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Dörnigheimer Volksschulklasse ist bis heute eng verbunden

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Ein Teil der Jubiläums-Konfirmanden mit Pfarrer Dr. Martin Streck (rechts), die am Sonntag vor einer Woche zur Feier der Gnaden-Konfirmation in die Alte Kirche am Main in Dörnigheim gekommen waren.
Ein Teil der Jubiläums-Konfirmanden mit Pfarrer Dr. Martin Streck (rechts), die am Sonntag vor einer Woche zur Feier der Gnaden-Konfirmation in die Alte Kirche am Main in Dörnigheim gekommen waren. © Kristina Bräutigam

Rund die Hälfte der Konfirmanden des Jahrgangs 1953 hat die Gnadenkonfirmation in der Alten Kirche am Main in Dörnigheim gefeiert. Die Senioren schwelgen in Erinnerungen. Sie sind bis heute trotz des hohen Alters und weiter Entfernungen miteinander in Kontakt geblieben.

Maintal – All die Jahre hat Hannelore Huhn ihn gehütet wie einen Schatz. Heute hat sie den kleinen Blumenkranz mitgenommen. „Was sahen wir schick aus“, sagt sie, während sie den Reif mit den zarten weißen Stoffblumen vorsichtig aus der kleinen Pappschachtel hebt. Es gibt viel zu erzählen an diesem Sonntag, an dem die Konfirmanden des Jahrgangs 1953 ihre Gnadenkonfirmation feiern. In der Alten Kirche am Main, jenem Ort, an dem sie schon vor 70 Jahren zusammengekommen waren, um den Segen Gottes zu empfangen.

„In Reih und Glied sind wir los“, sagt Inge Dötsch und zeigt auf das Foto, das den Zug der Konfirmanden zeigt. Angeführt von Pfarrer Adolf Thorn ging es vom Dörnigheimer Pfarrhaus durch die Kirchgasse bis zur Kirche. Die Jungen herausgeputzt mit Anzug, Schlips und Blume am Revers, die Mädchen mit Kleidern und Blumenkranz im Haar.

40 von 87 Senioren feiern Konfirmationsjubiläum

Voll bis unters Dach ist die Kirche damals. Der gesamte Jahrgang 1953 in einem Gottesdienst, Platz für Familienangehörige bleibt da kaum. Die Konfirmation sei ein richtiges Fest gewesen, mit Fleisch auf dem Tisch und vielen Geschenken, erzählt Elsbeth Heim. Die Buben bekommen Manschettenknöpfe, die Mädchen einen Dreierpack Stofftaschentücher, Unterwäsche oder Pflanzen. „70 Blumenstöcke habe ich bekommen“, erinnert sie sich und lacht.

Von den 87 Dörnigheimer Konfirmanden des Jahres 1953 kommen am Sonntag vor einer Woche etwa 40 zusammen. Nach dem Gottesdienst treffen sie sich in der Gaststätte der TG Dörnigheim. Zum Essen, vor allem aber zum Erinnern. Dass es überhaupt so viele sind, darauf sind die Senioren stolz. „Wir haben einen ungeheuren Zusammenhalt“, sagt Eleonore Gerlach, die damals noch Volkmann heißt.

Volksschulzeit nach 1945 schweißt zusammen

Der gemeinsame Weg beginnt in der Volksschule Dörnigheim. Denn alle 87 Konfirmanden besuchen damals eine Grundschulklasse. 1945 werden sie eingeschult. Ein Jahr später als geplant, denn die Volksschule in der Kirchgasse wird damals noch als Lazarett genutzt. „Obwohl wir so viele Kinder waren, hat es funktioniert. Wir waren eben eine vollkommen andere Generation“, sagt Eleonore Gerlach, die mittlerweile wieder in ihrer Heimatstadt Hanau lebt. Nachdem das Haus in der Innenstadt zerbombt worden war, zieht die Familie 1945 nach Dörnigheim. Zu sechst leben sie auf 15 Quadratmetern in der Bahnhofstraße. „Genau gegenüber“, sagt Eleonore Gerlach und zeigt aus dem Fenster.

Den Zusammenhalt, der bis heute besteht, haben die ehemaligen Grundschüler ihrem Klassenlehrer Wilfried Gerlach zu verdanken. Er habe sie eingeschworen, einander zu helfen. „Diejenigen, die mehr hatten oder klüger waren, sollten sich um die kümmern, die nicht so viel hatten oder konnten“, erzählt die 84-Jährige. Eine von ihnen ist Mitschülerin Wilma Huber, die seit einer Hirnhautentzündung geistig beeinträchtigt ist. „Es gab damals keine Sonderschule. Also haben wir sie durchgeschleift, so gut es ging“, sagt Elsbeth Heim.

