Ein Kinderrad für drei Euro: Fundsachenversteigerung der Stadt Maintal

„Bietet jemand mehr als drei Euro für dieses schöne Kinderfahrrad?“, fragt Daniel Vuletic in die Runde. Keine Rückmeldungen. Mit einem kleinen Hammer klopft er auf den Sattel des Rades. „Verkauft!“, sagt er und übergibt das Rad an seinen neuen Besitzer.
Maintal – Sebastian Hellfritsch ist zufrieden. Er ist mit seiner Frau und seiner Tochter zum ersten Mal zur Fundsachenversteigerung der Stadt Maintal gekommen. „Wir haben in der Zeitung davon gelesen und dachten, wir schauen uns das mal an“, sagt er. Auf dem Parkplatz vor dem Bürgerhaus in Hochstadt hat er sich bereits zuvor die zahlreichen aufgestellten Fahrräder angeschaut und mögliche Favoriten ausgemacht. Das Kinderrad war zweifelsohne der Wunsch seiner Tochter.
Mit dem gut erhaltenen Kinderfahrrad einer bekannten Marke hat er ein Schnäppchen gemacht – das ihm aber noch ein bisschen Arbeit machen wird. Denn gleich zwei Zahlenschlösser sind an den Rädern angebracht. Natürlich ist der Code bei dem Fundstück nicht bekannt. Also heißt es probieren. Das erste Schloss öffnet sich durch Zufall recht schnell, beim zweiten geht das nicht so einfach. 10 000 potenzielle Codes muss er im schlimmsten Fall ausprobieren. „Jetzt hab ich erst mal was zu tun“, schmunzelt er.
Währenddessen versteigern Daniel Vuletic und sein Kollege Dominik Franz vom Fachdienst Stadtladen der Stadt Maintal weitere Fundstücke. Für einen Motorradhelm findet sich kein Abnehmer unter den rund 30 Interessierten, die am Nachmittag nach Hochstadt gekommen sind. „Das wird meistens gut angenommen und hat uns bisher immer Spaß gemacht“, sagt Vuletic. Die letzte Versteigerung fand 2019 statt, ehe aufgrund der Pandemie zwei Jahre Leerlauf folgten. Nun hat man sich dafür entschieden, die Versteigerung unter freiem Himmel zu veranstalten. Und zum Glück hält das Wetter.

„Die Fundstücke werden bei uns abgegeben und wenn sich nach einem halben Jahr kein Besitzer meldet, gehen sie in die Versteigerung“, erklärt Vuletic. Modeschmuck, Uhren, Bücher, eine Kettensäge, eine uralte Videokamera – das Sortiment ist breit gefächert. „Vor 20 Jahren wäre das ein Kracher gewesen“, schmunzelt Vuletic. Überwiegend sind es aber Fahrräder, die unter den Hammer kommen. In diesem Jahr rund 50 an der Zahl, in den verschiedensten Zuständen. Für einige findet sich gar kein Abnehmer, andere gehen für das Mindestgebot von fünf Euro oder weniger weg.
Auf einzelne Räder allerdings haben die Bieter ein besonders Augenmerk geworden. Ein auf den ersten Blick gut erhaltenes Markenfahrrad – nur der hintere Reifen ist platt – interessiert gleich mehrere Bieter. Mit Handzeichen, Kopfnicken oder mündlich werden die Gebot abgegeben. Am Ende geht das Fahrrad für 66 Euro weg – wieder ist Sebastian Hellfritsch der Höchstbietende. Ob er wirklich ein Schnäppchen gemacht hat, wird sich bei näherer Betrachtung zeigen. „Es wird gekauft, wie gesehen“, sagt Auktionator Dominik Franz. Heute bleiben viele Fahrräder stehen, selbst dann, als gleich mehrere im Paket zum Schleuderpreis angeboten werden. „Bei den letzten Malen gingen meistens alle Fahrräder weg“, sagt Franz, „diese sind aber auch teilweise wirklich in keinem guten Zustand.“

Mehr Interesse zieht ein unscheinbarer Karton auf sich, in dem sich laut Vuletic ein Steuerelement für eine Heizung befindet. 92 Euro erzielt das Paket nach einem längeren Wettbieten. Wirft man einen Blick auf die Preise für vergleichbare Elemente, kann der Käufer damit einen hübschen Profit erzielen.
Das Highlight der diesjährigen Versteigerung haben sich Vuletic und Franz für den Schluss aufgehoben. Ein Quad der Marke Kreidler. „Das wurde einfach im Wald stehengelassen und uns dann von der Polizei übergeben“, sagt Vuletic. 3800 Kilometer stehen auf dem Tacho, der Tankdeckel fehlt, einen Schlüssel gibt es nicht. Und offenbar fehlt auch das eine oder andere Ersatzteil. Ob das Quad überhaupt noch fährt? „Das wissen wir nicht“, sagt Franz, „das wird vorher nicht getestet.“ Zumindest die Bremsen funktionieren jedoch, versichern die beiden. Die Katze im Sack zu kaufen, gehört bei einer solchen Versteigerung nun mal dazu.
Nach dem Startgebot von 50 Euro lassen die Interessenten noch auf sich warten, als 40 Euro aufgerufen werden, kommt die erste Handmeldung. 102 Euro ist das letzte Gebot, das Quad geht an eine Bieterin. Ob Schnäppchen oder teurer Schrott, wird sich jetzt zeigen.
Von Michael Bellack