Landwirt will zwischen Wachenbuchen und Mittelbuchen bald 8000 Legehennen halten

Die weitläufigen Wiesen und Felder zwischen Wachenbuchen und dem Hanauer Stadtteil Mittelbuchen sind ein beliebtes Ziel für Reiter und Spaziergänger. So mancher wunderte sich deshalb in den vergangenen Wochen über einen kilometerlangen Zaun, der seit Anfang Mai eine mehrere Hektar große Wiese an der Landstraße 3195 abgrenzt. Schilder, die den Zweck der Einzäunung erklären, gibt es nicht.
Maintal – Hobbyreiterin Anne H. (Name von der Redaktion geändert) wundert sich ebenfalls, als sie am 10. Mai plötzlich vor dem Zaun stoppen muss. Und sie macht eine grausame Entdeckung: In dem Zaun hat sich ein Rehbock verfangen. Mit dem Kopf steckt das Tier fest, versucht vergeblich, sein Gehörn aus den Maschen zu ziehen. „Es war wirklich furchtbar, wie er gezappelt hat“, schildert sie unserer Redaktion am Telefon.
Im Galopp reitet Anne H. los, um Hilfe zu holen. Ohne Erfolg. Als sie nach 45 Minuten zurückkehrt, ist es bereits zu spät. Der Rehbock ist in der Hitze verendet. „Diese Bilder werde ich so schnell nicht aus dem Kopf bekommen“, sagt Anne H. In die die Trauer mischen sich Wut und Unverständnis. „Die Tiere sehen den Zaun nicht und müssen qualvoll sterben. Wieso darf jemand an dieser Stelle – mitten in der Natur – überhaupt einen Zaun errichten“, fragt die Hanauerin.
Wie unsere Zeitung erfährt, will Martin Hanstein, Inhaber des Hofgutes Hanstein aus Wachenbuchen, auf der Wiese Hühner halten. 8000 Legehennen sollen künftig auf dem 14 Hektar großen Gelände leben. Die 150 Zentimeter hohen Zäune seien notwendig, um Raubtiere fernzuhalten und die Hühner zu schützen, erklärt Hanstein. Da Waschbären und Füchse den Zaun hochklettern, werde er noch mit Elektrolitzen versehen. Dass der Rehbock in dem Zaun zu Tode gekommen ist, bedauert Martin Hanstein. „Das tut mir wirklich sehr, sehr leid. Aber es war ein wirklich ein unglücklicher Einzelfall.“ Da der Bock am helllichten Tag in den Zaun gerannt sei, müsse er von einem Hund oder Auto aufgescheucht worden sein, glaubt Hanstein, der den toten Bock nur mit einem Helfer aus dem Zaun bergen kann. Seit dem Vorfall schaue er regelmäßig nach dem Rechten. Weitere Unfälle habe es seitdem nicht gegeben, betont er.
Auch der Main-Kinzig-Kreis hat hinsichtlich des Zaunes keine Bedenken. Die Bauaufsicht hatte die Baugenehmigung im Einvernehmen mit den zuständigen Fachbehörden sowie der Stadt Maintal erteilt. „Nach den Erfahrungen des Amts für Umwelt, Naturschutz und ländlicher Raum tritt in der Regel bei Wildtieren sehr schnell ein Gewöhnungseffekt auf und die Tiere registrieren, wo ein solches Hindernis steht und umlaufen es. Deswegen werden an landwirtschaftlichen Zaunanlagen meist auch keine besonderen Maßnahmen für Wildtiere getroffen.“
Georg Spielberger, Teamvorstand des Nabu Maintal, kritisiert weniger den Zaun. Er sieht in der Haltung von 8000 Legehennen das größere Problem: Denn die vergleichsweise tierfreundliche Freilandhaltung kann zu umweltschädlicher Überdüngung führen. Schuld ist der Kot der Tiere, welcher Stickstoff- und Phosphorverbindungen enthält. Sind die Nährstoffmengen höher, als die Pflanzen aufnehmen können, gelangt der überschüssige Stickstoff in Form von Nitrat ins Grundwasser. „Da daraus Trinkwasser gewonnen wird, kann diese Nitratbelastung Gesundheitsrisiken verursachen“, sagt Spielberger.
Laut Martin Hanstein sind die Sorgen unbegründet. Statt der vorgeschriebenen acht Hektar Fläche für 8000 Legehennen biete er seinen Hennen mit 14 Hektar fast eine doppelt so große Fläche an. „Aufgrund der hohen Flächenausstattung wird die Nitratbelastung nicht das Problem sein“, so der Wachenbucher. Zudem biete das regelmäßige Versetzen der 30 Meter langen und zwölf Meter breiten Mobilställe den Vorteil, die Nitratbelastung deutlich reduzieren zu können. „Sobald das Gras an einer Stelle braun wird, ziehen wir den Stall an eine andere Stelle und säen neu ein“, erklärt Hanstein. Er betont auch: Vorher sei die Fläche Ackerland gewesen, das intensiv bewirtschaftet und gedüngt wurde. Für seine frei laufenden Hühner habe er Futterchicorée, Rot- und Weißklee, Spitzwegerich und jede Menge anderer Kräuter und Gräser gesät. „Das wird ein blühendes Eldorado, in dem auch Bodenbrüter einen geschützten Raum finden“, so Hanstein. Zwar handele es sich um eine konventionelle Hühnerhaltung. „Aber eigentlich ist das mehr als bio, wenn man die Haltungsbedingungen ansieht.“
7000 Eier werden die Hennen in vier Altersgruppe pro Tag produzieren. Für den Familienbetrieb, der zuletzt vor 20 Jahren eigene Hühner gehalten hatte, eine echte Herausforderung. „Wir freuen uns auf dieses Projekt. Alle sprechen über Tierwohl, wollen regional einkaufen. Ich denke, dass wir Zuspruch bekommen.“ Die ersten Junghennen sind bereits angekommen und sollen sich in Ruhe an die neue Umgebung gewöhnen. Am Wochenende ziehen sie auf die Wiese um. Ende nächster Woche sollen dann auch die Zaunbanner angebracht werden und für Aufklärung sorgen.
Von Kristina Bräutigam