Streit im Stadtparlament um die Zukunft des Kinzigsees

Langenselbold. Wer macht was? Wer macht was nicht? Wer sollte was machen? Der Kinzigsee soll nicht den sprichwörtlichen Bach heruntergehen. Um den Sanierungsstau zu stoppen, gibt es einen Wettlauf der „Retter“ für eine Art Goldküste.
Von Torsten Kleinerüschkamp
Fakt ist: Es muss dringend etwas geschehen. Wie desolat der Zustand der Infrastruktur bewertet werden kann, daran scheiden sich freilich die Geister. Seit Langem gräbt eine interfraktionelle Arbeitsgruppe Ideen aus und leitet Wünschenswertes, natürlich nur realistische sowie bezahlbare Vorschläge an die Verwaltung weiter.
Spätestens, seit es den freilich gescheiterten Bürgerentscheid zur Privatisierung des defizitären Kinzigsees gegeben hat, ist der Druck im Kessel für alle Beteiligten gestiegen. Die Fraktionen und der Magistrat sind im Zugzwang, müssen sie doch beweisen, dass ein Objekt in kommunaler Regie besser gedeihen kann als in der Hand einer unbedingt auf Gewinn angewiesenen Firma.
Anfrage der Freien Wähler
Eine parlamentarische Anfrage der Freien Wähler (FW) an die Verwaltung sorgte bei den Initiatoren für Genugtuung, bei den Reagierenden eher für einen dicken Hals, weil die Fragen nach den Kunstgriffen der Rhetorik ausgetüftelt waren. Es ging auch um die kritische Nahtstelle zwischen privatem Campingplatz und öffentlichem Strandbad.
So mancher, der von Bürgermeister Jörg Muth (CDU) hörte, dass die Bewohner des Campingplatzes keinen Eintritt in das Strandbad zahlen müssen, für deren Gäste aber das Türchen tabu ist, um dort umsonst durchzuschlüpfen, könnte das mit Erstaunen quittiert haben, weil der Mensch erstens gewöhnlich als bequem gilt und stets seinen Vorteil sucht. Und im Hintergrund schwingt sicher auch die Mutmaßung mit, dass hier der Stadt Einnahmen entgehen.
Die Freien Wähler hatte interessiert, wie viele Menschen „dauerhaft“ auf dem Campingplatz wohnen. „Das können wir nicht beantworten“, sagte Muth. Weitere Antworten des Verwaltungschefs waren:
Einem gemeinsamen Antrag von Grünen und Freien Wählern lag der Wunsch zu Grunde, Angebote für die Sanierung der Umkleidekabinen und Sanitäranlagen sowie zum Pflanzen von mindestens 50 schattenspendenden Bäumen einzuholen.
Parallel haben CDU und SPD am Abend einen „konkurrierenden“ Antrag eingebracht, bei dem die Frage der Installation von Warmwasserduschen zusätzlich geklärt werden soll. Laut Roger Sievers' (CDU) Auffassung bewege sich der Antrag von Grünen und Freien Wählern sehr in der Richtung von „Effekthascherei“. Die Verwaltung sei schon tätig gewesen und habe Angebote eingeholt. Es seien bereits schon Grundstücke angekauft worden, um das Parkplatzangebot zu verbessern. Zur Gegenfinanzierung seien Parkautomaten installiert worden.
Es sei bereits ein Sonnensegel gekauft worden, dass in der kommenden Saison erstmals aufgespannt werde. „Es wurden auch schon Bäume gekauft. Im vergangenen Jahr wurden vier große Bäume gepflanzt worden. Für dieses Jahr ist die Anpflanzung von zehn Bäumen geplant“, sagte Sievers. Allerdings wären die geforderten 50 Bäume eine Art Erweiterung des Bocksgehörn. Und dann müsse man wieder „einen Kahlschlag machen“, weil es zu viel Schatten gebe. Sievers nannte es merkwürdig, dass Grüne und Freie Wähler zwei Punkte aus der Tätigkeit der Arbeitsgruppe herausgezogen hätten.
Jürgen Heim (FW) zweifelte die Ernsthaftigkeit und den Nachdruck von Großer Koalition und Verwaltung an, die geforderten Dinge umzusetzen. Er beklagte, dass die Methoden in der politischen Landschaft Langenselbolds hinlänglich bekannt seien, „unangenehme Anträge der Opposition abzuschmettern“.
Muth und das Fachamt sind laut Heim „für die Kostenexplosion der vergangenen Jahre und den derzeitigen Zustand des Strandbades verantwortlich“. Und jetzt solle gerade dieses Fachamt die Kosten kalkulieren und die Zukunft des Strandbades übernehmen. „Ich muss gestehen, da bleibt mir – umgangssprachlich ausgedrückt – die Spucke weg“, sagte Heim.
Ton "nicht angemessen"
Er warf Muth vor, die Personalsituation schleifen gelassen zu haben, nachdem sich die DLRG von den Wachdiensten verabschiedet habe. Der Bürgermeister habe immer wieder teure Zeitarbeitskräfte engagiert. „Sie haben unser Vertrauen verspielt“, warf er Muth vor.
Bernd Kaltschnee (SPD) erinnerte die Freien Wähler daran, dass „der Bürgerentscheid vorbei ist“. Die von Heim erhobenen Vorwürfe und der Ton „seien diesem Hause nicht angemessen“. „Wir haben bereits in den vergangenen Jahren gut in der AG zusammengearbeitet und haben einiges erreicht. Es muss aber noch mehr passieren“, so der SPD-Parteivorsitzende. Es herrsche Einigkeit darin, an einem Strang zu ziehen, das Strandbad attraktiver zu machen. „Ich verstehe den völlig deplatzierten Dissens nicht, der Verwaltung hier eine Abrechnung zu präsentieren“, beklagte Kaltschnee.
Antrag mit erforderlicher Mehrheit
Guntrun Hausmann (Grüne) warf Kaltschnee vor, gar nicht den desolaten Zustand der Sanitäranlagen zu kennen. „Herr Heim, wenn sie mein Bauamt als inkompetent hinstellen, dann kann ich böse werden,“ sagte Muth. „Hier über Männer und Frauen der Verwaltung herzuziehen, das verbitte ich mir auf das Äußerste“, so der Bürgermeister.
Der Antrag der Großen Koalition bekam die erforderliche Mehrheit, die heftig verteidigte Vorlage von Grünen und Freien Wählern jedoch nicht.