Tierheime aus der Region gewähren Einblicke und warnen vor illegalem Welpenhandel

Keine Konzerte, Feste oder Urlaube: Die meisten Freizeitangebote entfallen wegen Corona, Menschen sind gezwungen, ihre sozialen Kontakte einzuschränken. Gegen Einsamkeit und zum Zeitvertreib sind viele daher auf der Suche nach tierischen Familienmitgliedern, die nach Herzenslaune geschmust, gestreichelt und beschäftigt werden können.
Region Hanau –Seit dem ersten Lockdown im März zeichnete sich diese Tendenz auch bei den Tierheimen in Gelnhausen und Hanau ab, und sie hält an.
Doch die Tierschützer warnen vor unüberlegten Anschaffungen. „Wir haben Anfragen ohne Ende und werden regelrecht überrannt“, sagt Marion Dragoman, die Leiterin des Hanauer Tierheims. Auch Anfragen, ob man denn Hund oder Katze nicht für die Zeit des Lockdowns mal ausleihen könnte, häuften sich. „Für die Zeit danach haben die Interessenten aber meist keinen Plan B. Man kann ein Tier nicht wie einen Gegenstand ausleihen“, warnt sie.
Auch das Tierheim Gelnhausen verzeichnet durch die gestiegene Nachfrage Vermittlungserfolge: „Wir haben auch schwierige Tiere an tolle Menschen vermittelt“, sagt Tierheimleiterin Corina Wink. Bei aller Freude überwiege allerdings eine Sorge: Dass sich viele Menschen Tiere anschaffen, ohne an die Zeit nach dem Lockdown zu denken, wenn Homeoffice bei vielen nicht mehr auf der Tagesordnung steht.
Befürchtung: Abgelehnte Interessenten gehen ins Internet

„Normale“ – das heißt umgängliche, gesunde und jüngere Hunde – blieben momentan nicht lange im Tierheim. Die Nachfrage sei hier so hoch, dass die Tierschützer sehr stark aussieben müssten, wo die Tiere am besten aufgehoben sind. Viele Anfragen seien zu kurz gedacht. „Wenn im zweiten oder dritten Gespräch rauskommt, dass ein Arbeitgeber in der Zeit nach dem Homeoffice doch nicht einverstanden damit ist, dass ein Hund mit zur Arbeit gebracht wird, bitten wir die Interessenten zu überlegen, ob es wirklich eine gute Idee ist, sich jetzt einen Hund anzuschaffen“, sagt Corina Wink Bevor Hund, Katze oder Kaninchen dann erfolgreich vermittelt werden können, schauen sich die Tierschützer auch an, wo der Vierbeiner künftig leben soll, beraten ausführlich, bevor ein Tier vermittelt wird.
Sowohl Dragoman als auch Wink befürchten, dass viele Interessenten bei Ablehnung oder im Vorfeld oft einen anderen – vermeintlich unkomplizierteren – Weg gehen: Und zwar über das Internet. Dabei sei allerdings äußerste Vorsicht geboten: „Seriöse Züchter lassen sich von den schwarzen Schafen kaum noch unterscheiden“, warnt Wink.
Vorsicht bei „Kofferraumwelpen“
Auch welche Hunderasse von Wesen und Anspruch her zu den Interessenten passt, werde oft zu blauäugig eingeschätzt oder falsch beraten. „Im Netz werden Designerhunde angeboten. Das sind Kreuzungen, bei denen es sich nicht um anerkannte Hunderassen handelt, die aber unter einem netten Namen als die perfekten Familienhunde verkauft werden.“ Die Zucht erfolge in der Regel illegal, ohne die Erlaubnis des zuständigen Veterinäramts. Dennoch würden die Hunde für über 1000 Euro angeboten. „Die Welpenpreise boomen“, sagt Wink. Mit illegalem Tierhandel gehe allerdings sehr viel Leid einher, da unklar ist, unter welchen Bedingungen die Hunde gehalten werden.
Hellhörig werden sollten Interessenten laut Dragoman daher bei sogenannten „Kofferraumwelpen“, die in Transportern von Osteuropa aus illegal über die Grenze gebracht und auf dem Schwarzmarkt angeboten werden. „Die Tiere kommen dann oft zu uns, weil sie krank sind. Die Welpen werden ihrer Mutter viel zu früh weggenommen, sie werden weder geimpft noch entwurmt“, so die Hanauer Tierheimleiterin. Das ziehe meist Behandlungskosten und Verhaltensauffälligkeiten des Tieres nach sich, die zu einer Belastung werden könnten. „Im besten Fall landen die Tiere direkt wieder im Tierheim, manchmal durchlaufen sie drei, vier Haushalte bis sie wieder bei uns landen“, warnt Wink, die seit fast 30 Jahren im Tierheim Gelnhausen arbeitet und sich auf das Training von Hunden spezialisiert hat. „Die Seele der Hunde ist richtig durcheinandergeschüttelt. Sie wissen nicht mehr, was richtig ist und falsch. Dann wird es schwierig das wieder gerade zu rücken.“
Leere im Katzenhaus des Tierheims

