Bad Soden-Salmünster (2018).

Aus zwölf sind mittlerweile 45 lebensgroße Figuren aus Filz und Eisen geworden

Waren es in Maintal-Dörnigheim noch zwölf Figuren, ist ihre Zahl mittlerweile auf 45 angewachsen. Sie sollen am 26. März über die Hanauer Straße bis zur Kreuzung am Steinweg vorgerückt werden. Ulrike Streck-Plath und ihre Selbolder Unterstützer laden alle Interessierten dazu ein, die 45 lebensgroßen Figuren aus Filz und Stahl auf einem Teil der historischen Strecke in aller Stille zu bewegen.

Zu den Initiatoren der Performance in Langenselbold gehört unter anderen der hiesige FDP-Parteivorsitzende Christof Sack. Mit dabei ist auch das Selbolder Ordnungsamt, das für die Absperrung der Hanauer Straße während der rund einstündigen Veranstaltung sorgen wird. Als Schirmherren konnte Ulrike Streck-Plath den Ministerpräsidenten Boris Rhein gewinnen. Dessen Vorgänger Volker Bouffier war schon Schirmherr bei der Kollektiven Performance in Ahl. Rhein kann zwar persönlich am 26. März nicht vor Ort sein, übermittelte aber bereits ein Grußwort. Darin würdigt er die Kunst-Performance als einen Beitrag, das Leiden der KZ-Häftlinge, die auf den Todesmarsch geschickt wurden, „nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und zugleich die Grundbedingungen zu stärken, auf die eine menschenwürdige Existenz gründet“.

Ein Appell an die Menschlichkeit

Ulrike Streck-Plath sieht in ihrer Kunst-Performance nicht zuletzt einen Appell an die Menschlichkeit. Mit ihren Kunstaktionen traf sie in der Vergangenheit allerdings auch immer wieder auf Unverständnis und „Ratschläge“, dies doch sein zu lassen. Was sie bereits bei der Pressekonferenz zur dann coronabedingt abgesagten Performance 2020 sagte, gilt aber auch heute noch: „Das bestätigt mich nur darin, weiterzumachen, um an das zu erinnern, was im März 1945 passiert ist, damit sich dies nie wiederholt.“

Die Gedenkstätte in den Frankfurter Adlerwerken informiert seit 2022 über die Geschichte des KZ, aus dem die verbliebenen rund 350 Häftlinge im März 1945 zum Todesmarsch in Richtung Hünfeld aufbrechen mussten. Mehr zur Kollektiven Performance auch im Internet auf kzadlerwerke.de.

Von Lars-Erik Gerth

Auch interessant

Kommentare