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Alte Bäume für Neubaugebiet gefällt: Anwohner ärgern sich über Kahlschlag

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Von: Kristina Bräutigam

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Dem Erdboden gleichgemacht: Entlang des Zaunes standen bis zum 30. September 18 riesige, knapp 40 Jahre alte Ahornbäume. Am 30. September wurden sie gefällt.
Dem Erdboden gleichgemacht: Entlang des Zaunes standen bis zum 30. September 18 riesige, knapp 40 Jahre alte Ahornbäume. Am 30. September wurden sie gefällt. © -

„Wir lieben Bäume. Sie auch?“ Mit diesem Slogan warb die Stadt Maintal im September für die Aktion „Mehr Räume für Bäume“. Durch den günstigen Kaufpreis von 29 Euro sollten die Bürger animiert werden, Bäume zu pflanzen. „Setzen Sie mit einem Baum ein Symbol für einen besonderen Anlass in Ihrem Leben oder einfach nur ein Zeichen für den Natur- und Klimaschutz“, heißt es dazu auf der städtischen Website.

Maintal – Norbert Schumacher kann über diese Sätze nur lachen. „Wenn man die Zeitung liest, könnte man ja meinen, die Stadt Maintal setzt sich stark für die Umwelt ein. Wie es in Wahrheit abläuft, kann man dann hier an der Eichenheege sehen“, sagt der 79-Jährige und zeigt auf das Grundstück hinter dem Maschendrahtzaun.

Hier, auf dem ehemaligen Vereinsgelände des FC Germania Dörnigheim, entsteht das neue Wohnquartier Eichenheege (unsere Zeitung berichtete). Insgesamt 145 neue Wohneinheiten sind auf dem rund 2,8 Hektar großen Areal geplant, dazu gehören neben Mehrfamilien- und Reihenhäusern auch Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften. Mit dem Gedanken, künftig unweit eines Neubaugebiets zu wohnen, haben Norbert Schumacher und seine Frau Doris kein Problem. Wohl aber damit, dass für die Baumaßnahme eine ganze Reihe riesiger Ahornbäume gefällt wurden.

„Das waren prachtvolle, kerngesunde Bäume, die in mehr als 35 Jahren gewachsen sind. Es gab keinen Grund, sie zu entfernen“, schimpft Norbert Schumacher, der mit seiner Frau seit 1965 in dem Hochhaus in der Daimlerstraße 6 wohnt. Am Samstag, 30. September, um 7 Uhr hätten die Baumfällarbeiten begonnen. Bis in die Dunkelheit hinein hätten die Arbeiter den Samstag durchgeackert. „Eine richtige Nacht- und-Nebel-Aktion, damit sich ja keiner aufregen kann“, sagt Nachbar Hubertus Becker. „Eine Umweltsauerei sondergleichen ist das.“

Das Foto eines Facebook-Nutzers zeigt, wo die Bäume einst standen.
Das Foto eines Facebook-Nutzers zeigt, wo die Bäume einst standen. © -

Auch in der Facebook-Gruppe „Maintal United“ sorgt die Baumfällung tagelang für Diskussionen. „Die Planer sollten sich in Grund und Boden schämen“, schreibt ein Nutzer. „Überall wird um die Bäume getrauert, die beispielsweise die Wasserknappheit nicht überleben, und hier werden massenhaft gesunde Bäume dem Kommerz geopfert“, heißt es in einem anderen Kommentar.

Nicht nur um die 18 Bäume tut es den Anwohnern leid. Auch jede Menge Vögel und Eichhörnchen haben ihr Zuhause verloren. „Die sind hier täglich rumgesprungen“, sagt Hubertus Becker. Als er einen alten Pflaumenbaum in seinem Kleingarten fällen wollte, habe er einen Antrag stellen müssen. „Aber für Bauherren gelten scheinbar andere Regeln.“

Von der Maßnahme überrascht wurde auch Friedhelm Duch. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Maintaler Grünen wohnt in der Daimlerstraße 10, direkt gegenüber des zukünftigen Wohnquartiers. „Die Baumfällungen bedaure ich wie die meisten Anwohner“, sagt er auf Anfrage unserer Zeitung. Einen politischen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, diese Baumreihe zu entfernen, habe es nicht gegeben. „Der uns vorgelegte städtebauliche Vertrag enthielt keinen Hinweis in dieser Richtung“, so der Grünen-Politiker.

