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Mit Ulrike Holschers Abschied endet der Bischofsheimer Besuchsdienst

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Hatte immer ein offenes Ohr: Ulrike Holscher hat über 30 Jahre ehrenamtlich Besuchsdienste für die Evangelische Kirchengemeinde Bischofsheim übernommen. Aus Altersgründen hat die 83-Jährige nun aufgehört.
Hatte immer ein offenes Ohr: Ulrike Holscher hat über 30 Jahre ehrenamtlich Besuchsdienste für die Evangelische Kirchengemeinde Bischofsheim übernommen. Aus Altersgründen hat die 83-Jährige nun aufgehört. © Kristina Bräutigam

Über 30 Jahre war Ulrike Holscher beim Besuchsdienst aktiv. Jetzt hat die 83-Jährige aus gesundheitlichen Gründen aufgehört. Damit muss die evangelische Kirchengemeinde Bischofsheim den Dienst einstellen.

Maintal – Wie viele Gespräche sie geführt hat, Ulrike Holscher weiß es nicht. Es müssen viele gewesen sein. Mehr als 30 Jahre gehörte sie zum Besuchsdienst der Evangelischen Kirchengemeinde Bischofsheim. Jetzt hat die 83-Jährige aus gesundheitlichen Gründen aufgehört. Leicht ist ihr die Entscheidung nicht gefallen, sagt sie. „Mir hat es immer viel Freude gemacht. Aber es geht einfach nicht mehr so wie früher“.

Zum Besuchsdienst stößt die heute 83-Jährige durch Zufall. 1990 liest sie den Aufruf im Gemeindebrief – und hat Lust, mitzumachen. Die drei Kinder sind längst aus dem Haus, sie ist nicht berufstätig. .„Ich wollte nicht bloß zu Hause sitzen, sondern etwas Sinnvolles tun“, erinnert sich Ulrike Holscher. Kurz darauf gehört sie zum Team aus rund zehn Ehrenamtlichen.

Viele sprachen über den Krieg

Meist sind es die Pfarrer, die den Ehrenamtlichen mitteilen, wo sie gebraucht werden. Hin und wieder meldet sich auch ein Hausarzt oder ein Nachbar. Einsamkeit ist der häufigste Anlass für einen Besuch, sagt Ulrike Holscher. Immer wieder trifft sie auf Menschen, die zurückgezogen leben, keinen Kontakt zu Familie oder Freunden haben. „Weggeschickt wurde ich nie. Die Leute haben sich immer gefreut“, erzählt die 83-Jährige, die zuletzt überwiegend Besuche in Seniorenheimen macht. Zuhören, trösten, da sein, viel mehr habe es oft nicht gebraucht. Manchmal schauen sie gemeinsam alte Fotos an. Und immer wieder ist es der Krieg, der viele Ältere beschäftigt. „Vielen tut es gut, darüber zu sprechen“, sagt Ulrike Holscher.

Ein- bis zweimal pro Woche besucht sie die Menschen, eine, manchmal anderthalb Stunden bleibt sie. Zu einigen entsteht eine feste Bindung. So wie zu einer älteren Dame. Der Mann ist verstorben. Kinder hatte das Paar keine. Schwierig sei sie gewesen, sagt Holscher. „Aber ich kam gut mit ihr zurecht. Wir hatten ein besonderes Verhältnis.“ Als die Seniorin schließlich in ein Hanauer Pflegeheim kommt, besucht Ulrike Holscher sie dort. „Es durfte niemand sonst ins Zimmer kommen, wenn ich da war“, erinnert sie sich.

Entlastung für pflegende Angehörige

Manchmal kommt der Besuchsdienst auch, um pflegende Angehörige zu entlasten. Oder um den Menschen eine kleine Abwechslung zu bieten. Eine Frau, die wegen einer MS-Erkrankung im Rollstuhl sitzt, begleitet Ulrike Holscher zum Einkaufen. „Dem Mann war das zu viel, also habe ich das gemacht“, sagt sie und lächelt. Mitunter ist der ehrenamtliche Einsatz auch anstrengend und belastend. All die Sorgen und Probleme; zu sehen, was Alter und Krankheit mit den Menschen machen, wie die Kräfte nachlassen. „Demenz war für mich immer schlimm. Damit kann ich nicht gut umgehen“, sagt sie. Um sich auszutauschen und auch belastende Erlebnisse zu besprechen, treffen sich die Besuchsdienst-Damen alle vier bis sechs Wochen, meist in Begleitung eines Pfarrers.

Auch für die Geistlichen ist der Besuchsdienst eine wichtige Einrichtung. „Wir als Pfarrerinnen und Pfarrer schaffen es leider immer weniger, Besuche zu machen“, sagt Pfarrer Jens Heller. Bei einem Besuch erfahren die Ehrenamtlichen ganz einfach und direkt, wo es jemandem vielleicht schlecht geht und wo man helfen kann. Zudem sei es etwas anderes, ob der Pfarrer oder ein Mensch aus der Nachbarschaft kommt. Manchmal ergebe sich durch die Besuche der Ehrenamtlich auch Situationen, in denen die Pfarrer explizit als Seelsorger helfen können. „Davon wüssten wir oft gar nichts, wenn nicht Menschen wie Frau Holscher uns davon erzählen.“

Besuchsdienst muss eingestellt werden

Umso trauriger sei es, dass der Besuchsdienst der Evangelischen Kirchengemeinde Bischofsheim nun eingestellt werden muss. Denn mit Ulrike Holscher haben auch die letzten beiden Seniorinnen aus gesundheitlichen Gründen aufgehört, neue Ehrenamtliche habe man nicht für den Besuchsdienst gewinnen können. „Das ist wirklich außerordentlich bedauerlich“, sagt Pfarrer Jens Heller. Die Gründe seien vielfältig. Die Gesellschaft habe sich sehr verändert, Kontakte seien heute viel stärker an gemeinsamen Interessen ausgerichtet als an der Nachbarschaft. Hinzu kommen die oft ernsten, manchmal auch anstrengenden Gespräche. „Der Besuchsdienst ist ein intensiver, auch anspruchsvoller Dienst. Vielleicht schreckt das auch manche ab“, so Heller.

Auch Ulrike Holscher hofft, dass sich vielleicht doch jemand findet. „Man bekommt ganz viel zurück“, sagt sie und erzählt von dem einsamen, alten Herren, den sie in einem Pflegeheim besucht. Still habe er am Tisch gesessen, nie ein Wort gesagt. Doch wenn sie in den Raum gekommen sei, habe er ihr den Mantel abgenommen, ein paar Worte gesprochen und dann eine Stunde Klavier für sie gespielt. „Das hat mich sehr gefreut“, sagt sie und lächelt.

Wer Interesse hat, ehrenamtlich Besuchsdienste für die Evangelische Kirchengemeinde Bischofsheim zu übernehmen, kann sich mit Pfarrerin Kirsten Schulmeyer, z 06109 698920, oder Pfarrer Jens Heller, z 06109 6997228, in Verbindung setzen. Weitere Informationen und Kontaktdaten gibt es online unter www.kirche-bischofsheim.de

Von Kristina Bräutigam

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