Jahresbericht der Maintaler Integrationsbeauftragten: Die Herausforderungen wachsen

Standorte für weitere Unterkünfte zur Unterbringung von Geflüchteten zu finden, ist für Maintal – wie für viele Kommunen – eine große Herausforderung. Doch allein ein Dach über dem Kopf ist noch kein Garant dafür, dass Menschen, die aus anderen Ländern nach Maintal kommen, hier gut ankommen, sich integrieren und zuhause fühlen. Dazu gehört mehr. Zum Beispiel der Erwerb der deutschen Sprache und Kontakt zu Maintalerinnen und Maintalern.
Maintal - „Das ist, was sich Geflüchtete am dringlichsten wünschen: Deutsch lernen und Deutsche kennenlernen“, weiß Verena Strub. Sie ist seit 2017 die Integrationsbeauftragte der Stadt – ein Job, der nicht einfacher geworden ist, seitdem sie angefangen hat. Im Gegenteil.
Allein die schiere Zahl der Menschen, die seit Beginn des Ukrainekriegs vor einem Jahr nach Maintal gekommen sind, bringt diejenigen, die hier Angebote zur Integration machen, an ihre Grenzen. Das sind neben der städtischen Integrationsbeauftragten hauptsächlich der Maintaler Arbeitskreis Asyl, aber auch der Fachdienst Asyl, das Stadtteilzentrum und die Freiwilligenagentur.
Zuzugszahlen in Maintal nehmen zu
„Der Zuzug hat im vergangenen Jahr noch einmal deutlich zugenommen, nicht nur aus der Ukraine, auch aus Drittstaaten“, erklärt Verena Strub. Ihre erste Aufgabe, als sie die Stabsstelle 2017 antrat: ein Handlungs- und Maßnahmenkonzept zur Integration zu entwickeln. Daraus entstanden ist das Programm „Gelebte Integration in Maintal“, das 2019 verabschiedet worden ist und bis heute Arbeitsgrundlage und Leitlinie für Verena Strub bildet.
„Es ist ein sehr dynamisches Arbeitsfeld“, erklärt Strub. Vor allem die Pandemie habe den Schwerpunkt auf Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche noch einmal verstärkt. Aber an sich hätten die sechs Themenfelder, die das Grundlagenprogramm identifiziert, nach wie vor Bestand: Sprache und Bildung, Angebote für Kinder und Jugendliche, Arbeiten, Seniorenarbeit, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Dialog.
„Es gibt zu wenig Deutschkurse“
„Vor allem Deutschkurse sind ein riesiges Thema“, sagte Verena Strub. Der Spracherwerb gilt nämlich als Schlüssel zur Integration. „Es gibt einfach zu wenige.“ Ein Problem ist das fehlende Angebot. Ein zweites, dass die Ausgangsvoraussetzungen der Menschen, die hier Deutsch lernen wollen, mittlerweile unterschiedlicher kaum sein könnten. „Das Feld geht sehr weit auseinander“, beschreibt Strub die Herausforderung.
Vor allem Geflüchtete aus der Ukraine wollten am liebsten acht Stunden pro Tag Deutsch lernen, um hier möglichst schnell Arbeit zu finden und Fuß fassen zu können. Andere müssten sich mühsam wenige Stunden in der Woche freischaufeln und seien kaum alphabetisiert. „Diese Bandbreite abzudecken, ist eine große Herausforderung’“, sagt Strub. Zumal die Finanzierung gesichert sein muss.
Sponsoren für Ferienkurse gesucht
Ein Vorzeigebeispiel, wie verschiedene Akteure ein genau auf die Zielgruppe zugeschnittenes Angebot machen können, ist der Deutschkurs mit Kinderbetreuung, den die Stadt gemeinsam mit der Volkshochschule der Bildungspartner Main-Kinzig und dem Arbeitskreis Asyl anbietet. Finanziert wird der Kurs durch das Landesprogramm „MitSprache Deutsch 4U“. Erfolgreich sei auch der Ferien-Deutschkurs gewesen, den die Integrationsbeauftragte mit dem Arbeitskreis Asyl organisiert hat. „Rund 2 400 Euro kostet ein solcher Kurs“, sucht Verena Strub Sponsoren für weitere Deutschkurse für Schulkinder in den Ferien.