Mittlerweile stünden in beiden Tierheimen zahlreiche Zwinger leer. „Vor zwei Jahren hatten wir 60 Katzen, jetzt zehn“, sagt Dragoman. „Da haben wir schon Angst, dass das jetzt die Ruhe vor dem Sturm ist und wir nach Corona an unsere Grenzen geraten, da viele Tiere wieder abgegeben werden.“ Auch die Hundezwinger seien nur zur Hälfte belegt.
Auf der Internetseite des Tierheims ist bereits seit Tagen zu lesen, dass zurzeit nur noch „schwere Kaliber“ beherbergt werden. Im Tierheim Gelnhausen, wo in Spitzenzeiten 35 Katzen leben, ist derzeit nur eine einzige untergebracht. Das Katzenhaus steht leer.
„Seit Corona angefangen hat, mussten wir auch den Auslandstierschutz runterfahren, weil die Vereinigungen, mit denen wir zusammenarbeiten, nicht mehr über die Grenzen gekommen sind oder häufig in Quarantäne müssen“, sagt Wink. Ein mögliches Infektionsrisiko für ihr Team wolle sie von vornherein ausschließen. Denn auch die Gefahr, dass ein Teil des Teams coronabedingt ausfalle, bestünde. „Wenn wir dann wie üblich 80 bis 100 Hunde aufnehmen“, könnte ein kleinerer Mitarbeiterstab die Tiere nicht mehr richtig versorgen. Abgabe- und Fundtiere nehmen wir aber in jedem Fall auf.“ Zurzeit würden jedoch kaum Tiere abgegeben.
Keine finanziellen Einbußen
Die Corona-Krise habe aber auch etwas Positives: Die Hilfsbereitschaft der Leute ist groß, versichern Wink und Dragoman. Noch nie hätten sich so viele Menschen zum Gassigehen oder Saubermachen gemeldet. „Wir können die Angebote wegen der Infektionsgefahr leider nicht annehmen, aber freuen uns natürlich, dass momentan viele Menschen an uns denken“, so Wink.

Obwohl durch ausgefallene Feste Möglichkeiten zum Spendensammeln bis auf Weiteres fehlen, verzeichneten weder die Tierheime noch das Tierrefugium Hanau finanzielle Einbußen. Denn private Zuwendungen in Form von Geld- oder Sachspenden hätten dies weitestgehend ausgeglichen.
Das Tierrefugium Hanau sei jedoch gegen Ende des vergangenen Jahres oft um Hilfe gebeten worden: Wegen finanziellen Engpässen, Kurzarbeit, Kündigung, oder Obdachlosigkeit könnten einige Menschen sich das Futter für ihre Tiere nicht mehr leisten. Daher geben sie Spenden, die sie erhalten haben, an Bedürftige weiter. „In Hanau und Umgebung soll kein Tier verhungern“, sagt Tierrefugiumsleiter John Kraft. Bei ihm können die Spenden unter 06181 9199089 oder per E-Mail an info@tierrefugium.de abgegeben oder angefragt werden. (Von Jasmin Jakob)
