Drogenkarriere begann mit elf Jahren: Tankstellenräuber bricht Schweigen

Der Angeklagte Patrick B. berichtet im Prozess um Tankstellenüberfälle in Maintal Details aus seinem Leben.
Maintal – Dass der Angeklagte B. die ihm vorgeworfenen Tankstellenüberfälle im März 2021 begangen hat, gesteht er wie angekündigt über seinen Verteidiger Christian Heidrich ein. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft räumt B. laut Erklärung seines Verteidigers zu überwiegenden Teilen ein. Allerdings bestreitet der den versuchten Mord aus Habgier, den der Ankläger beim zweiten Überfall am 10. März 2021 sieht (wir berichteten). Entscheiden wird hierüber die Kammer am Landgericht Hanau in der Stadt Hanau unter Vorsitz des Landgerichtsvizepräsidenten Dr. Mirko Schulte. Denn für das Strafmaß ist die Frage nach dem versuchten Mord entscheidend. Am ersten Prozesstag hatte Patrick B. noch vorwiegend geschwiegen.
Maintal: Angeklagter wegen Raubüberfällen auf Tankstellen vor Gericht
Doch zurück zu B., der sich erstmals zu seinen Lebensumständen äußert – im vorherigen Prozess hatte er dazu keine Angaben gemacht. Nun liest er vor, was in seinem Leben schiefgelaufen ist. B. erzählt von einer schönen Kindheit, wie er sie sich „besser nicht habe vorstellen können.“ Seine Unaufmerksamkeit, Vergesslichkeit und Probleme in der Schule trüben diesen Einblick jedoch früh. Und schon mit elf greift B. seinen Angaben zufolge zum ersten Mal zu einem Joint – und legt damit den Grundstein für seine Drogenkarriere.
Zwischen 23 und 25 Jahren sei er „richtig abgestürzt – alles ist komplett außer Kontrolle geraten“. Kaum eine der bekannten Drogen wie Kokain, Heroin und Speed fehlt in seiner Auflistung von verbotenen Substanzen, die er im Laufe der Jahre hintereinander oder gleichzeitig nimmt. Die Aufzählung von Medikamenten und Mitteln, mit denen er versucht, seinen Körper und seinen Geist in den Griff zu bekommen, dürfte so manchem Apotheker oder Arzt die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Mit Medikamenten und deren Wirkung kennt er sich aus, glaubt B. Ärztlichen Rat sucht er kaum auf, abgebrochene Aufenthalte in Psychiatrien und gescheiterte Drogenentzüge belegen seine zweifelhafte Erfolgsgeschichte im Kampf gegen die Sucht. Eine fehlgeschlagene Eigentherapie, die in Banküberfällen mündet und B. wohl für lange Zeit hinter Gittern bringt.
Maintal: Zwei Tankstellen innerhalb von sechs Tagen überfallen
Im März 2021, als er innerhalb von sechs Tagen zwei Tankstellen in Maintal-Bischofsheim überfällt, greift er nach mehrwöchiger Enthaltsamkeit wieder zu Drogen. Diese kosten Geld, und das will sich B- kurzerhand besorgen. Mit einem Revolver marschiert er in die Tankstellen, schießt beim ersten Überfall in die Ecke, beim zweiten auf den Kassierer. Taten, die B. zugibt.
Viel Erinnerung hat er laut eigener Aussage aber nicht mehr daran. Nicht großartig überlegt habe er, als er den Entschluss für die Raubzüge fasste. Dass er ein Jahr zuvor bereits eine der Tankstellen überfallen hat und der Prozess zum Zeitpunkt der neuen Taten kurz bevor steht, spielt in seinen Überlegungen keine Rolle.
Prozess wegen Überfällen auf Tankstellen in Maintal: Angeklagter gesteht
Das wird ihm erst nach dem ersten Überfall im März klar. „Wütend auf sich selbst“ sei er da gewesen. Darauf, in was für Schwierigkeiten er sich gebracht hat. „Ich war mir sicher, dass ich verhaftet werde“, sagt er. Zu viel Weitblick führt die Erkenntnis aber nicht – sechs Tage später überfällt er die Shell-Tankstelle nur wenige hundert Meter vom ersten Tatort entfernt. Zuvor hatte ein Muttermal in dem Prozess um die Überfälle auf zwei Tankstellen in Maintal für eine Wendung gesorgt.
Die Abläufe der Überfälle sind auf den Aufnahmen der Videoüberwachung eindeutig zu sehen. Dass B.’s Erinnerungsvermögen dürftig ist, ist daher nicht allzu dramatisch. Die Kassiererin der Agip-Tankstelle, die von B. gleich zweimal überfallen wurde, muss nur kurz aussagen. Eine Erleichterung für die Zeugin, die weiterhin stark unter den Taten leidet und als Nebenklägerin auftritt. Die Bitte um Entschuldigung nimmt sie zu Kenntnis – mehr kann der Angeklagte wohl nicht erwarten. (Michael Bellack)