Ein neues Angebot der Integrationsbeauftragten ist die „Integreat-App“, die Maintal Ende des vergangenen Jahres gelauncht hat. „Geflüchtete, die hier ankommen, haben einfach sehr viele Fragen. Die Antworten, die die App ihnen bietet, sollen ihnen die ersten Schritte hier erleichtern“, erläutert Strub. Die App bietet daher Navigationshilfe durch den deutschen Behördendschungel und hilft mit den wichtigsten Kontaktstellen aus. Entscheidend ist dabei: Die Inhalte sind nicht nur in insgesamt zehn Sprachen verfügbar, sondern auch leicht verständlich.
Unternehmen und Geflüchtete in Maintal zusammenbringen
Aus aktuellem Anlass neu aufgreifen will die Integrationsbeauftragte das Projekt „Unternehmen treffen Geflüchtete“. „Wir wollen gute Beispiele dafür zeigen, dass es sich lohnt, hier noch einmal eine Ausbildung zu beginnen“, erklärt Strub. Die oft schwierige Anerkennung von Abschlüssen aus anderen Ländern erschwere vielen Geflüchteten die Arbeitssuche. Doch der direkte Kontakt zu Unternehmen helfe beiden Seiten: Geflüchteten auf Arbeitssuche und Betrieben auf Fachkräftesuche.
Zusätzlich zu diesen regelmäßigen Angeboten plant die Integrationsbeauftragte auch in diesem Jahr wieder einige große Veranstaltungen, die Gelegenheiten für Begegnungen schaffen sollen. Allen voran das kulinarische Fest „Bischofsheim is(s)t bunt“, das sich in den vergangenen Jahren pandemiebedingt von einer langen Tafel in der Bischofsheimer Rhönstraße zu einem interkulturellen Spaziergang durch den Stadtteil gewandelt hat. In diesem Jahr soll es endlich wieder eine zentrale Veranstaltung geben. „Im Herzen von Bischofsheim, rund um den Marktplatz“, kündigt Strub an.
„Kontakte aufzubauen, braucht Zeit“
Ebenso beliebt ist die neue Veranstaltungsreihe „Kochen wie in...“, die Strub gemeinsam mit dem Stadtteilzentrum in Bischofsheim anbietet. Die kulinarische Weltreise habe sehr viele Teilnehmende zum gemeinsamen Kochen und Essen zusammengebracht.
„Kontakte aufzubauen, braucht Zeit und Geduld“, erklärt Strub, warum gerade diese informellen Treffen so wertvoll sind. Viele Menschen, die neu hier ankommen, blieben nämlich oft notgedrungen in ihrer „Community“. „Der direkte Dialog war während der Pandemie sehr schwierig. Hier wollen wir den Motor dieses Jahr wieder anwerfen“, gibt Strub einen Ausblick auf das, was sie 2023 in Maintal geplant hat.
Maintaler Stadtverwaltung stärkt Engagement für Vielfalt
Auch intern in der Stadtverwaltung will sie stärkere Zeichen für Vielfalt und Toleranz setzen. Dazu soll beispielsweise der von der Charta der Vielfalt, zu deren Unterzeichnern Maintal zählt, initiierte „Diversity Tag“ zu einem ganzen Monat ausgebaut werden. „Wir wollen gute Beispiele zeigen, wie Vielfalt und Gleichstellung gelingen. Etwa den Equal Pay im spanischen Fußball“, erklärt Strub. Zum Hintergrund: Der spanische Fußballverband hatte im Sommer 2022 entschieden, Frauen und Männern in den Nationalteams gleich zu bezahlen.
Ein Thema, das sich Strub neu auf die Agenda gesetzt hat, ist interkulturelle Seniorenarbeit. „Dazu findet man aber bislang eher wenig“, erklärt sie das Arbeitsfeld, das auch in Maintal noch in den Kinderschuhen steckt. Strub sieht hier großes Potenzial. Immerhin würde die Gesellschaft immer älter, ganz unabhängig von Herkunft und Nationalität. Selbstläufer seien hingegen die Kurse, die sie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Maintaler Jugendzentren anbietet. „Themen wie Rassismus und Diskriminierung sind dort alltäglich“, erklärt Verena Strub. Und auch die Maintaler Kindertagespflegepersonen seien in einem eigenen Kurs unter dem Titel „Rot, Grün, Blau, Hautfarbe“ für diskriminierungsfreie Erziehung sensibilisiert worden.
Von Bettina Merkelbach