Die Nachricht wurde mit großer Trauer und Bestürzung aufgenommen. Der Main-Kinzig-Kreis verliere „eine herausragende Persönlichkeit, die durch ihre klare Haltung, ihren Mut und ihre Leidenschaft fürs Politikmachen weit über unsere Kreisgrenzen geschätzt wurde“, erklärt Landrat Thorsten Stolz im Namen des Kreises. Pipa sei stets „ein unermüdlicher Streiter für soziale Gerechtigkeit und einen modernen, zukunftsfähigen Landkreis“ gewesen.
Von 2005 bis zu seinem Ausscheiden im Juni 2017 amtierte der Sozialdemokrat Pipa zwölf Jahre lang als Main-Kinzig-Landrat. Bereits während seiner vorherigen, fast 20-jährigen Amtszeit als hauptamtlicher Kreisbeigeordneter und Sozialdezernent hatte er sich weithin einen Namen gemacht.
Pipa, gebürtig in Fulda, absolvierte zunächst eine Verwaltungsausbildung bei der Stadt Hanau. Von 1972 bis 1975 war er Referent des damaligen Hanauer Landrats Martin Woythal, dann Geschäftsführer der SPD-Kreistagsfraktion. 1987 wurde er Erster Kreisbeigeordneter der neuen SPD/Grünen-Koalition. 2005 gewann er die Stichwahl gegen Heiko Kasseckert (CDU) und wurde als Landrat Nachfolger von Karl Eyerkaufer.
Mehrfach stand Pipa in seiner politischen Karriere für neue und ungewöhnliche Wege. So auch in der Sozialpolitik. Ende der 1990er Jahre richtete er „Modellteams“ im Main-Kinzig-Kreis ein, in denen Sozialamt, Arbeitsamt, Jugendamt und Wohngeldstelle Hand in Hand bei der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen ins Berufsleben arbeiten. Damit wurde Pipa bundesweit bekannt im Zuge der Einführung der Hartz-Gesetze.
Er setzte sich vehement dafür ein, dass die verantwortliche Betreuung von Langzeitarbeitslosen bei Städten und Kreisen bleiben kann und kritisierte die mit der Einführung der Hartz-Gesetze verbundene Bürokratie. Mit dem sogenannten Optionsmodell, zu dessen Durchsetzung Pipa maßgeblich beitrug, war der Main-Kinzig-Kreis der erste Landkreis in Deutschland, der alleinverantwortlich für Betreuung und Vermittlung von Arbeitslosengeld II-Bezieher zuständig war.
Er habe stets für die Kommunalpolitik gebrannt, sagen nicht nur Weggefährten über Erich Pipa, dessen Name auch mit anderen Projekten eng verbunden ist wie mit dem flächendeckenden Ausbau des Main-Kinzig-Kreises mit schnellem Breitband-Internet, der Stärkung der kommunalen Main-Kinzig-Kliniken oder der Konsolidierung der Kreisfinanzen.
Auch der Ausbau der Altenpflege in kommunaler Hand ist ein wesentliches Verdienst von Pipa. So hatte er noch als Kreis-Sozialdezernent entscheidenden Anteil daran, dass das Hanauer Wohnstift, Hanaus größtes Seniorenheim, vor dem Ruin bewahrt und wieder kommunalisiert wurde. Ein Projekt, das unter anderem Hanaus Oberbürgermeister Kaminsky Erich Pipa stets hoch anrechnete.
2016 trat Pipa nach 51 Berufsjahren nicht mehr zur Landratswahl an. Dabei spielten auch Schmähbriefe und Morddrohungen eine Rolle, die er wegen seines Engagements für Flüchtlinge bekommen hatte. Auch im Ruhestand erhielt er weiterer solcher anonymer Briefe. Der oder die Absender, die offenbar aus der rechtsextremen Szene stammen, konnten nie ermittelt werden. Pipa zeigte sich darüber sehr enttäuscht. Er kritisierte, dass Politiker nicht ausreichend vom Staat geschützt würden.
Pipa ist Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande und der Willy-Brandt Medaille – die jeweils höchsten Auszeichnungen, die die Bundesrepublik und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands vergeben.
Der Main-Kinzig-Kreis verliere mit Pipa jemanden, der durch sein „politisches Werk und Tun den Main-Kinzig-Kreis ganz entscheidend vorangebracht“ habe, so Landrat Stolz in einem Nachruf des Kreises, in dem auch Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler und Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann, der Kreistagsvorsitzende Carsten Ullrich sowie Landrat a.D. Karl Eyerkaufer ihre Trauer zum Ausdruck bringen und den Verstorbenen würdigen. Man werde Erich Pipa als Politiker und auch als Ansprechpartner abseits des politischen Geschäfts ehrenvoll in Erinnerung behalten.
Pipa habe stets eine bemerkenswerte Weitsicht bei Zukunftsthemen bewiesen, unterstreicht Thorsten Stolz. „Er hatte auch viel früher die Antworten, für die er sich dann gerne als Erster in den Wind gestellt und mit Freude an der offen ausgetragenen Kontroverse gekämpft hat. Übrigens meistens mit dem verdienten Erfolg.“
Pipa sei es immer darum gegangen, „über politische Projekte nicht nur zu theoretisieren, sondern ins Machen zu kommen“, sagt die Erste Kreisbeigeordnete Simmler. Und der Kreistagsvorsitzende Ullrich hebt hervor, mit wie viel Leidenschaft Pipa im Kreistag klare Kante gezeigt habe, ob bei sozialpolitischen Themen, bei gesellschaftspolitischen Themen, bei Digitalisierungsprojekten oder bei der Frage der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen 2015. „Das wird bleiben, so Carsten Ullrich. „Die hohe Anerkennung für Erich Pipa ist eine parteiübergreifende.“ (Christian Spindler)
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