Beschluss des Maintaler Haushalts auf nächste Sitzung verschoben

„Alles anders als geplant“ – so könnte man den Maintaler Haushalt 2023 überschreiben. Von der verschobenen Einbringung im November über die voneinander abweichenden Sparvorschläge von Magistrat und Bürgermeisterin Monika Böttcher (parteilos) bis hin zum Beschluss, der eigentlich für die Stadtverordnetenversammlung am vergangenen Montag geplant war.
Maintal - Denn um das Wichtigste vorweg zu nehmen: Beschlossen sind der Haushalt und das Investitionsprogramm bis 2026 noch nicht. Zu knapp war die Zeit für die langwierigen, weil komplizierten Beratungen. Zu groß die Zahl der Änderungsanträge, die die Stadtverordneten bis zur Beschlussfassung hätten beraten und diskutieren sollen. Er hätte mit seiner Fraktion „im Schweinsgalopp über hundert Anträge durchgehen müssen“, erklärte WAM-Fraktionschef Jörg Schuschkow seinen Geschäftsordnungsantrag, die Beschlussfassung in den März zu verschieben. Dieser Vorschlag fand eine knappe Mehrheit, sodass der Beschluss des Haushalts in die Stadtverordnetenversammlung am 20. März verschoben wurde.
Die Generaldebatte wurde trotzdem im voll besetzten Bürgerhaus in Bischofsheim gehalten. Dem Applaus nach zu urteilen war der größte Teil der Gäste, die die Sondersitzung zum Haushalt vor Ort mit verfolgten, aus dem von Stellenkürzungen betroffenen Bereich Kinderbetreuung und der zur Disposition stehenden Freiwilligenagentur. Sie demonstrierten mit ihrer Vielzahl und mit Schildern vor dem Eingang gegen die im ersten Magistratsbeschluss geplanten Stellenkürzungen und die Auflösung von „Maintal aktiv“. Auf der Treppe waren neben dem Wort „Personal“ Umrisse wie an einem Tatort auf den Boden geklebt. Schilder mit „Ehrenamt braucht Hauptamt“ und „Familienfreundlich arbeiten ohne JAM?“ klebten am Eingang.
Kooperationsfraktionen mit eigenen Anträgen
Was das Publikum aber auch ohne Beschluss erlebte, war eine ebenso spannende wie richtungsweisende Debatte – spannend deshalb, weil die drei Kooperationsfraktionen CDU, FDP und SPD keine gemeinsamen, sondern eigene Anträge zum Haushalt eingebracht hatten. Und richtungsweisend, weil sich im Lauf des langen Abends bei einigen zentralen Themen bereits Kompromisse abzeichneten.
Zentral war zum Beispiel die Frage, ob eine Grundsteuererhöhung unausweichlich ist, um das Finanzloch zu stopfen. Ja, meinten die Grünen. Fraktionschefin Monika Vogel prognostizierte in ihrer Haushaltsrede eine „massive Verschlechterung der Lebensumstände“ durch die Magistratsbeschlüsse. Sie kritisierte vor allem die Stellenkürzungen bei der Kinderbetreuung, im Fachdienst Umwelt und die Auflösung der Freiwilligenagentur. Die Grundsteuererhöhung beteilige hingegen alle Bürger „solidarisch an den steigenden Kosten der Stadt“. In ihren Anträgen zum Haushalt findet sich die Erhöhung jedoch nicht wieder.
SPD für Klage gegen Hessen
Anders die SPD, die sich für eine Grundsteuererhöhung um 150 Punkte im Jahr 2024 aussprach. Dafür, erklärte Fraktionschef Sebastian Maier, beinhalte das Paket der Sozialdemokraten einige Anträge, die ganz gezielt Familien entlasten sollten, zum Beispiel freien Eintritt ins Maintalbad für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre. Die Freiwilligenagentur solle nicht aufgelöst werden, sondern in einem neuen Fachbereich Kultur und kulturelle Bildung, bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung sowie Integration aufgehen.
„Wir sind in dieser Situation, weil wir immer mehr Aufgaben vom Land übertragen bekommen, ohne die Mittel dafür zu bekommen“, erklärte Maier. Seine Fraktion strebt daher eine Klage gegen das Land Hessen „auf eine bedarfsgerechte Finanzausstattung- und Mittelzuweisungen zur Erledigung von Aufgaben, die der Landesgesetzgeber der Kommune auferlegt“, an – ein Vorschlag, der fraktionsübergreifend Zustimmung erntete.
