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Sabine Witzke aus Bischofsheim ist Tomatenzüchterin aus Leidenschaft

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Von Ochsenherz bis Kumato: Die Bischofsheimerin Sabine Witzke mit Tomatenpflanzen in ihrem kleinen Gewächshaus.
Von Ochsenherz bis Kumato: Die Bischofsheimerin Sabine Witzke mit Tomatenpflanzen in ihrem kleinen Gewächshaus. © Kristina Bräutigam

20 Sorten hat die Bischofsheimerin dieses Jahr im Angebot: Sabine Witzke züchtet im Maintaler Garten seltene alte Tomaten.

Maintal – Der Behandlungsraum von Sabine Witzke in Bischofsheim gleicht Ende vergangener Woche eher einer Gärtnerei. Wo normalerweise Patienten auf der Liege Platz nehmen, um Körper und Geist in Einklang zu bringen, stehen Tomatenpflanzen in Reih und Glied. In Plastiktöpfen, angebunden an dünne Holzstäbe, warten sie darauf, endlich ins Freie zu dürfen. Wann es so weit ist, entscheidet die Wetter-App: „Die Eisheiligen sind zwar vorbei. Aber solange die Temperatur nachts unter zehn Grad fällt, bleiben sie drin“, sagt Sabine Witzke.

Wenn es um Tomaten geht, macht der Bischofsheimerin so schnell niemand etwas vor. Seit mehreren Jahren züchtet die 60-Jährige die Gemüsepflanze, die aus botanischer Sicht eigentlich zum Obst gehört. 20 Biosorten hatte Sabine Witzke in diesem Jahr im Angebot, so viele wie noch nie. „Ich habe einfach jedes Jahr ein bisschen experimentiert. Und es wurden immer mehr“, sagt sie und lacht.

Ehepaar verwandelt Bischofsheimer Garten in Naturparadies

Die Liebe zur Natur entdeckt die gebürtige Schwäbin schon als Kind. „Meine Stiefoma hatte einen kleinen Bauernhof mit Schweinen, Acker, Wald. Sie hat mir alles über Pflanzen und Tiere beigebracht“, erzählt Sabine Witzke, die als Körpertherapeutin, Gesangslehrerin und nebenberuflich als Musik- und Kunstlehrerin an der Otto-Hahn-Schule arbeitet. Als sie mit ihrem Mann Gerson eine Mietwohnung im Haus am Kreuzstein in Bischofsheim bezieht, setzt sie ihre ersten zwei Tomatenpflanzen im Topf. Dann kauft das Paar das Haus – und verwandelt den Garten nach und nach in ein Naturparadies.

Neben Kräutern, die im Garten der Witzkes mittlerweile an jeder Ecke sprießen, gilt Sabine Witzkes Leidenschaft der Tomate. Von Beginn an züchtet sie ausschließlich alte und samenfeste Sorten. Hybriden, die sich nicht vermehren lassen und noch dazu oft gentechnisch verändert sind, kommen der Bischofsheimerin nicht in den Topf: „Die alten Sorten sind nicht nur viel robuster gegenüber Krankheiten. Auch geschmacklich sind sie viel besser“.

Stammkunden kommen von weit her in den Maintaler Garten

Anfangs kauft Sabine Witzke die Samen zu. 20 Euro zahlt sie für fünf Samen einer speziellen Freilandtomate, die sie im Internet bei einer speziellen Samenbank entdeckt. Seit drei Jahren vermehrt sie die Pflanzen nur noch aus ihren eigenen Samen. Mit Erfolg: Bald hat die 60-Jährige so viele Pflanzen, dass sie einige an Familie und Freunde verschenkt. Hinzu kommen die Besucher, die nach Peter, dem berühmten Eichhörnchen (wir berichteten), sehen wollen, und plötzlich nach Tomatenpflanzen fragen. „Also habe ich angefangen, die überschüssigen Pflanzen zu verkaufen“, erinnert sich Sabine Witzke.

Heute, knapp sieben Jahre später, sind die Tomatenpflanzen aus dem „Maintaler Garten“, wie Sabine Witzke ihren Garten nennt, ein echter Verkaufsschlager. Nicht nur aus Maintal kommen viele Stammkunden. Auch aus Frankfurt kommen Gartenbesitzer, die auf der Suche nach alten Tomatensorten sind. Ein Stammkunde fährt sogar jedes Jahr von Steinfurth nach Bischofsheim, um Pflanzen der Sorte „Schwarze Krim“ zu kaufen. Die Gourmet-Tomate gilt als süßeste Tomate der Welt, ihre Früchte sind mit ihrer fast schwärzlichen Farbe ein echter Hingucker.

