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Maintals Revierförster über Kritik an der Holzernte

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„Die riesigen Eichen sind beeindruckend“: Der Rhöner Marko Richter ist der neue Revierförster in Maintal und auch für die Kommunalwälder in der Region zuständig.
Im Interview spricht Maintals Förster Marko Richter über den Holzeinschlag, kritische Bürger und die Aufgabe, einen klimastabilen Wald zu planen. © KRISTINA BRÄUTIGAM

Seit gut einem Jahr ist Marko Richter als Revierförster für den Maintaler Stadtwald zuständig. Wir haben mit dem Forstingenieur über den Holzeinschlag im Stadtwald, kritische Bürger und die Aufgabe, einen klimastabilen Wald zu planen, gesprochen.

Herr Richter, im März 2022 haben Sie den Maintaler Stadtwald von Ihrem Vorgänger Heiner Koch übernommen. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Mir war von Anfang an klar, dass Maintal eine Herausforderung darstellt. Mein Vorgänger hat mich gewarnt (lacht). In einem stadtnahen Wald gibt es einfach sehr viele unterschiedliche Erwartungen: Auf der einen Seite gibt es die Bürger, die sich saubere Wege und Ruhe wünschen. Auf der anderen Seite stehe ich als Förster, der klare Vorgaben hat, etwa was die Verkehrssicherungspflicht angeht. Und dann haben wir noch das Problem, dass der Wald abstirbt. Eine Lösung zu finden, die allen Seiten gerecht wird, gelingt da nicht immer.

Vor allem der Holzeinschlag sorgt immer öfter für Kritik. Für viele Bürger passen die Mengen Holz, die seit Ende Oktober am Wegesrand lagern, nicht mit einem absterbenden Wald zusammen. Bekommen Sie die Kritik zu hören?

Es gab Bürger, die mich direkt angesprochen haben, andere haben sich per Mail beschwert. Mit einigen kann man reden, andere sind unbelehrbar. Die Menschen wünschen sich einen Wald, in dem jahrzehntealte Bäume dicht an dicht stehen. Doch diesen Wald kann es nicht geben. Für ein gesundes Wachstum brauchen die Bäume Platz. Allein eine Eiche benötigt rund 150 Quadratmeter Wuchsraum. Das bedeutet, dass hochgerechnet auf einem Hektar Fläche rund 67 Eichen zu dicken Bäume heranwachsen können.

Ohne Baumfällungen würden nur die stärksten Bäume überleben und alle Bäume durch den kontinuierlichen Überlebenskampf geschwächt. Der Holzeinschlag ist ein wichtiger Beitrag für eine gesunde Entwicklung des Waldes ist. Hinzu kommen Bäume, die von Schädlingen befallen sind, und Bäume, die die Verkehrssicherungspflicht gefährden, und deshalb gefällt werden müssen. Der Maintaler Stadtwald ist eine Kulturlandschaft, keine Naturlandschaft. Würden wir den Wald aus der Bewirtschaftung rausnehmen, müssten wir ihn für die Bevölkerung sperren. Das will auch niemand.

Den Förstern wird seit Jahren vorgeworfen, zu wenig ökologisch und zu sehr ökonomisch zu denken. Fühlen Sie sich manchmal zu Unrecht an den Pranger gestellt?

Für mich ist der Wald der schönste Arbeitsplatz, den ich mir vorstellen kann. Ich sehe es als Beruf und Berufung zugleich. Die Kritik von uneinsichtigen Laien belastet mich da schon mental. Dass der Holzeinschlag rein aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, ist völliger Unsinn. Alle zehn Jahre gibt es eine komplette Inventur des Holzvorrats auf der gesamten Fläche, die ermittelten Daten sind wiederum Grundlage für die jährliche Hiebs- und Pflegeplanung. Denkt die Gesellschaft wirklich, dass wir Förster unseren eigenen Arbeitsplatz kaputt machen würden?

Es gab zuletzt Jahre, da hat der Holzverkauf nicht einmal die Kosten für Einschlag und Rückung gedeckt. Außerdem bleiben wir deutlich unter der Einschlagsmenge, die im Forstwirtschaftsplan festgeschrieben ist. Nehmen wir den Maintaler Stadtwald: Der durchschnittliche Holzzuwachs beträgt rund sieben Festmeter pro Jahr und Hektar. Auf den rund 600 Hektar Maintaler Wald wachsen somit jährlich rund 4000 Festmeter Holz zu. Geerntet werden nur rund 2500 bis maximal 3000 Festmeter. Verglichen mit ländlichen Regionen ist der Einschlag wirklich gering. Und trotzdem gibt es permanent Kritik. Die Bürger sehen nur die riesigen Holzpolter am Weg, aber der Bezug zur Fläche fehlt.

Die Nachfrage nach Brennholz war und ist sehr hoch, die Preise sind im Winter deutlich gestiegen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich mit Holz derzeit gutes Geld verdienen lässt.

