Mord ohne Leiche: Zeuge aus Maintal kann sich kaum erinnern

Im Prozess um den Mord ohne Leiche kommt das Hanauer Schwurgericht kaum weiter: Wieder kann sich ein Zeuge kaum an die wichtigen Details seiner Beobachtung erinnern.
Maintal/Hammersbach/Hanau – Seit Mitte November trägt die 1. Schwurgerichtskammer einen riesigen Berg an Fakten zusammen. Beim Ortstermin in Hammersbach werden riesige Blutspritzer wieder sichtbar. Blut, das von Alojzij Z. (79) stammt, der seit dem 21. Januar vergangenen Jahres auf mysteriöse Weise verschwunden ist (wir berichteten). Der schwarze Porsche Cayenne, das Auto des mutmaßlichen Mordopfers, wird von der Polizei während der Suche nach Z. an der Bruno-Dreßler-Straße in Maintal-Bischofsheim sichergestellt. Das blutverschmierte Handy von Z. wird an der Ecke Am Kreuzstein/Gutenbergstraße gefunden. .
Fakt ist inzwischen auch: Ralf H., der unter Mordverdacht auf der Anklagebank sitzt und zu den Vorwürfen schweigt, hatte bei seinem Vermieter Mietschulden, parallel lief deshalb auch ein Zivilprozess vor dem Hanauer Landgericht. Zudem entdeckt die Polizei bei H. ein großes Waffenarsenal
Hanauer Landgericht hat einen Berg von Fakten und Indizien vor sich
Doch dann ist da ein großer Berg von Indizien. Stundenlange Aufnahmen von Videokameras der Unternehmen im Maintaler Gewerbegebiet West. Aussagen der Ex-Geliebten von H., die den Autowerkstattbetreiber in ein schiefes Licht rücken. Und die Aussagen von völlig unbeteiligten Augenzeugen, die von der Polizei vernommen worden sind.
Einer von ihnen ist Herr G. (37), der als Lagerist in einer Firma an der Bruno-Dreßler-Straße arbeitet. Er will am 21. Januar 2021 eine für die Ermittler sehr wichtige Beobachtung gemacht haben. „Da kam ein schwarzer Porsche Cayenne, der auf der gegenüberliegenenden Straßenseite geparkt hat“, ist sich der Zeuge sicher. Denn am Dienstag konzentrieren sich die fünf Richter unter Vorsitz von Susanne Wetzel auf den Fundort des zunächst vermissten Sportwagens des 79-Jährigen. „Ich habe selbst einen solchen Porsche“, berichtet er. Es kann also keinen Zweifel an der Aussage geben, denn der Zeuge scheint sich mit Autos gut auszukennen. Das ist aber schon alles. Denn was Herr G. in seiner über dreistündigen Vernehmung sonst noch berichtet, dürfte von der Kammer schnell zu den Akten gelegt werden. Weder die Uhrzeiten noch die anderen Beobachtungen von Herrn G. helfen, ein weiteres Teil in diesem riesigen Puzzlespiel zu ergänzen.
Zeuge hat eine schlechte Erinnerung vor dem Hanauer Landgericht
Ob er das Kennzeichen des Porsche erkannt habe, will die Vorsitzende wissen. „Bielefeld oder Duisburg“, gibt G. zur Auswahl. Erst der dritte Versuch stimmt mit den Fakten überein: „München.“ Und wenn sich ein Zeuge „zu 1000 Prozent sicher ist“, läuten bei allen Juristen im Verhandlungssaal die Alarmglocken. Denn der 37-Jährige ist felsenfest davon überzeugt, dass er den ominösen Porsche „am Vormittag“ gesehen habe. Weil: Immer um 13.15 holt er seine Tochter in Offenbach von der Schule ab. Als Staatsanwältin Lisa Pohlmannn den kleinen Hinweis gibt, dass im Januar 2021 Corona-Lockdown gewesen und somit die Schulen geschlossen waren, fängt die felsenfeste Überzeugung an, zu bröckeln.
Sie zerbröselt dann, als die Richter ihm die Sequenzen aus einer Videoüberwachung vorführen: 21. Januar, 15.49 Uhr, zeigt die Anzeige. Dann sieht G. schließlich ein, dass er „ein schlechtes Zeitgefühl“ hat. Doch auch die anderen Beobachtungen, die er gemacht haben will, lassen mehr Zweifel als verwertbare Aussagen zurück. Er will zwar einen Mann beobachtet haben, der aus dem Porsche ausgestiegen und dann in ein anderes Fahrzeug gestiegen ist. Doch über das Aussehen dieses Unbekannten kann er keine klare Angaben machen. Keine Fragen mehr?
Doch – Strafverteidiger Johannes Hock hat noch eine Frage: „Können Sie ausschließen, dass der Angeklagte der Mann ist, der im Porsche gesessen hat?“ G. ist sich wieder „sicher“ und antwortet: „Ja.“ Das Indizien-Puzzle vor dem Schwurgericht ist an diesem Tag keinen Millimeter weitergekommen. Die Frage, ob Ralf H. seinen Vermieter in Hammersbach ermordet hat, kann derzeit keineswegs mit der erforderlichen Sicherheit beantwortet werden. Der Prozess wird fortgesetzt (Von Thorsten Becker)