Einstige Volksschulkasse bleibt in Kontakt

Auch an Mitschülerin Lina Mäuser können sich die Senioren noch gut erinnern. Auf einem Ausflug schmerzen die Füße irgendwann so sehr in den kaputten Lederschuhen, dass das Mädchen nicht weiterlaufen kann. Lehrer Wilfried Gerlach habe die Schülerin daraufhin auf den Rücken genommen und 15 Kilometer nach Hause getragen. „Trotz seiner Kriegsverletzung, wegen der er seit seinem 35. Lebensjahr am Stock geht“, sagt Eleonore Gerlach.

Dass sich die Klassenkameraden nach vier gemeinsamen Volksschuljahren nicht aus den Augen verlieren, ist vor allem ihr Verdienst. Irgendwann habe sie begonnen, Adressen zu sammeln, trug Telefonnummern zusammen und organisierte schließlich das erste Klassentreffen. „Danach haben wir uns regelmäßig in Dörnigheim getroffen und einmal im Jahr eine tolle Busfahrt mit Stadtführung gemacht, mal in den Osten, mal in den Westen“, erzählt die 84-Jährige. Mittlerweile seien die meisten nicht mehr gut zu Fuß, statt zu gemeinsamen Ausflügen, treffe man sich zum Essen.

Schülerin heiratet 1995 ehemaligen Klassenlehrer

Selbst zu den Klassenkameraden, die ausgewandert sind, besteht der Kontakt bis heute. Rolf Kamphausen telefoniert noch immer mit seinem ehemaligen Mitschüler Helmut Wühr, der seit 1957 in Australien lebt. Und Doris Ehlers, geborene Meier, die seit Ende der 60er Jahre in Kalifornien lebt, hat ihren Klassenkameraden extra einen Brief anlässlich des Konfirmationsjubiläums geschrieben. Ingrid Höch reist für die Gnadenkonfirmation aus der Nähe von Köln an. Beschwerlich sei die Anreise gewesen, sagt die 85-Jährige. „Aber ich freue mich sehr, alle zu sehen. Es wird wohl das letzte Mal sein.“

Klassenlehrer Wilfried Gerlach erlebt das Wiedersehen seiner Schüler nicht mehr. Er stirbt 2014 im Alter von 100 Jahren. An seiner Seite: Ehefrau Eleonore Gerlach. 1991 treffen sich die ehemalige Schülerin und der Lehrer zufällig wieder. Über 40 Jahre haben sie sich nicht gesehen. Sie kommen ins Gespräch „Und von Stund’ an war mein Herz entflammt“, sagt Eleonore Gerlach.

Alles begann in Dörnigheimer Volksschule

Beide sind verheiratet. Als sie sich die Woche drauf treffen, haben beide keine Zweifel mehr. Schon als Kind habe sie ihn sehr gemocht, erzählt die 84-Jährige. Seine Art, wie er mit den Kindern umgegangen sei. Wie er ihr, die so schüchtern war, Mut gemacht hat. „Und er hatte so tolle Hände. Er spielte Geige“, sagt sie. 1995 heiraten die ehemalige Schülerin und ihr Lehrer, trotz der 25 Jahre Altersunterschied. „Wir hatten 20 wundervolle Jahre. Die zählen doppelt“, sagt Gerlach.

Was bleibt, ist die Erinnerung. An eine große Liebe und an die Schulzeit in der Dörnigheimer Volksschule, in der alles begann. „Haltet zusammen“ – das sei der immerwährende Gedanke ihres Mannes gewesen, sagt Eleonore Gerlach und blickt durch den Gastraum, wo Schwarz-Weiß-Fotos durch die Hände ihrer Kameradinnen und Kameraden wandern und die Anekdoten nicht enden wollen. „Er hätte sich sicher gefreut, uns heute hier zu sehen.“

Von Kristina Bräutigam

Jungen und Mädchen getrennt: Inge Dötsch (links) und ihre ehemalige Klassenkameradin Eleonore Gerlach mit den alten Klassenfotos von 1948.
Jungen und Mädchen getrennt: Inge Dötsch (links) und ihre ehemalige Klassenkameradin Eleonore Gerlach mit den alten Klassenfotos von 1948. © -
1953 zogen die Konfirmanden, angeführt von Pfarrer Adolf Thorn, vom Pfarrhaus durch die Kirchgasse zur Kirche.
1953 zogen die Konfirmanden, angeführt von Pfarrer Adolf Thorn, vom Pfarrhaus durch die Kirchgasse zur Kirche. © -
Hannelore Huhn mit dem Blumenkranz, den die Mädchen auf ihrer Konfirmation trugen.
Hannelore Huhn mit dem Blumenkranz, den die Mädchen auf ihrer Konfirmation trugen. © -

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