„Man muss Konflikte rechtzeitig erkennen“: Der Leiter des Maintalbads spricht über Aggressionen und Sicherheit

Die Bilder hatten Mitte Juni für einen Aufschrei gesorgt: In einem Berliner Freibad prügeln hundert überwiegend junge Männer aufeinander ein, selbst Polizisten und Sicherheitspersonal des Bades werden von der aufgebrachten Meute attackiert und teilweise verletzt.
Maintal - Auch Roland Allmansdörfer sieht die Videos der Massenschlägerei. Seit 2004 ist der Dörnigheimer Leiter des Maintalbads. Zur aktuellen Diskussion über mangelnde Sicherheit in Freibädern hat der 49-Jährige eine klare Meinung. „Was dort passiert ist, ist schlimm. Aber es bildet nicht die Situation in allen deutschen Freibädern ab.“ Besonders die Aussage von Peter Harzheim, Präsident des Bundesverbandes deutscher Schwimmmeister, man könne Familien mit Kindern nicht mehr guten Gewissens empfehlen, am Wochenende in Freibad zu gehen, ärgert Allmannsdörfer. „Das finde ich nicht okay. Man muss differenzieren. Bei uns kann man sich mit kleinen Kindern definitiv wohlfühlen.“
Trotzdem gilt auch für das Maintalbad: Je voller das Bad, desto eher kommt es zu Konflikten. „30 Grad ist für uns die magische Grenze. Dann wird es voll“, erzählt Allmannsdörfer. An Spitzentagen kommen zwischen 2000 und 2500 Menschen über den Tag verteilt ins Maintalbad. Dass sich die Auslastung trotzdem nie hundertprozentig absehen lässt, zeigt sich am 18. Juni. 35 Grad zeigt das Thermometer, vor der Kasse des Maintalbads bilden sich lange Schlangen. „Wir wurden unruhig, weil es immer voller wurde. Ich hatte kein gutes Gefühl mehr“, erzählt Allmannsdörfer. Kurz nach 15.30 Uhr zieht er die Reißleine und verhängt einen Einlass-Stopp – zum ersten Mal in der Geschichte des Maintalbads.
Um die teils aufgebrachten Badegäste kümmern sich die zwei Sicherheitskräfte. Seit fünf Jahren unterstützen sie den Schwimmbadleiter und sein Team an publikumsstarken Tagen, haben ein Auge auf Kassenbereich, Umkleide, Liegewiese und andere Bereiche, die die Wasseraufsichten nicht im Blick haben können. Die Sicherheitskräfte seien keine Klötze in schwarz, betont Allmannsdörfer. Das passe nicht zu seiner Vorstellung vom Maintalbad als Wohlfühlbad für die ganze Familie. Aufgabe der beiden Mitarbeiter sei es, das Gelände im Auge zu haben, zu schauen, wo die Stimmung aufgeheizt ist oder jemand die Regeln missachtet. Wann aus Frust eine Schlägerei wird, wisse man nie, so der Bad-Chef. „Das Entscheidende ist, Konflikte im Vorfeld zu erkennen und rechtzeitig runter zu kochen.“
Gründe, warum es zu Unruhe kommt, gebe es viele. Manchmal sind es Jugendgruppen, die aneinandergeraten, manchmal der einzelne Störer, der auf der Liegewiese die Musik zu laut aufdreht. Oder das Kind, das mit Wasser spritzt, während die älteren Badegäste lieber entspannt ihre Bahnen ziehen wollen. Das richtige Maß zu finden und den Bedürfnissen aller Badegäste gerecht zu werden, sei eine tägliche Gratwanderung, insbesondere, wenn das Bad proppenvoll ist. „Unsere Aufgabe ist es, die Gesamtsituation zu bewerten und danach zu entscheiden“. Gefährdet der Störer die anderen Badegäste und damit die Sicherheit? Verstößt er bewusst gegen die Regeln? Stört er massiv? Wer trotz Ansprache weiter provoziert, wird zunächst zum Schichtleiter zitiert. Bringt die persönliche Ansprache nichts, muss der Störenfried das Bad verlassen. Im schlimmsten Fall gibt es ein einwöchiges Haus-Verbot.
Dass Tumulte und Aggression in den vergangenen Jahren zugenommen haben, kann der 49-Jährige nicht bestätigen. Was ihm mehr Sorgen bereitet, sind Eltern, die ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen. Es komme regelmäßig vor, dass man gemeinsam mit dem Kind die Eltern suchen müsse. „Wenn wir sie finden, sitzen sie da und telefonieren. Oft haben sie nicht mal bemerkt, dass ihr Kind allein unterwegs war.“ Diese Sorglosigkeit ärgere ihn sehr, sagt Allmannsdörfer. „Dieses Denken, es wird schon einer für mich übernehmen, kann ich nicht nachvollziehen. Kinder können sehr schnell ertrinken. Und sie ertrinken lautlos.“
Hinzu komme, dass während der Pandemie weniger Kinder Schwimmen gelernt hätten. Insbesondere in Familien mit Migrationshintergrund gebe es viele Nichtschwimmer, so Allmannsdörfer. Einige Mitglieder könnten sich zwar mit dem sogenannten Hundekraulen über Wasser halten, überschätzten sich aber häufig. Die Kommunikation sei aufgrund der sprachlichen Barriere häufig ein Problem, egal ob es um das Erklären der Regeln oder das Aufmerksammachen auf eine Gefahrensituation geht. „Aber die Migranten führen nicht zu mehr Aggression oder Problemen im Bad.“
Ein Ausschluss bestimmter Personengruppen, wie er nach der Berliner Massenschlägerei diskutiert wurde, kommt für den Bad-Chef nicht infrage. „Wir sind ein öffentliches Bad und müssen alle gleichbehandeln. Nur weil es eine Gruppe von fünf jungen Männern mit Migrationshintergrund ist, können wir sie nicht ausschließen.“ Anders sei es, wenn ein Badegast offensichtlich unter Alkohol oder Drogeneinfluss steht, eine ansteckenden Krankheit oder Hautausschlag hat. Dann erlaubt es die Haus- und Badeordnung, den Zutritt zu verweigern.
Ob die nächsten heißen Sommertage ruhig bleiben, Roland Allmannsdörfer ist zuversichtlich. Die Frage sei immer, wann der Funke fliegt und aus einem Wortgefecht eine Handgreiflichkeit folgt. „Eine Garantie, dass nicht doch einmal was passiert, gibt es natürlich nie. Aber ich denke, bei uns im Maintalbad stehen die Chancen weitaus größer, eine entspannte Zeit zu haben.“
Von Kristina Bräutigam