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Bildungsgewerkschaft: „Unterricht ist erheblich anstrengender geworden“

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Die GEW zieht ein Resümee: Anja Saling, Herbert Graf, Barbara Watteroth-Mann, Jörg Engels und Heike Rickert-Fischer (von links) sind sich einig, dass vieles derzeit nicht rund läuft.
Die GEW zieht ein Resümee: Anja Saling, Herbert Graf, Barbara Watteroth-Mann, Jörg Engels und Heike Rickert-Fischer (von links) sind sich einig, dass vieles derzeit nicht rund läuft. © Andreas Ziegert

Das neue Schuljahr ist erst wenige Wochen alt, doch die Sorgen an den Schulen sind nicht kleiner geworden. Jetzt schlägt die GEW-Fraktion im Gesamtpersonalrat Lehrer am Staatlichen Schulamt für den Main-Kinzig-Kreis Alarm.

Main-Kinzig-Kreis - Vor allem der bürokratische Aufwand, die die aktuellen Bestimmungen mit sich brächten, treibt die Lehrer-Gewerkschaft um. So würden die regelmäßigen Corona-Tests der Schüler zwar einerseits die Sicherheit in den Klassen erhöhen, andererseits den Unterricht in der ersten Stunde an den Testtagen massiv beeinträchtigen.

In den Klasse dauere es bis zu 30 Minuten, bis alle getestet seien. „An Unterricht ist in dieser Zeit nicht zu denken“, erklärt Jörg Engels (Vorsitzender der GEW-Fraktion), der selbst Gymnasiallehrer an der Albert-Einstein-Schule in Maintal ist. „Gleichzeitig wird dieser Aufwand in den Lehrplänen nicht berücksichtigt. Das Pensum bleibt gleich.“

Testheft bedeutet Zusatzaufwand

Dazu komme das „Corona-Heft“, das alle Schüler führen müssten. Darin werden alle Tests festgehalten. Das Ergebnis müssen die Lehrer per Unterschrift bestätigen und in einer eigenen Liste vermerken. Ein zusätzlicher Zeitaufwand, der innerhalb der Unterrichtsstunde erledigt werden müsse. Besonders problematisch sei, dass das Heft auch außerhalb der Schule, etwa in Vereinen, als Negativnachweis gelte. „Bei 30 Schülern in der Klasse ist es unmöglich zu überprüfen, ob jeder den Test korrekt durchführt“, erklärt Engels. Zwar müssten die Lehrer bei fehlerhaften Tests keine Konsequenzen seitens des Kultusministeriums befürchten, trotzdem handele es sich um eine „fahrlässige Gefährdung der Gesellschaft“, wenn die Schüler das „Corona-Heft“ dann an anderer Stelle als Nachweis vorlegten.

Die vergangenen 18 Monate seien für Schüler und Lehrer eine sehr schwierige Zeit gewesen. Erst Distanz- dann Wechselunterricht, jetzt wieder alle zusammen in der Klasse. „Der Unterricht ist erheblich anstrengender und arbeitsintensiver geworden“, berichtet Anja Saling, Stellvertretende Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, die als Grundschullehrerin an der Adolf-Reichwein-Schule in Rodenbach unterrichtet.

Entlastung gibt es nicht

Eine Entlastung, etwa durch mehr Lehrer oder angepasste Lehrpläne, gebe es nicht. Zusätzlich gebe es Schüler, die nicht getestet werden könnten und deshalb noch im Heimunterricht seien. Hintergrund: Die Schüler dürften nur regelmäßig getestet am Präsenzunterricht teilnehmen. Bei manchen Schülern seien die Tests aus gesundheitlichen Gründen aber nicht möglich, bei anderen lehnten die Eltern die Tests generell ab.

Wenn Klausuren anstünden, kämen diese Schüler nach der regulären Unterrichtszeit in die Schule. Ein Mehraufwand, der dann den Lehrern aufgedrückt werde, ohne für mehr Fachkräfte zu sorgen. Im Ministerium gehe man überdies einfach davon aus, dass es zu keinem Lockdown mehr komme. „Das ist schon ein Stück weit nach dem Prinzip Hoffnung.“

An den Schulen finde derzeit eine „digitale Revolution in Hochgeschwindigkeit“ statt. Die Versorgung mit schnellem Internet sei im Kreis oft besser als in der Stadt Hanau. „In beiden Bereichen gibt es allerdings Schulen, die nicht flächendeckend, etwa in den Lehrerzimmern, ein gut funktionierendes W-LAN haben“, berichtet Herbert Graf, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats. Problematisch sei, dass die Lehrkräfte über keine eigenen dienstlichen Endgeräte verfügen würden. Zwar habe der Schulträger im Auftrag des Landes „Leihgeräte“ an die Lehrer verteilt. Diese müssten die Lehrer aber privat versichern, außerdem seien die Tablets nur für pädagogische Zwecke gedacht.

Schulen sind mit Ausstattung überfordert

Gleichzeitig sei aber seit dem 1. August 2021 die Nutzung einer gesicherten dienstlichen E-Mail-Adresse verpflichtend. Die würde auf den geliehenen Endgeräten aber nur funktionieren, wenn die Lehrer noch ein zweites Gerät, also ein eigenes Handy oder Tablet, zur nötigen „Zwei-Faktor-Authentifizierung“ nutzten. Das Sicherheitsproblem beträfe vor allem sensible Daten über Schüler, die auf diesem Weg ausgetauscht würden.

Die Schulen seien mit der neuen Ausstattung, so sie denn vorhanden sei, oft überfordert. Es fehle an Fachkräften. Diese Aufgaben sollten besser an externe Firmen gegeben werden, meint Graf: „Die Lehrer müssen sich mit technischen Problemen herumschlagen, statt pädagogisch zu arbeiten. Gleichzeitig mangelt es überall an Lehrkräften. Da stimmt doch etwas hinten und vorne nicht.“

Beim Thema stationäre Luftfilter in den Klassenräumen zeige sich, was für „ein Flickenteppich“ die Schullandschaft sei: Der Main-Kinzig-Kreis wolle die Klassenräume der Jahrgangsstufen 1 bis 6 Anlagen ausstatten. Hanau dagegen möchte vorrangig besonders schwer zu lüftende Räume mit den Geräten bestücken. Dies setze eine umfangreiche Erhebung voraus, weshalb die Stadt Hanau „noch nicht so weit wie der Kreis“ sei.

Am Lüften kommen die Klassen nicht vorbei

Die Bundesregierung habe für die Anschaffung der Geräte 200 Millionen Euro versprochen, allerdings würden diese Mittel nicht abgerufen. Bis jetzt habe noch niemand der Kollegen einen der Luftfilter gesehen, so Graf.

Schülern und Lehrern würden wohl wieder kalte Monate bevorstehen, denn am Thema Lüften kämen die Klassen weiterhin nicht vorbei. „Wir haben Grundschulen, die stammen aus den 60er und 70er Jahren“, so Graf. „Da gibt es oft nur zwei Steckdosen im Klassenzimmer. Wird das Stromnetz es aushalten, wenn in jedem Klassenraum ein Luftfilter läuft?“ (Von Andreas Ziegert)

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