Maintal hebt Kopftuchverbot für städtische Angestellte auf

Die Stadt Maintal hebt ihre Dienstanweisung, die städtischen Angestellten das Tragen religiöser und weltanschaulicher Symbole im Kundenkontakt bislang untersagt hat, auf.
Maintal - Damit macht sie unter anderem den Weg frei für Erzieherinnen, die ein Kopftuch tragen und bislang keine Chance auf eine Einstellung in einer städtischen Kindertagesstätte hatten. Das sogenannte Neutralitätsgebot stammt aus dem Jahr 2012 und damit der Amtszeit von Bürgermeister Erhard Rohrbach (CDU). Die Regelung wurde unter Bürgermeisterin Monika Böttcher (parteilos) dahingehend gelockert, dass sie nicht mehr alle städtischen Mitarbeitenden betraf, sondern nur solche, die in direktem Kundenkontakt stehen. Die Dienstanweisung basierte auf Paragraf 45 des Hessischen Beamtengesetzes, der Beamtinnen und Beamte dazu auffordert, „sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten“. Dies bezog die Stadt insbesondere auf „Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale (…), die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden“.
Dennoch hielt sich gegenüber dem Magistrat hartnäckig der Vorwurf, die Regelung ziele allein auf das Verbot von Kopftüchern, das vor allem bei Erzieherinnen immer mal wieder Thema war. So rief beispielsweise Hoda Raho 2018 eine Online-Petition gegen die Regelung ins Leben, weil sie die Dienstanweisung als Diskriminierung empfand.
Stadt Maintal im Rechtsstreit mit kopftuchtragender Erzieherin
Es handele sich aber eben nicht um ein Kopftuchverbot, erklärte Bürgermeisterin Böttcher in diesem Zusammenhang immer wieder. Trotzdem führte die Dienstanweisung ganz konkret im Fall einer Erzieherin, die sich 2019 auf eine freie Stelle beworben hatte, dazu, dass sie trotz passender Qualifikation abgelehnt wurde, weil sie sich weigerte, ihr Kopftuch bei der Arbeit abzulegen. Seitdem befand sich die Stadt mit der Maintaler Sozialpädagogin im Rechtsstreit, der in Kürze in dritter Instanz hätte verhandelt werden sollen.
Der Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht kommt die Stadt jetzt mit der Aufhebung zuvor. Dass die Stadt die Dienstanweisung jetzt kassiert, liegt daran, dass sie laut Bürgermeisterin Böttcher „klare Signale“ seitens Bundesarbeitsgericht erhalten habe, dass das Verfahren nicht wie vom Magistrat angestrebt an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet würde. Das Bundesarbeitsgericht habe in letzter Zeit immer pro Religionsfreiheit geurteilt, erklärte die Bürgermeisterin jüngst bei der Jahrespressekonferenz. Aus diesem Grund habe die Stadt die Revision zurückgezogen und die Dienstanweisung aufgehoben.
Landesarbeitsgericht sieht „mittelbare Diskriminierung“
Das Arbeitsgericht in Offenbach hatte der Klage in erster Instanz teilweise stattgegeben und es als erwiesen angesehen, dass die Neutralität einer städtischen Kita nicht durch das Tragen eines Kopftuchs beeinträchtigt wird. In seiner Urteilsbegründung erklärt das Arbeitsgericht, dass die Dienstanweisung eine nur scheinbar neutrale Verpflichtung für alle darstelle. Tatsächlich aber benachteilige sie Menschen muslimischen Glaubens und Frauen in besonderer Weise. Gegen das Urteil hatte die Stadt Berufung eingelegt, die das Landesarbeitsgericht jedoch zurückgewiesen hat.
Auch das Landesarbeitsgericht sah in dem in Maintal praktizierten Neutralitätsgebot eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion. Das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gelte auch für Erzieherinnen. Allein vom Tragen eines Kopftuchs gehe noch keine Gefahr für die Neutralität einer Einrichtung aus, lautete die Begründung. Daraufhin ging die Stadt in Revision, um den Fall laut Bürgermeisterin Böttcher „durchurteilen zu lassen“ und das bestehende „Rechtsvakuum“ auszuräumen.
Anwältin der Erzieherin sieht großen Erfolg
Anwältin Friederike Boll, die die Maintalerin gegen die Stadt vertritt, wertet den Schritt als großen Erfolg. „Wir haben über alle Instanzen Recht behalten“, sagt die Frankfurter Rechtsanwältin, die sich auf Antidiskriminierungsrecht spezialisiert hat und damit gerechnet hatte, die Interessen ihrer Mandantin vor dem Bundesarbeitsgericht durchsetzen zu können. „Dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts jetzt rechtskräftig ist, zeigt einmal mehr, dass in Deutschland Menschen unterschiedlicher Fasson Zugang zum öffentlichen Dienst haben müssen“, so Boll.
Von Bettina Merkelbach