Über sieben Jahre Haft: Mann gedemütigt und mit Handy gefilmt

Maintal/Schöneck/Hanau – Am Ende einer Urteilsverkündung werden Zahlen genannt. Die Paragrafen der Straftaten, die angewendet werden. Landgerichtsvizepräsident Dr. Mirko Schulte nennt an diesem Tag viele Paragrafen, fast scheint es so, als ob es die Hälfte des Strafgesetzbuches ist. Und es sind schwere Taten dabei: Vergewaltigung, Raub, sexuelle Nötigung, räuberische Erpressung, Körperverletzung.
Insgesamt sind es neun Taten, für die der erst 22 Jahre alte Maler- und Lackierer A. aus Schöneck von der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Hanau für schuldig befunden und verurteilt wird: Sieben Jahre und zwei Monate muss er ins Gefängnis, weil er zwei Männer massiv bedroht und finanziell ausgebeutet hat. Eines seiner Opfer hat er sogar sexuell gedemütigt.
Einen „ungewöhnlichen Fall“ nennt der Vorsitzende dieses Strafverfahren. Es sei erwiesen, dass der 22-Jährige einen gleichaltrigen, ehemaligen Berufsschulkameraden, sowie einen 25-Jährigen durch die Drohungen mit massiver Gewalt in eine „Schuldenknechtschaft“ gezwungen habe. Es sei eine „parasitäre Ausbeutungsmasche“ gewesen, so Schulte, der sich zusammen mit den weiteren vier Richtern einig ist: „Der Angeklagte muss gestoppt werden.“
Denn innerhalb einer kurzer Zeit im vergangenen Winter und Frühjahr habe die spirale der Drohungen und das „sadistische Quälen“ der Opfer zugenommen. Immer höhere Beträge wurden den Opfern abgepresst bis hin zu einem Schuldschein über die willkürliche Summe von 46 000 Euro.
„Es ist eskaliert“, sagt der Vorsitzende über die ekelhaften Verbrechen und Demütigungen, die vom Angeklagten auch noch auf Handy gefilmt worden sind. Doch die Aufnahmen führen dazu, den 22-Jährigen schließlich zu überführen. Dabei hilft auch „Kommissar Zufall“, denn die Ausbeutung ist nur ans Licht gekommen, weil das jüngere Opfer schließlich kein Geld mehr besitzt und sich an einen Bekannten wendet. Dieser wittert, was dahinter stecken könnte und alarmiert die Polizei.
Zuvor war es zwischen Dörnigheim und Bischofsheim bei einem Hinterhalt zu einem Raubüberfall auf den 25-Jährigen gekommen, bei dem der Angeklagte zwei iPhones sowie ein Laptop erbeutet hatte. Doch es steckt noch mehr dahinter, denn der Schönecker hat ganz offensichtlich auch dem organisierten Verbrechen in Frankfurt zugearbeitet.
Denn eine Masche war es, die Opfer zu zwingen, bei Online-Banken Konten zu eröffnen. Die Karte sowie die Zugangsnummern verkaufte A. an Hintermänner, die zur „Bankkarten-Mafia“ in der Mainmetropole zählen. Erschwerend kommt hinzu, dass der junge Schönecker bereits als Jugendlicher auffällig geworden ist, aber offensichtlich nie einen Riegel vorgeschoben bekommen hat.
Die Strafkammer sieht eine drastische Strafe diesmal als unausweichlich und folgt dem sehr ausgewogenen Plädoyer von Staatsanwalt Florian Hübner, der sieben Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe gefordert hatte. Bettina Bauch, die Vertreterin des 22-jährigen Opfers, schließt sich dem Staatsanwalt an. A.s Verteidiger Tobias Schmelz beantragt „unter sieben Jahre Haft“.
„Sie dürfen sich bei Ihrem Verteidiger bedanken“, bemerkt Schulte abschließend, zur Anklagebank gewandt. Denn nur durch ein umfassendes Geständnis von A., die Nennung von mutmaßlichen Komplizen, Reue und Entschuldigungen sowie eine zivilrechtlich vereinbarte Zahlung von 22 000 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich sei das Strafmaß noch in diesem Bereich ausgefallen. „Es hätte sonst deutlich zweistellig werden können“, so der Vorsitzende Richter.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Von Thorsten Becker