Mit allen Kräften gegen den Wildwuchs: Fachfirmen schneiden Bäume auf Maintaler Streuobstwiesen

Eisiger Wind weht über die Streuobstwiesen in Maintal-Hochstadt. Mascha Werth vom Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-Kreis (LPV) stapft über eine matschige Wiese, in ihrer Hand eine Karte mit rot eingekreisten Grundstücken. „Damit die Arbeiter wissen, wo sie hinmüssen“, sagt Werth und zieht sich die Mütze tiefer ins Gesicht.
Maintal – Seit vergangener Woche sind zwei Fachfirmen in dem weitläufigen Gebiet im Einsatz. Gestartet wurde mit den Entbuschungsmaßnahmen. Viele Flächen sind extrem zugewachsen, Sträucher wie Schlehe und Brombeere haben sich auf den offenen Wiesenflächen ausgebreitet. Der Schnitt der rund 300 Obstbäume hat am Montag begonnen, weitere 200 Obstbäume in Hochstadt-West und Bischofsheim-Nord stehen im Winter auf dem Plan.
Finanziert wird der Einsatz durch Mittel aus der „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“, die anteilig vom Land Hessen und dem Bund getragen wird. Der LPV hatte die Grundstückseigentümer zuvor angeschrieben und um Zustimmung gebeten. Das Geld sei eine notwendige Investition, sagt Projektleiterin Mascha Werth. Viele Grundstückseigentümer seien alt und schafften es nicht mehr, sich um die körperlich anstrengende Pflege der Bäume zu kümmern. Andere Grundstücke verwildern, weil sich seit Jahren kein Pächter findet. Die Folgen sind immer gleich: Die Flächen verbuschen, die Obstbäume tragen kaum noch Früchte oder sterben ab. ,„Wir müssen alles daran setzen, die Streuobstwiesen zu erhalten“, sagt Mascha Werth.
Durch den Verlust der teilweise über 200 Jahre alten Bäume droht nicht nur ein Verlust vieler alter Obstsorten. Die Streuobstwiese ist auch Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten wie den Steinkauz oder den Gartenrotschwanz. Hinzu kommt die heimische Apfelweinkultur, die ohne die Streuobstwiesen vor dem Aus steht. „Die Streuobstwiese ist Natur pur. Aber sie ist eben eine Kulturlandschaft. Sie ist vom Menschen angelegt und muss vom Menschen regelmäßig gepflegt werden. Das vergessen viele“, sagt Werth.

Wie ein Obstbaum idealerweise auszusehen hat, weiß die Landschaftspflegerin. Die Krone sollte einen kräftigen Mitteltrieb sowie drei bis vier Seitenäste aufweisen, möglichst gleich stark und gleichmäßig um die Stammachse verteilt. Bäume, die lange nicht gepflegt wurden, fallen durch stark zugewachsene Kronen auf. In einem solchen Problem-Baum sitzt am Montag Peter Stängel. „Der ist böse verstrubbelt“, sagt der Baumpfleger der Firma „Baum aktiv“ aus Gelnhausen. Mit einer Motorsäge versucht er, den Apfelbaum nach oben zu entlasten. „So bekommen die unteren Äste wieder mehr Licht und sterben nicht ab.“
Ein weiterer Problemfall steht ein paar Reihen weiter. Der Baum ist von unzähligen Misteln befallen. Auch das eine Folge fehlender Pflege. Die Pflanzen leben als Halbschmarotzer und entziehen dem Baum mit ihren Saugwurzeln, die bis zu 50 Zentimeter in die Äste hineinwachsen, Wasser und Nährstoffe. Werden die Misteln nicht entfernt, stirbt er ab.
Direkt nebendran steht ein abgestorbener Stamm. Er wird bleiben, trotz Sanierungsmaßnahmen. „Alte, absterbende Bäume oder Totholz haben aus ökologischer Sicht einen hohen Stellenwert, weil sie Insekten und verschiedenen Tierarten Nahrung und Lebensraum bieten“, so Werth.

Um die Obstbaumbestände zu retten, arbeitet der LPV seit vielen Jahren Hand in Hand mit dem Arbeitskreis Streuobst Maintal. An erster Stelle stehe, Nutzer für die vakanten Grundstücke zu finden, sagt Ralf Vandamme, Sprecher des Arbeitskreises. Nur so sei die Nachhaltigkeit der Sanierungsmaßnahmen gegeben. „Bürger, die ein Grundstück pachten oder gegen Pflege nutzen möchten, sollen sich unbedingt melden.“ Zurzeit habe der Verein einen Überschuss an Wiesen, die nicht verpachtet sind. „Das hatten wir in den vergangenen 20 Jahren noch nie“, sagt Vandamme. Anfragen habe der Verein seit Beginn der Pandemie zwar permanent erhalten. „Aber diesen Leuten geht es nicht um die Liebe zur Natur. Sie suchen ein Freizeitgelände“, sagt Vandamme.
Ein Phänomen, das man auch beim LPV kennt. „Die Leute rufen uns an, weil sie Äpfel zum Keltern suchen. Ein Grundstück pflegen wollen sie nicht“, so Werth. Genau hier liegt jedoch das Problem, glaubt die Landschaftpflegerin. Die Leute sehen nur die Arbeit, die eine Streuobstwiese mache, nicht den ideellen Wert und die Freude, die sie eben auch mit sich bringe. „Was gibt es Schöneres, als an einem sonnigen Herbsttag gemeinsam mit seinen Kindern die eigenen Äpfel zu ernten.“
Von Kristina Bräutigam