Tomatenzucht in Handarbeit

Auch andere alte Sorten mit klangvollen Namen und verschiedenen Farben und Formen hat Sabine Witzke in diesem Jahr im Angebot, darunter die „Principe Borghese“, eine reichtragende Buschtomate aus Italien mit kleinen, roten, ovalen Früchten und geringem Saftanteil, die „Green-Zebra-Tomate“, eine grün-gelb-gestreifte Salattomate aus den USA mit saftigem, smaragdgrünem Fruchtfleisch, die süß-aromatisch schmeckt, oder den „Roten Russen“, eine große rote Fleischtomate aus Russland, deren pikant schmeckende Früchte bis zu einem Kilo schwer werden können.

Und wie schmeckt die perfekte Tomate? „Wenn man reinbeißt, muss das eine Geschmacksexplosion auf dem Gaumen sein. Wenn eine Tomate wässrig oder mehlig schmeckt – furchtbar“, sagt Sabine Witzke. Bis aus den Samen stattliche Pflanzen werden, ist es ein langer Weg. Vor allem das Pikieren ist eine echte Sisyphosarbeit. Dabei werden die Sämlinge vereinzelt und jeder für sich in einen kleinen Topf gesetzt. Bis zu 250 Sämlinge pro Sorte pikiert Sabine Witzke jedes Jahr. In dieser Saison waren es 2000 Pflanzen. Nicht immer lohnt sich die Arbeit: Die Freiland-Tomate sei „zickig“ gewesen, berichtet Witzke. Von 180 Pflänzchen haben am Ende nur 20 das Pikieren überlebt.

Tomaten brauchen Fingerspitzengefühl

Damit ihre Schützlinge gedeihen, verwendet Sabine Witzke überwiegend Kompost aus dem eigenen Garten, indem die eigenen Küchenabfälle und der Grasschnitt sämtlicher Nachbarn landen. Ehemann Gerson hat die Aufgabe, den Kompost durchzusieben. Am Ende entscheide der Käufer, ob die Ernte gut ausfällt. „Wer Tomaten ziehen will, braucht viel Fingerspitzengefühl. Die Pflanze muss bemuttert werden“, sagt Sabine Witzke. Die falsche Erde, zu wenig Licht, zu viel oder zu wenig Wasser: Fehler beim Tomatenanbau sind schnell passiert. „Die meisten übergießen und dann fault die Wurzel“, sagt die Bischofsheimerin und fühlt mit dem Finger die Erde in einem Topf. Leicht feucht ist sie, die Pflanze braucht kein Wasser. „Die trockene Erde muss sich vom Rand lösen. Dann kann man gießen“.

Zwischen einem Euro und 2,50 Euro zahlen Kunden für eine Pflanze. Finanziell hängen bleibe da kaum etwas, betont die Hobby-Züchterin, zumal auch das Zubehör wie Spiralbinder und Töpfe kostet. Vom Geld, das übrig bleibt, kaufen die Witzkes Haselnüsse für ihre Eichhörnchen. Die sechste Generation ist zurzeit im Garten eingezogen. Und wie genießt eine Tomatenliebhaberin ihre eigenen Tomaten am liebsten? „Ich mache Soßen mit Kräutern aus dem Garten, mit selbst gemachten Kräuterölen.“ Ein paar wenige Pflanzen hat Sabine Witzke noch zum Verkauf. Ob es ihnen in fremden Händen genauso gut gehen wird – die 60-Jährige kann nur hoffen: „Für mich sind Pflanzen genauso Lebewesen wie Tiere und Menschen. Ich habe die Aufgabe, mich um sie zu kümmern, bis sie weggegeben werden.“ Den Rest müssen ihre Babys allein schaffen.

Fingertest und geschulter Blick: „Bloß nicht übergießen“, rät die Expertin.
Fingertest und geschulter Blick: „Bloß nicht übergießen“, rät die Expertin. © -
Bunt: eine Auswahl der letztjährigen Ernte.
Bunt: eine Auswahl der letztjährigen Ernte. © -

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