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„Lebendes Skelett“ im Stall entdeckt: Schwere Vorwürfe gegen zwei Landwirte

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Frisches Futter und genügend Wasser sind für Kühe wie diese lebensnotwendig. Ein aktueller Prozess zeigt jetzt, dass es im Main-Kinzig-Kreis auch zwei Landwirte gibt, die sich um ihre Tiere nicht kümmern. Symbolfoto: Andrea Euler:
Frisches Futter und genügend Wasser sind für Kühe wie diese lebensnotwendig. Ein aktueller Prozess zeigt jetzt, dass es im Main-Kinzig-Kreis auch zwei Landwirte gibt, die sich um ihre Tiere nicht kümmern. Symbolfoto: Andrea Euler: © -

Vor dem Gericht in Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis) müssen sich zwei Landwirte zu Vorwürfen der Tierquälerei verantworten. Die Anschuldigungen sind schockierend.

Gelnhausen - Selbst in den großen Ställen in der Region haben die Kühe meist Namen wie Charlotte, Elsa oder Rosalie. Und sie werden umsorgt. Das offenbar grausame Schicksal von zwei Kühen aus dem Ostkreis und den Vorwurf der Tierquälerei stehen derzeit im Mittelpunkt eines Prozesses vor dem Amtsgericht Gelnhausen.

Angeklagt sind ein 42-jähriger Landwirt und sein 66-jähriger Kollege, der inzwischen im Ruhestand ist. Es sind Kühe ohne Namen. Sie haben nur Nummern auf den  Ohrmarken, anonyme Nummern wie DE 06 662... Der Vorwurf, den die Staatsanwältin in der Anklage erhebt: Die beiden Kühe sind gequält worden und haben erhebliche Schmerzen erlitten. Ihnen seien länger anhaltende, erhebliche Qualen zugefügt worden.

Vorwurf der Tierqäularei im Main-Kinzig-Kreis: Kuh lebendig an Frontlader gebunden

Der fürchterlichste Vorwurf: Eine Kuh sei möglicherweise noch lebendig, an mehreren Beinen festgebunden, mit dem Frontlader eines Traktors nach oben gezogen und zum Stall transportiert worden. Die zweite Kuh sei im Stall derart angebunden worden, dass ihr „der Zugang zu ausreichend Wasser und frischem Futter verwehrt gewesen sei“, so die Staatsanwältin, die weitere schwere Vorwürfe erhebt: Neben der mangelnden Versorgung mit Futter und Wasser habe es zudem keine ausreichende tierärztliche Versorgung gegeben.

Der jüngere Beklagte erklärt dem Gericht unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Andreas Weiß, er habe im Frühjahr 2019 den Betrieb des älteren Angeklagten übernommen. Die Herde sollte komplett getauscht werden, die letzten Tiere sollten zum Schlachter.

Prozess in Gelnhausen: Angeklagter: „Tiere immer gut versorgt“

„Das waren keine 1A-Tiere“, behauptet er. Zuständig für die Versorgung der Tiere, die im Sinntal untergebracht waren, sei der ehemalige Besitzer gewesen, er selbst sei aber auch häufiger vor Ort gewesen. „Die Tiere waren immer gut versorgt“, verteidigt er sich gegen die Vorwürfe.

Gleiches sagt der ehemalige Landwirt, der zudem von einer Krankheit berichtet, die mehrere seiner Tiere befallen habe, weshalb diese angeblich in „sehr kurzer Zeit“ stark abgemagert seien. Und eine Kuh, so habe er am Telefon erfahren, habe schließlich auf der Weide auf dem Boden gelegen. Deshalb habe er sie mit dem Traktor samt Frontlader abgeholt. „Für mich war sie tot“, verteidigt sich der Rentner, dem Richter Weiß bereits im vergangenen Jahr ein Tierhalteverbot auferlegt hatte.

Amtstierärztin vor Gericht: Kühe waren abgemagert und verwurmt

Dass das Tierhalteverbot missachtet worden ist, bestätigt die Tochter des ehemaligen Landwirts, die als Zeugin aussagt. Zeitweise seien die Tiere sowohl auf sie selbst als auch auf ihre Mutter angemeldet gewesen – gekümmert habe sich jedoch stets der Vater oder später dann auch der Mitangeklagte. Aufgrund unterschiedlicher Auskünfte vor Ort konnte auch Amtstierärztin Dr. Sabine Hepp vom Veterinäramt des Main-Kinzig-Kreises die Geschehnisse um die transportierte Kuh seinerzeit nicht klären. Wer wann und von wem über die Kuh auf der Weide erfahren hat, dazu gibt es sowohl von den Angeklagten als auch von anderen Zeugen unterschiedliche Aussagen.

Was für Hepp allerdings aufgrund von Berichten der Gießener Pathologie und eigener Beobachtungen vor Ort feststeht: Das Tier wurde noch lebend verladen. Mit 168 Kilogramm habe es erhebliches Untergewicht gehabt, zudem wurden Entzündungen in Lungen, Pansen, sowie Dick- und Dünndarm diagnostiziert. Das Tier sei außerdem völlig verwurmt gewesen. „Das dauert Monate, bis sich ein Tier in einem solchen Zustand befindet“, sagt die Amtstierärztin.

Main-Kinzig-Kreis: Veterinär beschreibt Situation der Kühe

Zudem berichtet sie, dass sie ein „höchstgradig abgemagertes“ Tier im Stall vorgefunden habe. Es sei ein „lebendes Skelett“ gewesen, das keinerlei akzeptables Futter und viel zu wenig Wasser zur Verfügung gehabt habe. Auch vier weitere Tiere seien zu klein und zu schmal für ihr Alter gewesen. Ein weiterer Veterinär bestätigt diese Aussagen und berichtet über „Rundballen mit schwarzer Rückseite vor lauter Schimmel“. Und davon, dass der Hofbesitzer sich lange weder einsichtig noch gesprächsbereit gezeigt habe.

Auch der Mann, der das Verfahren mit seiner Anzeige ins Rollen gebracht hat, sagt auf Nachfragen von Richter Weiß: „An einem Tag hat die Kuh den Kopp geschmissen, am nächsten lag sie in der Böschung. (…) Wir haben selber Vieh. In einem guten Zustand war sie nicht, sagen wir´s mal so.“ Grund genug, ein Foto zu machen und noch am selben Tag das Kreisveterinäramt zu informieren.

Einer der Verteidiger schlägt dem Gericht die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldstrafe vor. „Beide Angeklagte wollten die Tiere nicht quälen“, führt er aus. Die Staatsanwältin stimmt einer Einstellung nicht zu. Da noch ein weiterer Zeuge gehört werden soll, wird der Prozess am Donnerstag, 28. Oktober, fortgesetzt. (Von Andrea Euler)

Im Sommer standen vor dem Amtsgericht in Gelnhausen drei Männer vor Gericht. Die Vorwürfe: Gemeinschaftlich versuchter Totschlag sowie erpresserischer Menschenraub.

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