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Eine eingeschworene Truppe in Bischofsheim

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Eine eingeschworene Truppe: Die Senioren spielen mittlerweile in ihrer 45. Freizeitsport-Saison – und auch die, die wie Klaus Maiwald (Mitte sitzend) gesundheitsbedingt nicht mehr können, kommen gern zum Zuschauen.
Eine eingeschworene Truppe: Die Senioren spielen mittlerweile in ihrer 45. Freizeitsport-Saison – und auch die, die wie Klaus Maiwald (Mitte sitzend) gesundheitsbedingt nicht mehr können, kommen gern zum Zuschauen. © -

Maintal – Für Männer, die 45 Jahre nahezu jeden Sonntagvormittag beim Tischtennis-Spiel in der Bischofsheimer Turnhalle verbringen, hatte das monatelange Sportverbot ganz unerwartete Nebenwirkungen. „Meine Frau war völlig verwirrt, als ich wochenlang sonntags immer zuhause gewesen bin. Das kannte sie ja überhaupt nicht. Das hat den gesamten Rhythmus durcheinandergebracht“, berichtet der 73-jährige Horst Kiolbassa und schmunzelt.

Zum Glück sind die Zeiten des Lockdowns vorbei, an den grünen Tischen beim „Tischtennis-Club Alt-Bischofsheim“ dürfen wieder die TT-Schläger ausgepackt werden. Und im Hause Kiolbassa ist wie bei seinen Mitspielern am Sonntagvormittag wieder das über Jahrzehnte gewohnte Leben eingekehrt.

Der Termin ist den Herren heilig

Dieser Termin ist den älteren Herren heilig. Ihr sonntägliches Hobby pflegen die in die Ära der grau-silber-weißen Haarfärbung vorgedrungenen Tischtennis-Enthusiasten inzwischen in ihrer nunmehr 45. Freizeitsport-Saison. Beim Tischtennis sind sie im Gleichklang älter geworden, von Männern im besten Alter zu Senioren mutiert. Sei´s drum. Nichts kann sie aufhalten, wenn die Halle offen sein darf.

Je nach Urlaubszeit und Krankenstand erscheinen manchmal nur ein halbes Dutzend, manchmal sogar doppelt so viele, dass sogar drei Platten und womöglich noch die Ballmaschine benötigt werden. Ob Eiseskälte, sommerliche Hitze, Herbststurm oder Frühlingsgefühl, wer sonntags am Vormittag an die Halle der Turnerschaft Alt-Bischofsheim vorbeikommt, wird garantiert den Singsang der kleinen, weißen Bälle vernehmen. Drei Stunden lang wird geschmettert, der Topspin versucht, geblockt, geschnippelt, gelacht und auch mal geflucht – und anschließend gemeinsam ein Bierchen getrunken.

Aus einer Schnapsidee entstanden

Entstanden sei diese außergewöhnliche Runde buchstäblich aus einer Schnapsidee, blickt der 72-jährige Gerold Euler auf die Anfänge zurück. Sein Bruder war damals Stammgast im Vereinslokal und Kellner Dieter Müller, ein begeisterter TT-Spieler im Verein, kam immer wieder mit dieser Idee um die Ecke: Jeden Sonntag den ganzen Vormittag über stehe die große Sporthalle dort hinter der Thekenwand vollkommen leer und könnte mit Leben erfüllt werden. „Versucht es doch mal, kleppert mal ein bisschen!“, hat er gesagt. Irgendwann hatte der Kellner Erfolg. Eines Sonntags im Spätsommer 1976 wurden ein paar abgespielte Schläger in die Hand genommen, ein grüner Tisch mit wackligem Netz aufgestellt und eine Tischtennis-Runde geboren, die bis heute hält und in fünf Jahren so etwas wie „Goldene Hochzeit“ feiern könnte. Plastik-Bälle, wie sie inzwischen überall im Liga-Spielbetrieb verpflichtend sind, werden hier bis heute verschmäht. Die Oldies halten auf Tradition und an ihren Bällen aus Zelluloid fest.