Das ist richtig. Im Gegenzug sind allerdings auch die Unternehmer- beziehungsweise Lohnkosten um über 15 Prozent gestiegen, daher relativiert sich der höhere Holzpreis schnell. Und ein Großteil des Gewinns wird direkt in die Zukunft des Waldes reinvestiert. Die Einnahmen aus dem Holzverkauf finanzieren sowohl Pflanzung als auch die Pflege von Wegen und Bäumen, Zäune und die erforderlichen Verkehrssicherungsmaßnahmen. Einen Hektar Eichenkultur mit 7000 jungen Eichen anzulegen, kostet zum Beispiel 25 000 Euro. Dabei wachsen nicht alle Bäume zu einer stattlichen Eiche heran. Von mehreren tausend Eichen bleiben am Ende rund 70 übrig.

Oder nehmen Sie den Fällkran, den wir anmieten mussten. Fünf Tage haben rund 20 000 Euro gekostet. Am Ende bleibt die Bewirtschaftung des Maintaler Stadtwalds immer defizitär. Aber ich als Revierförster möchte zumindest die schwarze Null erreichen. Und man darf auch nicht vergessen: Der Wald ist ein Wirtschaftsfaktor. Er sichert Arbeitsplätze. In Deutschland sind im Bereich Forst und Wald 1,3 Millionen Menschen beschäftigt, die einen Jahresumsatz von etwa 181 Milliarden Euro erwirtschaften. Sägewerke brauchen Holz, genau wie die Kunden. Auch die will ich bedienen.

Erst am Wochenende hatte die Meldung auf Facebook für Kritik gesorgt, dass die Frist zur Aufarbeitung des Brennholzes bis zum 30. April verlängert wurde. Viele Bürger sehen die Brut- und Setzzeit außer Kraft gesetzt.

Gesetzlich gelten die Brut- und Setzzeiten nicht im Wald. Wir könnten theoretisch das ganze Jahr über Holz machen. In diesem Jahr hat sich der Holzeinschlag durch das Regenwetter extrem verspätet. In Bruchköbel mussten wir beispielsweise den Einschlag zwei Tage stoppen, sonst hätten wir die Wege zu sehr beschädigt und aufgewühlt. Außerdem waren viele Flächen aufgeweicht und quasi unpassierbar. Aber die Privatleute müssen ihr Holz abfahren. Also habe ich in Absprache mit der Stadt Maintal vereinbart, die Frist zur Aufarbeitung zu verlängern.

Hat der Regen der vergangenen Wochen auch sein Gutes? Die Bodenwasservorräte dürften sich doch erholt haben?

Der Regen hat dem Wald gut getan. Aber all der Regen hilft nicht, wenn es in den Sommermonaten monatelang keine Niederschläge gibt. Vor allem hier in Maintal, wo die Böden sehr sandig sind und das Wasser nicht speichern können, ist das fatal für die Bäume, die ohnehin schon unter Trockenstress leiden. Wir müssen abwarten. Ich bin gespannt, wo es jetzt im Frühling grün wird – oder wo sich zeigt, dass der Absterbeprozess deutlich fortschreitet.

Anhaltende Hitze und Trockenheit bleiben die größte Herausforderung für Sie als Revierförster. Wie wollen Sie den Maintaler Wald zukunftssicher machen?

Die Hauptaufgabe bleibt es, die älteren Bestände zu erhalten und mit klimaresilienten Laub- und Nadelbäumen wie Robinie, Douglasie, Eiche oder Esskastanie zu mischen. Je artenreicher und vielschichtiger ein Wald ist, desto besser sind seine Überlebenschancen. Nur wenn es uns gelingt, einen klimastabilen Wald aufzubauen, kann der Maintaler Stadtwald in Zukunft überleben.

Öffentlichkeitsarbeit ist Ihnen eine Herzensangelegenheit, haben Sie vor einem Jahr gesagt. Wie wollen Sie erreichen, dass die Bürger ihre Arbeit besser verstehen?

Wenn die Einschlagsaison vorbei ist, möchte ich mich wieder den Kindergärten und Schulen widmen. Ich halte es für sehr wichtig, die Kinder früh für das Ökosystem Wald zu begeistern und zu sensibilisieren, etwa durch Pflanzungen oder Waldtage. Mit Erwachsenen ist es schwieriger. Ich könnte mir vorstellen, mit zwei Kollegen eine Waldführung anzubieten unter dem Motto ‘Ein Jahr nach dem Einschlag’. Vielleicht kann man so den ein oder anderen Kritiker überzeugen.

Hand aufs Herz, beneiden Sie manchmal Ihre Kollegen auf dem Land?

Manchmal schon (lacht). Oder lassen Sie es mich so sagen: Ein Stadtwald ist eine Belastung und eine Bereicherung zugleich.

Das Gespräch führte Kristina Bräutigam

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