Aktion „Offenes Atelier“ ermöglicht kreative Einblicke

Maintal. Am Wochenende wurde es künstlerisch in den Stadtteilen von Maintals Wohnungen und Gärten. Künstler aus der Region ließen ihre Türen offen für Kunstinteressierte und diejenigen, die einfach eine schöne Fahrradtour machen wollten.
Von Nicole Grziwa
Die Schlesische Straße ist eine ganz normale Straße in Bischofsheim. Doch lief man am Wochenende an der Hausnummer 32 vorbei, bemerkte man, dass dort etwas anders ist, als bei den anderen Häusern.Aus einem der Fenster im ersten Stock hing ein bemaltes Tuch herab, das im Wind tänzelnd hin und her schwang. Die Hoftür war offen und an der Garagenwand hingen bemalte Leinwände. Auch am Zaun, der an die Garage anschloss, entdeckte man Bilderrahmen, die Papierkollagen beherbergten.
Herzlich hießen Bettina Goetz, die Gründerin der Veranstaltung „Offenes Atelier“, und Eva-Maria Utsch, ihre Gastausstellerin, die Besucher willkommen. Sie gaben eine Führung im Garten und in der leerstehenden Wohnung, die an die Terrasse anschloss.
Kunst wohin man schautIn jeder Ecke und an jedem Stück Mauer fand man Kunstwerke, auch von Bettina Goetz' Mutter, die die Veranstaltung mit ihrer Tochter ins Leben gerufen hat. „Wenn man dieses 60er-Jahre-Haus von außen sieht, dann ist man ganz überrascht, wenn man in den Garten kommt. Ich bin selbst davon begeistert“, erzählte Goetz.
Tatsächlich ist der Garten eine Oase. Nicht nur die Kunst konnte man hier genießen, sondern auch Platz nehmen auf den Stühlen oder den Liegen und in der Sonne die Seele baumeln lassen. „Wenn man uns besucht, muss man nicht zwangsläufig über Kunst reden. Man kann es sich auch einfach gemütlich machen“, erklärt die Gastausstellerin Utsch. Sie macht vor allem figurative Kunst.
Begeisterte BesucherBettina Goetz bemalt Leinwände gerne mit Motiven der Natur oder stellt Papierkollagen her, vor allem macht sie Serien. Ihre Mutter, die 2016 verstorben ist, stellte Drahtskulpturen her, die man im Garten bewundern konnte. Auch in der leerstehenden Wohnung konnte man bemalte Leinwände von ihr bestaunen. „Uns geht es bei der Kunst nicht ums Verkaufen. Wir wollen eine Sprache finden und wir wollen darüber eine Begegnung mit den Menschen haben“, so Utsch, die mit Goetz und einer weiteren Kollegin häufig zusammen arbeitet. Auch die Besucher sind begeistert: „Wir sind erst hierher gezogen und wollten herausfinden, was so in der Nachbarschaft los ist. Außerdem mögen meine Familie und ich Kunst“, so eine Besucherin. Obwohl man sich nur schwer von der kleinen Oase losreißen konnte, gab es noch viele weitere Ausstellungen zu sehen.
Über 20 Künstler öffneten die Tür zu ihrer Kunst, wie zum Beispiel das Ehepaar Barbara und Ludwig Weiler. Ein paar Straßen von Bettina Goetz entfernt steht das Mehrfamilienhaus, in dem das Ehepaar wohnt. Hinter dem Haus auf einer großen Wiese fand ihre Ausstellung statt.
Tee für die GästeUnter den Wäscheleinen hat das Ehepaar einen kleinen Tisch und ein paar Stühle aufgestellt, wo sich auch die Besucher bei einer Tasse schwarzem Tee ausruhen konnten. „So kann man den offenen Raum genießen“, sagte Ludwig Weiler. Er findet die Idee des offenen Ateliers toll, so könne man entdecken, was es für eine Vielfalt in Maintal gibt. Er stellte kleine Steinskulpturen aus und seine Frau Gemälde mit Acryl gemalt.
Auch die Kunstwerke von Mathias Göttlinger und Torsten Richter fanden ihren Platz auf der Wiese der Weilers. „Ich musste mir die Ausstellungen von Maintals Künstler erst einmal zwei Jahre ansehen, bevor ich mich getraut habe, selbst auszustellen“, so Richter. Ihn überredete Barbara Weiler. Sie machte ihm klar, dass man keine Angst davor haben muss, sich der Öffentlichkeit zu zeigen. „Es gibt kein richtig oder falsch bei der Kunst. Entweder gefällt es den Menschen, oder nicht“, so Barbara Weiler.
Auch andere Künstler werden begutachtetDas Ehepaar schaut sich jedes Jahr auch gerne die Kunst der anderen Aussteller an. Dadurch, dass sie in diesem Jahr zu viert ausstellen, konnten sie selbst den anderen Künstlern einen Besuch abstatten.
Ein Künstler, den sie unbedingt sehen wollten, war Ozan Sengöz. Er lebt mit seiner Familie in Dörnigheim. Seine aufgestellten Kohle- und Bleistiftzeichnungen und drei Zeichnungen seines Sohnes waren kaum zu übersehen, da er sie direkt im Hof an der vielbefahrenen Kennedystraße ausstellte. „Ich finde es cool, dass mein Papa sowas macht“, sagte seine Tochter Emily.
Zeichnungen vom Bildschirm auf´s PapierIndirekt hat es auch etwas mit ihr zu tun, dass er vor zwei Jahren angefangen hat zu zeichnen. Er kaufte seinen Kindern ein Malspiel für eine Spielekonsole, das er in einer schlaflosen Nacht selbst ausprobierte. Mittlerweile sind seine Zeichnungen auf Papier und nicht auf einem Bildschirm zu sehen.
„Manchmal verfalle ich richtig in Trance, wenn ich zeichne“, so Sengöz. Auch die Betrachter seiner Zeichnungen verfallen gerne mal in einen Trance-Zustand, da sie seine Bilder genau ansehen, um die Bleistiftstriche zu erkennen. Doch das ist schwer, da seine Werke aussehen, als wären sie Fotografien. Es sind vor allem alltägliche Gegenstände, die er zeichnet, wie einen Stiefel oder sein Lieblingsbild: ein Fahrradlenker mit Fokus auf das Fahrradlicht. „Das Tolle an der Kunst ist, dass sie in jedem Betrachter etwas anderes auslöst“, so Sengöz.
Wer noch nicht genug von der Kunst aus Maintal hat, muss nicht lange warten, denn am Ende des Jahres kann man den Maintaler Kunstkalender erwerben. Viele Künstler des „Offenen Ateliers“ sind dafür fleißig am Malen.