Von den fünf Gründungsmitgliedern ist nur noch Gerold Euler übrig. „Keiner von uns hatte ja am Anfang so richtig Ahnung vom Tischtennis“, erinnert er sich. Mittlerweile in Rente, ist der Mitbegründer so etwas wie der Kopf der außergewöhnlichen Truppe. Schnell waren nach den allerersten Trainingseinheiten damals weitere Hobbyspieler dazu gestoßen.

Seit 1977 haben sie eine eigene Satzung

Schon wenige Monate nach dem Start waren die Freizeit- und Hobbyspieler so sehr vom TT-Virus infiziert, dass sie sich im Frühjahr 1977 eine eigene Satzung gaben, den „Tischtennis-Club Alt-Bischofsheim“ als eigenen Verein aus der Taufe hoben, ihn organisatorisch unter dem Dach des örtlichen Sportvereins ansiedelten und der „Turnerschaft Bischofsheim“ auf diese Weise völlig überraschend neue Mitglieder bescherten.

„Wer laufen kann, der kommt gern“, skizziert der 80-jährige Reinhard Krumbein das Credo der Runde. „Andere schlafen sonntags lieber aus und legen die Füße hoch. Wieder andere joggen oder walken oder gehen zum Frühschoppen, wir finden uns hier zum Tischtennis ein und nutzen den Vormittag eben auf unsere Weise.“

Ein Schlüssel für den Langzeiterfolg ist die gemütlich-heitere Art und Weise, mit der die Oldies aus Bischofsheim, Wachenbuchen, Kesselstadt und Mühlheim zum Schläger greifen und ihre Matches bestreiten. Verbissene Duelle wie allzu oft im Punktspielbetrieb gibt es hier nicht. Im Vordergrund stehen die Freude an jedem gelungenen Schlag und jedem attraktiven Ballwechsel sowie der gemeinsame Spaß an Sport und Spiel.

Auch Ausflüge mit den Ehefrauen stehen auf dem Programm

Manch Altvorderer wie Klaus Maiwald kann gesundheitsbedingt nicht mehr aktiv mitwirken, kommt aber aus alter Verbundenheit regelmäßig als Zuschauer vorbei. Immer wieder ist es den Sonntags-Spielern gelungen, „Nachwuchs im fortgeschrittenen Alter“ mit dem passendem sportlichen Niveau zu finden und somit diese spezielle TT-Runde am Leben zu erhalten.

Neben dem Sportlichen standen immer auch Ausflüge mit den Ehefrauen und andere gesellige Veranstaltungen auf dem Programm.

Ein Bierchen gibt‘s danach

Nach dem sportlichen Treiben am Sonntag werden Tische, Netze und Banden ordnungsgemäß verstaut. Nach der Dusche versammeln sich die Senioren noch für ein Stündchen nebenan in der Gaststube bei Peter, dem Wirt des Vereinslokals – bei schönem Wetter gern auch draußen am angestammten Tisch im Biergarten.

Dann sitzen die TT-Oldies beieinander, schwätzen und babbeln, erinnern sich an Vergangenes und planen Künftiges wie die Feier eines runden Geburtstages, das nächste Gartenfest oder die obligatorische Weihnachtsfeier. (Andreas Müller)

Schmettern, blocken und schnippeln: Drei Stunden lang geht es in der Sporthalle immer sonntags hoch her.
Schmettern, blocken und schnippeln: Drei Stunden lang geht es in der Sporthalle immer sonntags hoch her. © -
Sport verbindet: Dass hier nicht nur gespielt, sondern auch gelacht wird, versteht sich von selbst.
Sport verbindet: Dass hier nicht nur gespielt, sondern auch gelacht wird, versteht sich von selbst. © patrick scheiber

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