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Gabriele Stenger will Landrätin werden – wenn nicht, geht die Welt nicht unter

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Von: Holger Weber-Stoppacher

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Hat Freude am Wahlkampf: Gabriele Stenger genießt Auftritte wie den am Montag beim Neujahrsempfang der CDU Nidderau.
Hat Freude am Wahlkampf: Gabriele Stenger genießt Auftritte wie den am Montag beim Neujahrsempfang der CDU Nidderau. © Detlef Sundermann

Hessischer Hof, Heldenbergen. Es ist 16 Uhr. Im Saal sitzen schon die ersten Gäste. Der Neujahrsempfang der Nidderauer CDU soll in einer Stunde beginnen. Das Restaurant ist um diese Uhrzeit noch geschlossen. Da bleibt nur das Treppenhaus für das verabredete Gespräch mit dem Reporter. Die Kandidatin zeigt sich flexibel, schiebt kurzerhand zwei Stühle so an die Wand, dass die Leute sich beim Gang zur Toilette noch vorbeidrücken können. „Geht doch“, sagt sie und lächelt. „Man muss halt immer das Beste daraus machen.“ Das sei im Übrigen auch ein Motto, das für sie in allen Lebenslagen gelte.

Main-Kinzig-Kreis/Nidderau – Im Rahmen des Formats „Gabriele trifft“ hat sich heute hoher Besuch angesagt: Volker Bouffier, hessischer Ministerpräsident a. D., ist aus Gießen gekommen. „Wieder ein Highlight“, sagt Stenger freudestrahlend. Eine Woche zuvor wurde sie beim Neujahrsempfang des Ortsverbands Rodenbach von Wolfgang Bosbach begleitet. Wie Bouffier ein prominenter und bundesweit bekannter Politrentner. „Bei solchen Terminen ist schon eine große Portion Ehrfurcht dabei“, sagt sie. Sie weiß durchaus, sich und ihre Position bei derlei Anlässen realistisch einzuordnen. Sie sei eben eine Quereinsteigerin in die Politik. Und deswegen macht es ihr auch nichts aus, wenn sie im Schatten der wortgewandten Routiniers ihr Wahlprogramm vom Blatt abliest.

Vor einem halben Jahr hätte sich Gabriele Stenger wohl noch nicht träumen lassen, dass derlei Granden ihrer Partei einmal in den Main-Kinzig-Kreis kommen, um sie bei der Wahl für das Landratsamt zu unterstützen. Die 46-Jährige ist erst 2018 in die CDU eingetreten, sie ist Mitglied im Ortsbeirat Steinheim und seit März 2021 Stadtverordnete in Hanau. Im Gegensatz zu Amtsinhaber Thorsten Stolz, dem Verwaltungsmann, ist sie eine Frau aus der Wirtschaft. Ein Profil, auf das die CDU bewusst gesetzt hat.

Stenger ist in Maintal aufgewachsen, hat ihr Abitur an der Hohen Landesschule absolviert, danach Volkswirtschaftslehre, Jura und Geschichte studiert. Nach dem Steuerberaterexamen ist sie 2009 als Mitgesellschafterin in die Kanzlei ihrer Eltern in Wachenbuchen eingestiegen. Ihr Opa war schon Steuerberater, ihre Mutter ist es. Und da habe es für sie nahe gelegen, den gleichen Beruf zu ergreifen, dem sie mit Freude nachgehe. Sie lebt mit ihrer Familie in Steinheim. Ihr Mann und ihr Schwiegervater führen die Geschäfte bei der Flexa, einem mittelständischen Unternehmen. Gabriele Stenger hat drei Kinder im Alter von elf, neun und drei Jahren.

Teilte sich das Podium mit Prominenz: Gabriele Stenger am Montag im Saal des Hessischen Hofs in Heldenbergen zwischen Max Schad (im Vordergrund) und Volker Bouffier.
Teilte sich das Podium mit Prominenz: Gabriele Stenger am Montag im Saal des Hessischen Hofs in Heldenbergen zwischen Max Schad (im Vordergrund) und Volker Bouffier. © Detlef Sundermann

Wahlkampf, Job und Familie unter einen Hut zu bringen, sei in den zurückliegenden Wochen nicht immer ganz einfach gewesen, sagt sie. Da kam es ihr gelegen, dass der Wahlkampf wegen der Weihnachtspause nur kurz, dafür aber angesichts der hohen Dichte von Veranstaltungen auch sehr intensiv war. Zu danken habe sie ihrer Familie und der Babysitterin, die alles möglich gemacht hätten, um sie zu unterstützen und ihr den Rücken freizuhalten. Das habe sich zu Hause alles wunderbar eingespielt, sagt sie. Wie sie ihren Alltag organisieren würde, wenn sie am kommenden Sonntag tatsächlich zur Landrätin gewählt wird? Darüber habe sie sich jetzt noch keine Gedanken gemacht. Aber dafür bliebe ihr bis zur Übernahme der Amtsgeschäfte ja auch noch Zeit, sagt sie.

