Ein Rathaus ist kein Ponyhof

Langenselbold. Ein Sprung ins kalte Wasser: Timo Greuel (SPD) ist gleich allein „zu Haus“. Sanft ist die Landung. Das Chaos bleibt am ersten Arbeitstag aus. Die erste Woche des Ersten Stadtrats im Rathaus ist wundersam ruhig. Sein Fazit: Die Verwaltung funktioniert bestens, auch wenn die Spitze nicht da ist. Es ist halt Urlaubszeit.
Von Torsten Kleine-Rüschkamp Als der frisch gebackene hauptamtliche Erste Stadtrat (SPD) der Stadt Langenselbold seinen Dienst antritt, ist nicht nur Bürgermeister Jörg Muth (CDU) im Urlaub. Auch die Amtsleiter sind noch ausgeflogen. Das gilt auch für die Amtsleiter Peter Müller (Ordnung) und Benjamin Schaaf (Finanzen), denen Greuel vorsteht.
Der neue Dezernent kann sich sorgfältig einrichten, die Mitarbeiter und die Arbeitsabläufe studieren und sich im Bauhof, bei der Feuerwehr und in der Kläranlage vorstellen. Und: Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister, den er sehr schätze.Aus grün wird weißGreuels erster Tag ist natürlich sorgfältig vorbereitet worden. Sein Amtszimmer und das Vorzimmer von Sekretärin Christine Klier sind frisch getüncht worden. Der 38-Jährige hat den Raum von Amtsvorgänger Gustav Schreiner (Grüne) bezogen. Und da grüne Wände nicht jedermanns Sache sind – wie sie tatsächlich vorhanden waren im Büro des Vorgängers –, erstrahlen sie nun in sachlichem Weiß.
Und wer hofft, dass ein roter Sozialdemokrat sein Zimmer nun rot tüncht, der ist bei Greuel fehl am Platz. Schließlich hat der Einzug des Genossen schon einiges an Symbolkraft. Erstmals ist nach mehr als zwei Jahrzehnten Abstinenz ein Sozialdemokrat wieder als hauptamtlicher ins Rathaus eingezogen. Möglich hat das der Erfolg der SPD bei der Kommunalwahl 2016 gemacht, worauf sie mit der CDU eine Große Koalition vereinbarten. Der Rest ist bekannt: Schreiner wurde abgewählt und Greuel aufs Schild gehoben.„Entspannt und unaufgeregt“Eine tibetische Klangschale, die Schreiner stets anklöppelte, um aufgeregte Gesprächspartner zu erden, findet man bei Greuel nicht. Und niemand will heute noch an die einst im Langenselbolder Rathaus verstreuten Sandinista-Devotionalien des ehemaligen und in Ungnade gefallenen SPD-Bürgermeisters Hans-Peter Ebner erinnert werden.
„Entspannt und unaufgeregt“: So hat Greuel seine ersten Tage als zweiter Mann an der Spitze der Verwaltung erlebt. Bei diesem Gemütszustand wird es aber nicht immer bleiben, ist doch Greuel nicht nur für das Ordnungsdezernat zuständig, sondern auch für die Finanzen. Allein das Ordnungsamt ist per se kein Ponyhof, weil es hier an der Schnittstelle zwischen Bürger und Verwaltung bei widerstreitenden Interessen auch mal ruppig zugehen kann.Ein Tag nach MaßWar schon der erste Arbeitstag geschmeidig perfekt, hat der Familienvater am Abend auch den achten Geburtstag seiner Tochter Lya feiern können. Solch einen Tag nach Maß behält man gerne für immer im Kopf.
Die halbe Miete ist, dass sich Greuel und seine rechte Hand Christine Klier gut verstehen. Klier hatte schon für Stadtrat Schreiner das Büro organisiert und die Termine koordiniert. Als nun in dieser Woche auch noch die Sternsinger am Rathaus anklopften, stand Greuel erstmals als Offizieller der Stadt und Stellvertreter des Bürgermeisters direkt in der Öffentlichkeit. „Es war ein bisschen ungewohnt, aber Spaß hat es gemacht“, sagt er.Reichlich FinanzwissenGreuel, der als Diplom-Verwaltungswirt beim Kreis in leitender Funktion an der Schnittstelle zum Kommunalen Center für Arbeit dafür gesorgt hatte, dass die Langzeitarbeitslosen ihr Geld erhalten, hat reichlich Finanzwissen.
Er kennt aber auch die andere Seite des Schreibtischs, als er im Modellteam Langzeitarbeitslosen half. Der neue Mann im Rathaus kennt also die Konflikte, die entstehen, wenn es um Geld und den direkten Kundenkontakt geht„Ich bin als Stadtrat der Neutralität verpflichtet“Dass er ab sofort noch stärker in der Öffentlichkeit stehen wird, als dies noch in seiner langjährigen Tätigkeit als Fraktionsvorsitzender der Fall war, weiß er. Und der neue Wahlbeamte will auch wissen, wie man das Amt in der Verwaltung und die Arbeit in der SPD trennt. „Ich bin als Stadtrat der Neutralität verpflichtet“, betont er. Im Falle von Stress in Folge von unpopulären Entscheidungen, Konflikten, Anfeindungen und ungerechtfertigter Kritik will er sein Amt von seiner Person trennen. „Ich will das nicht persönlich nehmen“.
Und die Sozialdemokraten seien so professionell, zu wissen, dass der neue SPD-Stadtrat nicht der verlängerte Arm der Sozialdemokraten im Rathaus sein kann. Nach mehr als 20 Jahren Oppositionsrolle und der nunmaligen Regierungsverantwortung in der Koalition befinde sich die SPD nun in einem „lernendem Prozess“. Alle Beteiligten seien gespannt, wohin die Reise gehe.