CDU gegen Grundsteuererhöhung
Energiekrise, Krieg, Lohnsteigerungen – hausgemacht seien die Gründe nicht, die zum Defizit von 7,5 Millionen Euro führten, betonte CDU-Fraktionschef Götz Winter. Und erklärte damit auch gleichzeitig, warum seine Fraktion die Grundsteuererhöhung ablehnt: „In Zeiten von Energiekrise, steigenden Kosten und Inflation erhöht man keine Steuern.“ Da die Stadt dennoch Geld sparen müsse, unterstützt die CDU die von Finanzdezernentin Böttcher vorgeschlagene Einsparvorgabe von 1,5 Prozent 2023 und je zwei Prozent in den kommenden Jahren über alle Verwaltungsbereiche hinweg.
Spannend sei jedoch, so Winter, wie man im Bereich Kinderbetreuung sparen wolle, ohne Personal zu kürzen. Da diese Einsparvorgabe aber allein nicht ausreiche, müsse an den freiwilligen Leistungen gespart werden. Die CDU trage daher den Magistratsbeschluss zur Auflösung der Freiwilligenagentur mit. Das Sonderbudget für „Maintal aktiv“ betrage 500 000 Euro. Das gleiche in etwa die Hälfte der vorgeschlagenen Grundsteuererhöhung aus.
Soll das Klinggebiet verkauft werden?
Winter brachte zudem den Verkauf des Klinggeländes ins Spiel. Aus Sicht seiner Fraktion entstehe dort ohnehin kein Bauland: Das Areal könne die Stadt für 2,4 Millionen Euro veräußern. Vehement gegen den Verkauf des Grundstücks, das derzeit der Arbeitskreis Asyl als Begegnunshaus nutzt, sprach sich Böttcher aus. Das sei eine „Luftnummer“, befürchtete Schuschkow (WAM): „Wer kauft das, wenn man dort nicht bauen kann?“
Seine Fraktion votierte ebenfalls gegen die Grundsteuererhöhung. „In diesen Zeiten der Inflation ist eine weitere Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch eine Steuererhöhung Gift für die Wirtschaft“, erläuterte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jana Freund. Die Wahlalternative trägt daher Böttchers Vorschlag zur generellen Einsparvorgabe von 1,5 in diesem und je zwei Prozent in den Folgejahren mit.
Vorwurf: Infos aus geheimen Magistratssitzungen
Gegen die Grundsteuererhöhung sprach sich auch Thomas Schäfer (FDP) aus. Der Fraktionsvorsitzende, der seit Jahresbeginn im Landtag sitzt, kritisierte die unkonkrete Einsparvorgabe Böttchers. Es sei unehrlich, im Kitabereich zwei Prozent kürzen zu wollen, ohne zu sagen, dass man dafür Personal streichen müsse. Mit ihrer „abweichenden Meinung“ habe Böttcher gezeigt, dass sie „keine Teamplayerin“ sei und „nicht den Magistrat vertete“, zeigte Schäfer sich angriffslustig.
Dass die Grünen in ihren Pressemitteilungen behauptet hatten, der Haushaltsentwurf sein ein Mehrheitsbeschluss der drei Kooperationsfraktionen, sei ein „Bruch der Vertraulichkeit“ und eine vertrauliche Information aus den geheimen Magistratssitzungen. „Das kann ich nicht stehen lassen“, entgegnete Friedhelm Duch (Grüne). Ohne die Stimmen der Kooperationsparteien sei der Magistratsbeschluss nicht möglich gewesen. Dazu habe niemand etwas aus den geheimen Sitzungen „durchstechen müssen, das sei eine ganz einfache Rechenaufgabe“. Den meisten Applaus aus allen Fraktionen erhielt jedoch Sebastian Maier für seine leidenschaftliche Rede, die den AFD-Stadtverordneten Rainer Emil Schmitt in seine Schranken verwies. Einig waren sich die Fraktionen auch in ihrem Dank an die Verwaltung, insbesondere den Fachbereich Finanzen. Vor den Ehrenamtlichen liegen nun sieben Wochen, in denen die vielen Anträge beraten, diskutiert und Kompromisse gefunden werden können, bis die Beschlussfassung am 20. März erneut ansteht.
Von Bettina Merkelbach