Glaubt sie an den Sieg? Natürlich muss sie diese Frage mit Ja beantworten. Ob sie es wirklich tut, weiß man nicht. Man glaubt ihr, wenn sie sagt, dass sie bisher jede Minute genossen hat, seit sie Ende September beim Nominierungsparteitag der CDU Main-Kinzig zur Kandidatin gekürt wurde – mit 98 Prozent Zustimmung.

Das Wahlergebnis drückte eine große Geschlossenheit der Partei aus, die Gabriele Stenger auch im Wahlkampf gespürt hat. „Es ist unglaublich, wie ich innerhalb der Partei unterstützt worden bin“, sagt sie. Vom Kreisvorsitzenden Max Schad, den Landtagsabgeordneten Heiko Kasseckert und Michael Reul. Auch von der Bundestagsabgeordneten Katja Leikert habe sie für den Wahlkampf wertvolle Tipps erhalten.

Gabriele Stenger hat große Unterstützung von der CDU erfahren

Und auch an der Basis, in den vielen Orts- und Stadtverbänden, habe man alles getan, damit ihr Bekanntheitsgrad im Kreis schnell zunimmt. Nicht zuletzt habe sie ein engagiertes und tolles Wahlkampfteam gehabt.

Das war nicht immer so in der CDU Main-Kinzig. Man erinnert sich an den vergangenen Landratswahlkampf, als die damalige Kandidatin Srita Heide den Eindruck vermittelte, als kämpfe sie mutterseelenallein auf weiter Flur.

Dass es ein Wahlkampf war, in dem nicht wirklich auf breiter Front Konflikte und Diskrepanzen ausgefochten wurden, ist auch der Tatsache geschuldet, dass CDU und SPD im Kreis eine Große Koalition bilden. Aber es liegt wohl auch am Naturell der beiden Kandidaten.

„Ich glaube, wir sind beide zwei sehr höfliche Menschen, denen es auf gute Umgangsformen ankommt“, findet Stenger. Die Frage, ob der Kreis zur Lösung des Wohnraumproblems eine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft braucht, schien einer der wenigen Punkte zu sein, über den die beiden Kandidaten wirklich streiten wollten.

Auch in Nidderau wird Gabriele Stengers Ton bei diesem Thema kurz energisch. Fast wirkt es so, als habe man es bewusst inszeniert.

Gabriele Stenger und der Klimaschutz: „Umwelt können wir auch.“

Am stärksten ist die Kandidatin jedoch nicht, wenn sie ihr Wahlprogramm herunterbetet. Eloquenz und inhaltliches Wissen demonstriert sie in der Fragerunde, in der sie frei redet. Ob bei der zunehmenden Digitalisierung – die auch Stenger vorantreiben möchte – irgendwann nur noch alles über den Computer laufe, will ein älterer Besucher wissen. „Nein“, beruhigt sie ihn: „Man muss das eine tun, darf aber das andere nicht lassen.“

Und auch die Frage, ob denn unter ihr der Umweltschutz im Kreis mehr Beachtung finde, pariert sie mit Tiefe. Die Schöpfung zu bewahren, sei eines der Grundanliegen der CDU. „Umwelt können wir auch“, sagt Stenger und erntet dafür ein anerkennendes Nicken von Bouffier.

Er habe selbst in seinem Leben etwa 60 Wahlkämpfe mitgemacht, kann sich der ehemalige Landesvater gut in die Position der Herausfordererin hineinversetzen. Egal, wie es am kommenden Sonntag ausgehe, sagt er: „Gabriele Stenger hat jetzt schon den Dank aller Wähler verdient.“ Denn allein mit ihrer Kandidatur habe sie der Demokratie einen unschätzbaren Dienst erwiesen.

Von Holger Weber-stoppacher

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