Einschläfern kommt nicht infrage: Hündin Dschutti nach tragischem Unfall schwer verletzt

Auf der A4 ist eine Familie auf dem Heimweg nach Maintal. Plötzlich kommt es zu einem Unfall, die Hunde rennen panisch aus dem Kofferraum. Einer der Hunde taucht erst nach Tagen wieder auf.
Maintal – Müde liegt Dschutti in ihrem Körbchen. Dicke Verbände sind um den linken Hinter- und Vorderlauf gewickelt, frische rote Narben ziehen sich über die rasierte Haut. Immer wieder hebt die Hündin kurz den Kopf, schaut mit großen braunen Augen in den Raum. „Es ist noch ein langer Weg. Aber sie ist bei uns, das ist das Allerwichtigste“, sagt Melanie Anwar und streichelt der Hündin über den Rücken.
Dass Dschutti noch lebt, grenzt an ein Wunder. Die Tragödie passiert am 30. Dezember: Melanie Anwars Sohn ist mit dem Auto auf dem Heimweg nach Maintal, als er auf der A4 bei Bad Hersfeld auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern gerät und in die Leitplanke kracht. Unter Schock öffnet er die Heckklappe, um nach den beiden Rhodesian Ridgebacks im Kofferraum zu sehen. Doch die Tiere springen aus dem Auto und rennen in Panik auf die Fahrbahn. Herr Schröder, der erst elf Monate alte Hund der Familie, wird von vier Autos überrollt und stirbt, Dschutti flüchtet und ist nicht auffindbar.
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Melanie Anwar und ihre Familie machen sich sofort auf den Weg zur Unfallstelle. Gemeinsam mit Tierschützern und vielen anderen Helfern durchkämmen sie Tag und Nacht den Wald rund um die Asbachtalbrücke, verteilen Flyer, verschütten literweise Suppe, um die Hündin anzulocken. Doch Dschutti bleibt spurlos verschwunden. „Ich wusste, sie ist da draußen und lebt. Ich habe es gespürt“, erzählt Melanie Anwar.
Und tatsächlich: Nach drei Tagen und drei Nächten kommt der erlösende Anruf: Ein Autofahrer, der im Stau steht, hatte die Hündin in der Mittelleitplanke entdeckt und die Polizei alarmiert. Die sperrt den Autobahnabschnitt in beide Richtungen. Schwer verletzt und traumatisiert versucht Dschutti noch Richtung Brückengeländer zu flüchten. Doch einem Feuerwehrmann gelingt es im letzten Moment, die Hündin zu bergen. „Sie war die ganze Zeit 40 Meter über uns. Und wir haben unter der Brücke mit ihrer Box auf sie gewartet“, sagt Melanie Anwar sichtlich ergriffen.

Nach Rettung: Dschutti ist schwer verletzt
Dschutti lebt, doch ihr Zustand ist kritisch: Die zweieinhalbjährige Hündin hat offene und mehrfache Trümmerbrüche an zwei Beinen, durch die riesigen Wunden hat sie viel Blut verloren. Nach drei Tagen ohne Fressen und Trinken droht außerdem der Kreislauf zu kollabieren. „Die Tierärztin hat uns bei der Erstversorgung gesagt, wir sollen Dschutti einschläfern lassen. Aber das kam für mich nicht infrage“, sagt Melanie Anwar. Auf eigene Faust bringt die Familie die Hündin in die Tierklinik nach Frankfurt-Kalbach. Viermal muss sie operiert werden. Der linke Hinterlauf ist besonders schlimm betroffen. Die Knochen sind zertrümmert, die Muskeln regelrecht zerfetzt. Weil die eingesetzten Metallplatten sich immer wieder verbiegen, wird ein externer Fixateur eingesetzt.
Mittlerweile ist Dschutti wieder zu Hause in Bischofsheim. Die Betreuung verlangt der Familie einiges ab. Damit sie ihr Geschäft verrichten kann, muss die Hündin in den Garten getragen werden. Alle zwei Tage fährt Melanie Anwar mit Dschutti zum Verbandswechsel in die Klinik. Das kostet Kraft – und viel Geld. Allein die Klinikkosten belaufen sich auf knapp 10 000 Euro, hinzu kommen die Kosten infolge des Unfalls. Die Familie hat deshalb auf der Plattform „Go fund me“ eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Mehr als 13 000 Euro sind bislang zusammengekommen. „Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist überwältigend. Wir sind unendlich dankbar für die Spenden und all die lieben Worte“, sagt Melanie Anwar.

Dschutti aus Maintal bei Hanau ist noch nicht über den Berg
Doch es gibt auch kritische Stimmen. So viel Geld für ein Tier, muss sie immer wieder hören. Die 45-Jährige kann das nicht verstehen. „Dschutti ist Teil unserer Familie. Wie könnte ich von einem Geldbetrag abhängig machen, ob ich sie leben oder sterben lasse.“ Sicherlich sei sie als Geschäftsführerin in der glücklichen Position, finanziell keine großen Sorgen zu haben. „Aber ich hätte mich immer so entschieden. Und wenn ich bis ans Lebensende einen Kredit abbezahlt hätte.“
Wenn alles gut verheilt, muss Dschutti in ein paar Monaten ein letztes Mal auf den OP-Tisch, um die Platten entfernt zu bekommen. „Wir sind zuversichtlich, dass sie im Sommer wieder über die Wiese hüpfen kann“, sagt die 45-Jährige. Bis dahin heißt es hoffen. Insgesamt sei die Hündin deutlich wacher und zeige wieder mehr Lebensfreude. Doch die Sorgen bleiben. Aktuell bereitet das linke Vorderbein Sorgen: Aus einer Fleischwunde läuft Flüssigkeit, laut Tierarzt hat sich ausgerechnet über der Schraube der eingesetzten Platte eine Tasche gebildet. „Jetzt heißt es beten, dass sich der Knochen nicht infiziert“, sagt Frauchen Melanie Anwar. Dschutti sei noch lange nicht über den Berg. „Aber sie ist eine Kämpferin. Wenn sie es nicht schafft, wer dann.“ (Kristina Bräutigam)
Bei einem schweren Unfall in Hanau stirbt ein Motorradfahrer. Eine Autofahrerin aus Maintal übersah den jungen Mann.