Drogensucht mitursächlich für Überfälle: Staatsanwalt beantragt Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Das Schlusswort hat der Angeklagte selbst: „Ich benötige die Therapie und bin gewillt, diese durchzuziehen“, sagt Patrick B. Zuvor hatte Staatsanwalt Dr. Oliver Piechaczek über eine Dreiviertelstunde lang plädiert – und ist dabei für den Angeklagten offenbar zu einer gerechten Beurteilung gekommen.
Maintal/Hanau – Denn Christian Heidrich, der Verteidiger von B., fasst sich nach einer halbstündigen Besprechung mit seinem Mandanten in seinem Plädoyer denkbar kurz. „Ich schließe mich dem Staatsanwalt an“, erklärt er. Bei Sachverhalt, rechtlicher Würdigung und den zu beurteilenden Folgen gibt es keine Gegenrede von Heidrich, der im Sinne des Angeklagten eine „milde Gesamtfreiheitsstrafe“ fordert.
Die vom Staatsanwalt geforderte Strafe liest sich auf den ersten Blick jedoch alles andere als mild. 13 Jahre Haft fordert er insgesamt für den Angeklagten. Ursprünglich wurde diesem in der Anklageschrift versuchter Mord vorgeworfen, für Piechaczek wird das Merkmal der Habgier jedoch nach der umfangreichen Beweisaufnahme nicht mehr erfüllt. Stattdessen plädiert er auf versuchten Totschlag und besonders schwere räuberische Erpressung. Letztlich ist das in der Gesamtbetrachtung wohl auch zweitrangig, schaut man sich die ohnehin hohe Gesamtstrafe von B. an, der bereits im vergangenen Jahr zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde (siehe Kasten).
Doch der entscheidende Punkt an diesem Dienstagmorgen und auch im gesamten Prozess ist ein anderer: Denn Piechaczek beantragt die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach Paragraf 64 des Strafgesetzbuches. Vier Jahre und sechs Monate soll B. zunächst in regulärer Haft verbüßen, ehe mit der Maßnahme in der Entziehungsanstalt, die zwei Jahre dauern soll, begonnen wird.
Damit widerspricht der Staatsanwalt der Einschätzung der psychiatrischen Sachverständigen. Diese hatten bei dem Angeklagten am vorherigen Verhandlungstag eine Psychopathie attestiert und die Aussicht auf Erfolge einer Therapie für gering gehalten. Eine Unterbringung nach Paragraf 64 wurde von den Sachverständigen daher nicht empfohlen.
Doch Piechaczek sieht das anders. Auch, weil er aus juristischer Sicht argumentiert und nicht aus ärztlicher. „Die Bevölkerung muss geschützt werden, die Frage ist, was ist der richtige Weg dafür“, erklärt er. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die damit verbundene Verringerung der Haftzeit klinge zwar oft so, als wolle man dem Täter etwas Gutes tun, sagt Piechaczek. „Das ist nicht so“, stellt er klar. „Wir müssen den besten Weg finden, wie der Täter anschließend angemessen in der Gesellschaft leben kann.“
Die Drogensucht des Angeklagten sei mit ursächlich für die verübten Überfälle auf die beiden Tankstellen in Bischofsheim im März 2021. Und dies genüge in der Rechtsprechung, um eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu rechtfertigen.
Die Einschätzungen der Sachverständigen hätten ihn zum einen nicht überzeugt, zum anderen halte er sie auch juristisch für nicht belastbar. Das Verhalten des Angeklagten in der Verhandlung, seine geständige Einlassung zu den Taten und seine offenen Auskünfte über seinen Lebensweg sorgten zudem dafür, dass er eben doch Erfolgsaussichten einer Therapie sehe. „Manchmal hilft Haft, dass Menschen einen anderen Weg einschlagen“, sagt Piechaczek zum Angeklagten, der bereits für einen Tankstellenüberfall im Mai 2020 in Haft sitzt. Beim ersten Prozess hatte sich B. weder zur Tat noch zu seinen Lebensumständen geäußert. „Was der Angeklagte hier gesagt hat, glaube ich“, sagt Piechaczek nun. Von der Aufrichtigkeit der Angaben sei er „felsenfest überzeugt“.
Allerdings, das betonte der Staatsanwalt in Richtung B., sei eine Therapie „kein Selbstläufer“. „Sie müssen liefern“, sagt er zu B. am Ende seines Plädoyers.
Entscheiden wird jetzt die Kammer um Richter Dr. Mirko Schulte.
Von Michael Bellack