Doch wer hat nun die Genehmigung zum Fällen der Baumreihe an der Nordseite des Baugebiets erteilt? „Die Genehmigung wurde vom Magistrat der Stadt Maintal, vertreten durch den Fachdienst Stadtentwicklung und Stadtplanung, erteilt“, erklärt die Stadt auf Anfrage unserer Zeitung. Bereits in einer relativ frühen Planungsphase habe festgestanden, dass der Gehölzstreifen nicht erhalten werden kann. „Selbstverständlich wurden bereits im Bebauungsplanverfahren für das Baugebiet neben der Unteren Naturschutzbehörde auch Umweltschutzverbände und weitere Träger öffentlicher Belange in die Planungen eingebunden“, heißt es weiter.

Fassungslos: Seit 1965 wohnen Norbert und Doris Schumacher in der Daimlerstraße in Dörnigheim. „Es gab keinen Grund, diese prachtvollen Bäume abzuholzen“, sagt der 79-Jährige.
Fassungslos: Seit 1965 wohnen Norbert und Doris Schumacher in der Daimlerstraße in Dörnigheim. „Es gab keinen Grund, diese prachtvollen Bäume abzuholzen“, sagt der 79-Jährige. © Kristina Bräutigam

Normalerweise verbietet die Satzung zum Schutz der Grünbestände das Entfernen bestimmter Bäume im Stadtgebiet Maintal. So genießen beispielsweise Laubgehölzbestände ab einer Höhe von zwei Metern, einer Ausdehnung in der Länge von zehn Metern und in der Breite von mindestens zwei Metern ebenso besonderen Schutz wie alle Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 60 Zentimetern. Doch wieso durften die riesigen Ahornbäume trotzdem entfernt werden? Die Stadt betont in ihrer Stellungnahme, dass die Baumfällung im ausschließlichen Zusammenhang mit der Wohngebietsentwicklung Eichenheege steht, um den dringend benötigten Wohnraum, insbesondere für niedrigere Einkommensgruppen, zu schaffen. Die Stadt sei vom Land Hessen als Kommune mit einem angespannten Wohnungsmarkt eingestuft, neue Wohnungen zu schaffen, sei ein landes- und bundespolitisches Ziel.

„Die Entwicklung neuer Wohnquartiere geht immer mit Veränderungen, auch Eingriffen in die Natur, einher. Der Stadt Maintal ist es aber bisher gelungen, Wohnflächenentwicklung auf sogenannten Konversionsflächen zu realisieren, sodass auf die Versiegelung von Flächen nahezu verzichtet werden konnte. Der Natur- und Artenschutz genießt bei Bauvorhaben oberste Priorität – siehe beispielsweise den Neubau der Kita Rhönstraße, der nur deshalb auf zwei Etagen realisiert wurde, um den wertvollen Baumbestand zu erhalten.“ Auch im Rathaus wisse man um den ökologischen Wert von großkronigen Bäumen. Die Fällmaßnahme sei jedoch aufgrund des Bauvorhabens nicht zu vermeiden gewesen und werde durch die Neupflanzung von Bäumen kompensiert, so die Stadt.

15 Jungbäume stehen bereits jetzt am vorderen Bereich der Nordseite. Bis sie zu stattlichen grünen Riesen herangewachsen sind, wird es Jahrzehnte dauern. „Wir werden das nicht mehr erleben“, sagt Doris Schumacher.

Von Kristina Bräutigam

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