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Langenselbolder Tabakwaren Ditzel wird mittlerweile von der dritten Generation weitergeführt

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Die 91-jährige Inhaberin Margarete Ditzel kann sich noch an viele Geschichten aus den ersten Jahren des Tabakgeschäftes erinnern. Mittlerweile führt ihr Sohn Ulrich zusammen mit seiner Frau Joanna (links) das Geschäft.
Die 91-jährige Inhaberin Margarete Ditzel kann sich noch an viele Geschichten aus den ersten Jahren des Tabakgeschäftes erinnern. Mittlerweile führt ihr Sohn Ulrich zusammen mit seiner Frau Joanna (links) das Geschäft. © Ulrike Pongratz

Nur die Apotheke gibt es noch länger in Langenselbold. Dann folgt auf Platz zwei das kleine Ladengeschäft an der Seegasse mit der Hausnummer 6: Tabakwaren Ditzel, gegründet am 21. März 1921 als „Rauchwarenhandlung“ von Wilhelm Ditzel.

Langenselbold – Die 91-jährige Margarete Ditzel, Schwiegertochter des Gründers und Inhaberin des Familienbetriebs, kann sich an viele Geschichten und Einzelheiten aus den ersten Jahren erinnern. Die hellwache Seniorin steht heute allerdings nicht mehr hinter dem Ladentisch. Mit Joanna und Ulrich Ditzel führt die dritte Generation den kleinen Tabakwarenladen weiter.

30 Pfennige für eine Zigarre

Im Jahr 1921 startete Geschäftsgründer Wilhelm Ditzel (links mit Sohn Fritz, Jahrgang 1924) mit dem Verkauf von Zigarren und Tabak.
Im Jahr 1921 startete Geschäftsgründer Wilhelm Ditzel (links mit Sohn Fritz, Jahrgang 1924) mit dem Verkauf von Zigarren und Tabak. ©  Repro: Ulrike Pongratz

Den Grundstein legte Wilhelm Ditzel mit dem Verkauf von Zigarren und Kautabak. „Die Bauern kamen mit ihren Fuhrwerken in der Seegasse vorbei und haben sich für 30 Pfennige eine Zigarre oder Kautabak für den Tag mitgenommen. Das Lädchen ging gut“, sagt Margarete Ditzel. Ihr geschäftstüchtiger Schwiegervater in spe hat zudem die kleinen Tante-Emma-Läden mit seinen Waren beliefert. Mit dem Fahrrad hat er die Zigarren hingebracht und sich noch ein wenig unterhalten. „So gemütlich war das damals.“

Leihbücherei mit „Sittenromanen“ in Geschäft integriert

Mitte der 1930er-Jahre wurde der Laden erweitert. In einem zweiten Raum richtete der Firmengründer eine Leihbücherei ein. Etwa 5000 Bücher umfasste der Bestand an Frauenromanen, Western, Krimis und sogenannten „Sittenromanen“. „Diese damals als leicht schlüpfrig angesehenen Geschichten wurden schließlich verboten. Insgesamt wurde damals viel gelesen. Über 100 Kunden liehen sich für 20 Pfennig Bücher aus.“ Allerdings ließ die Zuverlässigkeit der Selbolder zu wünschen übrig. Oft holte Wilhelm Ditzel seine Bücher mit dem Fahrrad zurück, manchmal ohne Leihgebühr, froh, sie wieder in seinem Besitz zu haben.

Zigarren wurden im Umland hergestellt

Als immer weniger Kunden Bücher nachfragten und auch die kleinen Lebensmittelgeschäfte nach und nach aufgegeben wurden, wechselte Wilhelm Ditzel in den Großhandel. Er verkaufte seine Zigarren an Gaststätten und Hotels. Die Zigarren kamen bis in die 1960er-Jahre aus Freigericht, Somborn oder Neuenhaßlau, wo sie in Heimarbeit hergestellt wurden. Im Ladengeschäft spezialisierte sich Wilhelm Ditzel auf Zigarren, Pfeifentabak und auf Zubehör. Utensilien für Raucher wie Pfeifen, Pfeifentaschen, Feuerzeuge und Aschenbecher wurden auch gerne als Geschenk gekauft. „Und an Weihnachten haben wir vor allem die guten Zigarren aus Übersee verkauft“, erinnert sich die Seniorchefin.

Ehemann Fritz Ditzel hatte das Ladengeschäft von 1984 bis 2012 geführt, dann hatte Margarete Ditzel den Betrieb übernommen. Einmal stand sie sogar in der Bildzeitung. „Von mir bekommen sie keinen Cent“ titelte die „Bild“, als Margarete Ditzel öffentlich machte, dass man versuchte, sie mit üblen Tricks und Drohungen zur Zahlung für einen vermeintlichen Gewerbeeintrag zu bewegen. Bis heute, so sagt sie, kämen immer wieder Briefe. Inzwischen kümmern sich Schwiegertochter und Sohn um diese Angelegenheit und um das Ladengeschäft.

Kunden halten dem Geschäft die Treue

„Wir haben treue Stammkunden“, sagt Joanna Ditzel. „Sie kommen aus Wächtersbach, Bad Soden oder Freigericht nach Selbold, um hier Zigarren und Pfeifentabak zu kaufen. Wir bieten eine eigene Mischung für Pfeifentabak, die wir in Dänemark herstellen lassen“, lüften die Ladenbesitzer ein wenig das Geheimnis. Den besagten Tabak gibt es in verschiedenen Geschmacksnoten wie „Sherry“, „Vanilla“ oder „Orange“.

Zigaretten, Tabak für Wasserpfeifen oder E-Zigaretten gehen eher weniger. Das Hauptgeschäft liegt auf den Zigarren aus Übersee. Die einfache Zigarre gibt es ab 70 Cent pro Stück zu kaufen. „Wir haben immer eine schöne Auswahl im Klimaschrank. Zwischen drei und 20 Euro kosten die Zigarren bei uns. Auch exklusive Marken wie die kubanische Cohiba oder Montecristo führen wir im Sortiment.“

Kundenberatung in gemütlicher und entspannter Atmosphäre

Wie viele Einzelhändler verliert auch Familie Ditzel Kunden an den Online-Handel. Aber noch bereitet es Freude, „Tabakwaren Ditzel“ offen zu halten. „Es ist nicht anstrengend, sondern bei uns geht es gemütlich zu. Kunden kommen auch hierher, um sich ein wenig zu unterhalten. Und wir haben Zeit, zu beraten.“

Schön ist, dass sich die junge Generation wieder mehr für Pfeifen und Zigarren interessiert, finden die Ditzels. „Pfeifentabak riecht gut“, meint Margarete Ditzel, deren Ehemann Pfeife rauchte. Zigarren waren auch ihm nur auf der Terrasse erlaubt. „Am gesündesten ist es natürlich, gar nicht zu rauchen“, sagt die Seniorchefin. Darf sie das sagen? Sie darf das. (Von Ulrike Pongratz)

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