Blühbotschafterin Sarah Bersuch berät Maintaler zum Insektenschutz

Die Pflanzfläche vor dem Rathaus in Hochstadt empfinden nicht alle Menschen als schön. Gerade jetzt im Januar stehen nur noch ein paar dürre, teilweise geknickte Stängel zwischen niedrigen Stauden und Laub. Doch ein einziger Stängel kann von bis zu 100 Insekten besiedelt werden und damit zu Artenvielfalt und zum Artenerhalt beitragen.
Maintal - Für diese Zusammenhänge will Sarah Bersuch bei Maintaler Bürgern Verständnis wecken und einen Perspektivwechsel fördern. Künftig sollen auch in privaten Gärten immer mehr einheimische Wildstauden und Wildblumenwiesen nicht nur im Sommer blühen, sondern auch über Herbst und Winter stehen bleiben. „Oft sind es Kleinigkeiten, die einfach umzusetzen sind und viel bewirken können. Darauf will ich hinweisen und die Zusammenhänge von Insekten und Vegetation erklären“ , sagt Bersuch.
Seit 2011 wohnt sie in Maintal und arbeitet seit 2019 als Verwaltungsangestellte im Rathaus der Stadt. Seit Dezember 2022 ist sie zudem ehrenamtliche „Blühbotschafterin für die Insektenvielfalt des Main-Kinzig-Kreises. Die Blühbotschafter sind ein wichtiger Baustein des Projekts „Main.Kinzig.Blüht.Netz“, das sich für den Erhalt der Insektenvielfalt einsetzt und dem Insektensterben entgegenwirken will. „Ich bin sehr tierlieb und auch naturverbunden, aber vor Bienen und Wespen bin ich früher weggerannt. Durch meine Tätigkeit bei der Stadt Maintal im Fachdienst Umwelt und zu Beginn auch beim Fachdienst Stadtentwicklung und Stadtplanung den Lehrgang habe ich ein ganz neues Verhältnis zu Natur und Umwelt und insbesondere zu Insekten gewonnen. Letzte Berührungsängste habe ich beim Lehrgang endgültig verloren.“
Private mit beruflichen Interessen verküpft
Die Maintalerin hat von der Fortbildung des Kreises gelesen und war von dem Angebot sofort überzeugt. „Der Lehrgang wurde im Fachdienst sehr positiv aufgenommen. Ich habe das Glück, dass sich private Interessen und berufliche Inhalte überschneiden.“ Bei der Stadt Maintal betreut Bersuch die jungen Erwachsenen, die ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolvieren. Zu ihren Aufgaben gehört zudem das Thema Insektenschutz. „Den Insektenschutz konnte ich bei meinem Aufgabenwechsel zur städtischen Abfallwirtschaft mitnehmen“. Bis Mitte 2022 arbeitete Sarah Bersuch für die Fachbereichsleitung Stadtentwicklung der Stadt Maintal und hat unter anderem am „Vorgarten-Wettbewerb 2020“ mitgewirkt.
Auf ihre Initiative hin wurde ein Bienenfutterautomat der Bienenretter angeschafft, welcher die letzten zwei Sommern am Weinberghof in Hochstadt aufgestellt wurde. Gemeinsam mit Ehrenamtlichen aus Schöneck und Niederdorfelden hat sie – mit Sondergenehmigung – für die Forschung Insekten kartiert. Sie hat Heuschrecken, Grashüpfer, Käfer und alle anderen Krabbeltiere eingefangen und gezählt. „Bienen sind gar nicht so leicht zu fangen und schwer zu bestimmen“, weiß sie jetzt.
Beratung zum insektenfreundlichen Garten
Seit Mitte 2022 ist die Wachenbücherin in der Abteilung Abfallwirtschaft tätig. Sie steht nun für Fragen rund um Abfallentsorgung und Insektenschutz zur Verfügung. „Maintaler Bürger können mich auch anrufen, wenn sie in ihrem Garten mehr für Insekten tun wollen“, sagt Bersuch. „Ich komme gerne vorbei, erkläre Zusammenhänge und kann auf weiterführende Informationen verweisen.“
Die Beratung macht Sarah Bersuch ehrenamtlich als Blühbotschafterin für Insektenvielfalt. Die Stadt unterstützt ihre Aktivitäten mit hochwertigem, zertifiziertem Saatgut, das Bersuch beratend ausgeben kann. Das machte unter anderem ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung möglich. „Wir stellen Saatgut für Wildblumenwiesen oder „Schmetterlingssaum“ für den Garten zur Verfügung und Sorten für Kübel auf Balkon und Terrasse.“
Lehrgang des Landschaftspflegeverbands
Sarah Bersuch kann sich gut vorstellen, einen Infostand zu machen und so die Maintaler unkompliziert anzusprechen und zu informieren. Mit ihrem Engagement ist die Blühbotschafterin in der Verwaltung nicht allein, sie kann auf Fachwissen in anderen Abteilungen, vor allem bei den Kollegen und Kolleginnen des Main.Kinzig.Blüht.Netzes zurückgreifen. „Diese Vernetzung in der Verwaltung, aber auch mit Kommunen, mit Vereinen und vor allem mit den Bürgern ist wichtig“, sagt Bersuch.
In dem einjährigen Lehrgang, den der Landschaftspflegeverband des Kreises 2022 angeboten hat, haben Lehrgangsleiterin Dorothee Dernbach und Fachreferentinnen und -referenten den Teilnehmenden theoretische und praktische Inhalte vermittelt. „Insekten und Pflanzen haben sehr enge Beziehungen, zum Teil sind Bienenarten oder Schmetterlinge auf eine Pflanzenart spezialisiert. Wenn sie diese nicht mehr vorfinden, sterben sie aus“, so Bersuch.
Auch Blühwiesen brauchen Pflege
Man erreiche auf Dauer viel, wenn man nach und nach alte Stauden durch heimische insektenfreundliche Pflanzen ersetzt. Von großer Bedeutung für die Anlage von Blühwiesen sei nicht nur das Saatgut, sondern auch die Pflege der Flächen. „Nur in den ersten Jahren ist eine intensive Pflege nötig, dann hat man weniger Arbeit als mit überpflegten Beeten und englischen Rasen. Und tut doch viel.“
Im Lehrgang kamen auch die Auswirkungen der „Lichtverschmutzung“ zur Sprache. „Das Ausmaß war mir bislang nicht bewusst. Seither sehe ich Beleuchtung im öffentlichen Raum tatsächlich etwas differenzierter“, sagt Bersuch. Gemeinsam mit 14 weiteren Teilnehmenden des einjährigen Lehrgangs konnte die Blühbotschafterin im Rahmen einer feierlichen Abschlussveranstaltung ihr Zertifikat entgegennehmen und wird sich aus Überzeugung für Biodiversität und Artenvielfalt einsetzen.
Von Ulrike Pongratz